Seit Anfang August 2017 knacken die Preise auf den Strom- & Commodity-Märkten einen Rekord nach dem anderen. Ist es Zeit, die Korken knallen zu lassen und das Ende der mageren Zeiten einzuläuten? Oder handelt es sich nur um eine temporäre Anomalie? Um eine Antwort zu finden, suchen wir zunächst die Ursachen für die aktuelle Preisentwicklung.
Während das Strom-Frontjahr-Base zwischen November 2016 und Juli 2017 die magische Marke von 31,50 EUR/MWh nicht überschritten hat, wurde sie im Juli mehrmals durchbrochen. Seit Anfang August 2017 wurden alle Dämme durchbrochen, ein Allzeithoch jagt das andere. Ende Oktober und Anfang November 2017 wurden sogar Verträge zu Preisen über 37 EUR/MWh gehandelt. Ist es Zeit, die Korken knallen zu lassen und das Ende der mageren Zeiten einzuläuten? Oder handelt es sich nur um eine temporäre Anomalie? Um eine Antwort zu finden, suchen wir zunächst die Ursachen für die aktuelle Preisentwicklung.
Die Terminmarktpreise für Strom hängen grundlegend von den Commoditykosten der Kraftwerke (Steinkohle, Gas, CO2) und der Verfügbarkeit von Erzeugungsanlagen ab. Politische Entscheidungen wirken sich ebenfalls auf die Preisentwicklung aus.
Der Steinkohlemarkt im Wettlauf
Der insbesondere für den deutschen Strommarkt relevante Steinkohlemarkt (API2) ist aktuell von einem wahren Wettrennen geprägt. Seit dem Frühjahr 2016 stieg der Kohlepreis mit kurzzeitigen Seitwärtsbewegungen fast kontinuierlich an. Eine erhöhte Nachfrage nach Steinkohle aus China und Indien führte zu diesem Anstieg seit dem Sommer. Für den europäischen Markt spielt auch der Wechselkurs (EUR/USD) eine entscheidende Rolle, da Steinkohle am Weltmarkt in USD gehandelt wird. Nach einem historischen Tief Ende 2016/Anfang 2017 stieg der Wechselkurs auf seinen höchsten Wert seit 2014[1]. Diese Entwicklung verstärkte den Preisanstieg bei Steinkohle für den europäischen Markt zusätzlich.
Der CO2-Kurs schwankt mit jeder neuen Nachricht
Auch der CO2-Markt zeigt Anzeichen, aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen. Seit dem Sommer 2017 stiegen die Preise, mit kleineren Zwischenphasen, auf seit 2015 nicht mehr gesehene Höhen. Während negativ Rekorde von 4-5 EUR/t fast normal erschienen, wurden bis Anfang November Kontrakte zu Preisen von bis zu 8 EUR/t gehandelt1. Eine große Anzahl an Faktoren erhöht den Druck auf die Marktteilnehmer: Diskussionen um den Verbleib der britischen Zertifikate nach dem endgültigen Brexit, die schwierigen Verhandlungen in Brüssel zur kommenden Handelsperiode, aktuelle Diskussionen um Mindestpreise in mehreren Ländern (unter anderem Deutschland, Frankreich, Niederlande) sowie die aktuelle Unsicherheit bei der Verfügbarkeit von französischen Kernkraftwerken im kommenden Winter[2]. Mit jeder neuen Nachricht bewegt sich der CO2-Kurs – sei es aus Frankreich, Brüssel oder Berlin. Spekulative Händler tun ihr übriges1.
Welche Rolle spielt der Gaspreis?
Wenn auch in seinem Einfluss dem Kohlepreis unterlegen, spielt der Gaspreis eine nicht unwichtige Rolle, um Strompreise zu bewerten. Nachdem der Gaspreis sein Allzeittief Anfang 2016 erreicht hatte, schien er sich bis Anfang 2017 wieder etwas erholt zu haben. Bis zum Sommer 2017 fielen die Preise drastisch ab mit einem Preisverfall von knapp drei EUR/MWh (rund 15 Prozent gegenüber Dem Preispeak von Anfang 2017). Als würde er dem Kohlepreis in nichts nachstehen wollen, stieg der Gaspreis pünktlich mit fallenden Temperaturen im September 2017 um mittlerweile zwei EUR/MWh erneut an.
Alle für den Strompreis relevanten fundamentalen Faktoren – CO2-Preise, Kohle- und Gaspreise, Kraftwerksverfügbarkeit – untermauern den anhaltenden Preisanstieg.
Doch reicht das aus um die Trendwende einzuläuten? Ab wann kann von einer Trendwende gesprochen werden?
- Wohin geht es im Steinkohlemarkt?
- Wie geht es weiter mit den CO2-Preisen
- Was passiert mit den französischen Kernkraftwerken?
- Was steht noch an?
