Das Jahr 2023 brachte dem deutschen Strommarkt nicht nur eine deutliche Erholung von der Hochpreisphase 2022. Darüber hinaus hielt es auch einige spannende Entwicklungen in den Bereichen Preise, Erzeugung, Ausbau und Stromhandel bereit.

Insbesondere die Abschaltung der letzten drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke löste einige kontroverse Debatten aus.

Energiesparen und Marktentspannung: sinkende Strompreise 2023

2023 sind sowohl die Nettostromerzeugung als auch die Last in Deutschland auf die niedrigsten Werte seit Anfang der 2000er gefallen, wie aus Abbildung 1 hervorgeht. Im vergangenen Jahr stellten Erzeuger in der öffentlichen Nettostromerzeugung 435,6 TWh Energie bereit. Dies stellt im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 56,2 TWh dar. Zwar ist auch die Last zurückgegangen, jedoch war deren Rückgang nicht so stark wie der der Erzeugung, sodass sich hier eine Diskrepanz von ca. 22 TWh eingestellt hat.

Der Rückgang der Last ist hauptsächlich auf zwei Dinge zurückzuführen:

  • Einerseits haben sowohl die privaten als auch die gewerblichen Verbraucher auf die gestiegenen Strompreise und die vergleichsweise milden Witterungsverhältnisse reagiert und ihren Verbrauch reduziert. Aufgrund der konjunkturellen Lage und der hohen Strompreise haben zudem Unternehmen aus energieintensiven Industrien ihren Verbrauch gemindert.
  • Außerdem setzen sowohl private als auch gewerbliche Verbraucher zunehmend auf die Produktion von dezentralem Strom und Eigenverbrauch. Dies resultierte in einer niedrigeren Netzlast, was die Reduktion der öffentlichen Nettostromerzeugung auf dem deutschen Strommarkt begünstigte.

Neben den Veränderungen der Energiemengen stellten wir 2023 auch deutliche Bewegungen bei den Preisen fest. Im Vergleich zu 2022 haben sich die volumengewichteten Durchschnittspreise um mehr als die Hälfte reduziert. 2023 lag der durchschnittliche volumengewichtete Day-Ahead Börsenstrompreis bei 92,29 €/MWh bzw. 9,23 Cent/kWh, und der durchschnittliche volumengewichtete Intraday Stundenpreis betrug 97,92 €/MWh bzw. 9,79 Cent/kWh.

Dem gegenüber stehen Werte aus 2022 von 230,57 €/MWh (Day Ahead) und 232,55 €/MWh (Intraday). Tatsächlich sind die Durchschnittspreise 2023 sogar noch unter die Preise von 2021 gefallen. Damals lag der durchschnittliche volumengewichtete Day-Ahead Börsenstrompreis bei 93,36 €/MWh und der durchschnittliche volumengewichtete Intraday Stundenpreis bei 99,90 €/MWh. Die Lage am Strommarkt hat sich also im Vergleich zum Krisenjahr 2022 wieder deutlich entspannt, wenngleich die Preise signifikant höher bleiben als vor der Corona-Pandemie.

Erneuerbare Energien – die wichtigste Quelle für den deutschen Strommarkt

Im Jahr 2023 produzierten die erneuerbaren Energiequellen Solar, Wind, Wasserkraft und Biomasse rund 260 TWh. Damit hoben sie das Niveau des Vorjahres von 242 TWh um ca. 7,2 % an.

Windkraft macht nicht nur den größten Anteil der erneuerbaren Energiequellen aus, sondern ist auch im gesamten Vergleich die wichtigste Stromquelle für den deutschen Markt. Insgesamt haben die Windkraftanlagen rund 140 TWh eingespeist. Hiervon entfallen ca. 115,3 TWh auf Windanlagen onshore und 23,5 TWh auf Windanlagen offshore. Mit einer Zunahme von ca. 17,3 TWh lag die gesamte Erzeugung der Windkraft 14,1 % über der Produktion von 2022. Das ist in erster Linie den günstigen Witterungsverhältnissen zu verdanken, denn die installierte Leistung ist nur um 5 % auf 69,5 GW angestiegen.

Vergleicht man die Entwicklung der Volllaststunden von on- und offshore Windanlagen, so zeigen sich hier deutliche Unterschiede. Während Wind onshore von 13,9 % mehr Volllaststunden als im Vorjahr profitieren konnte, musste Wind offshore einen Rückgang von 8,7 % hinnehmen. Durch den Zubau und das windige Wetter hat Wind onshore 19 % mehr Strom erzeugt als im Vorjahr. Wind offshore konnte den Rückgang der Erzeugung auf 5,2 % begrenzen. Das mag im ersten Moment kontraintuitiv wirken, denn vor der Küste erwartet man günstigere Windverhältnisse als auf dem Festland. Schuld an der Diskrepanz sind vor allem Netzengpässe, die eine volle Ausnutzung der vorhandenen Windenergiemenge begrenzt haben.

Im Bereich der Solaranlagen war im Jahr 2023 ein deutlicher Zubau zu beobachten. Da es im letzten Jahr aber weniger Sonnenstunden gab als 2022, haben sich die Volllaststunden für solare Stromerzeugung mit 13,3 % deutlich reduziert. Trotzdem konnte die Menge erzeugter Solarenergie um 1 TWh auf 59,9 TWh erhöht werden.

Bei der Wasserkraft ließ sich zwar kein Zubau beobachten, sodass die installierte Leistung bei 4,94 GW verharrte. Trotzdem ist die Erzeugung 2023 von 16,3 TWh im Vorjahr auf ca. 19,5 TWh gestiegen.

Die installierte Leistung für Biomasse hat sich leicht erhöht. Trotzdem wurde im Vergleich