Die Nachfrage aus Asien ist nicht zu unterschätzen
Marktexperten glauben, dass die aktuelle Nachfrage nach Steinkohle aus China und Indien ein natürliches Ende finden wird – zumindest was das aktuelle Niveau angeht. Der Nachfrageanstieg war vor allem durch leere Wintervorräte für Kraftwerks- und Kokskohle in den asiatischen Staaten verursacht. China schließt zunehmend ineffiziente Kohleminen im eigenen Land und ersetzt die Mengen mit Importkohle. Allerdings baut China in seinen aktuellen Energiestrategien zunehmend weniger auf Steinkohle. So wird die Nachfrage aus dem Reich der Mitte langfristig geringer ausfallen sein.
Kritische Meinungen zur richtigen Höhe eines CO2-Preises
Die Entwicklungen im CO2-Markt sind maßgeblich von den Entscheidungen in Brüssel, aber auch den Nationalstaaten abhängig (für nationale Mindestpreise). In Expertenkreisen ist es nahezu unumstritten, dass es einen CO2-Preis geben muss, der deutlich über dem aktuellen Preisniveau liegen muss, um einen Lenkungseffekt zu zeigen. Lesen Sie hierzu unser White Paper zu CO2-Preisen. Je nach Steinkohle- und Gaspreisniveau wird über folgende Preisstufen diskutiert: 10 EUR/t (Gaskraftwerke beginnen Steinkohlekraftwerke zu verdrängen), 32 EUR/t (Gaskraftwerke beginnen Braunkohlekraftwerke zu verdrängen) und 50 EUR/ t (Gaskraftwerke haben Braunkohlekraftwerke verdrängt, Steinkohlekraftwerke beginnen Braunkohlekraftwerke zu verdrängen). Marktteilnehmer sehen den damit einhergehenden Effekt auf die Strompreise mit Hinblick auf die Folgen für die Industrie als großes Problem. Insbesondere Volkswirtschaften mit stromintensiven Industrien beziehungsweiseeinem hohen Anteil an Stein- und Braunkohlekraftwerken (wie beispielsweise Polen) stehen einem entsprechenden CO2-Preisanstieg kritisch gegenüber. Das führt dazu, dass sich die Verhandlungen auf EU-Ebene äußerst schwierig gestalten. Vorstellbar ist, dass sich eine Allianz aus mehreren Nationalstaaten auf einen Mindestpreis für CO2 einigen wird. Aktuelle politische Diskussionen weisen darauf hin.
Entwicklungen in Frankreich: Kernenergie soll reduziert werden
Die französischen Kernkraftwerke bereiten den Franzosen nicht erst seit diesem Jahr großes Kopfzerbrechen. Der Kernkraftwerkspark ist zunehmend veraltet und mit einem Durchschnittsalter von rund 30 Jahren sind 25 Prozent der Kraftwerke schon über 37 Jahre lang am Netz. Zudem führt die Fahrweise der Kraftwerke (flexibel) zu einem deutlich schnelleren Verschleiß als baugleiche Kraftwerke im Grundlastbetrieb. Darüber hinaus plant die französische Regierung bis 2025 den Anteil der Kernenergieerzeugung von 75 Prozent auf 50 Prozent zu reduzieren. In welcher Ausprägung auch immer – der französische Kraftwerkspark wird uns weiterhin beschäftigen.
Onshore-Windenergie: mögliche Zubaulücke durch längere Realisierungsdauer
In den nächsten Jahren steht in Deutschland der geplante Kernenergieausstieg bis 2022 an. Dadurch nimmt der Anteil konventioneller Erzeugungseinheiten zunehmend ab. Er wird aber, wenn auch in einer anderen Struktur, teilweise durch den Zubau an erneuerbarer Energien aufgefangen. Der hohe Anteil an Bürgerenergiegesellschaften bei den erfolgreichen Geboten sorgt für ein gewisses Maß an Unsicherheiten bezüglich der jährlichen Zubauraten der Onshore-Windenergie Durch die längere Realisierungsdauer von 48 (+6) Monaten anstatt 24 (+6) Monaten ist eine Zubaulücke in den kommenden Jahren möglich.
Neben dem laufenden Kernenergieausstieg steht aktuell auch ein Kohleausstieg bis 2030 oder später zur Diskussion. Je nach Ausgestaltung könnte dies auch bereits bis 2020 zu einem nicht unerheblichen Kapazitätsrückgang führen. Dies kann sich, wenn nicht durch andere Faktoren konterkariert, preissteigernd auswirken. Schlussendlich ist es vor allem der CO2-Preis, der eine entscheidende Bedeutung für den Strommarkt hat. Aber das entscheidet die Politik – wir sind gespannt, wie es weiter geht.
[1] Quelle: Montel
[2] Der zusätzliche Einsatz von Gas- und Kohlekraftwerke erhöht den Zertifikatbedarfs.
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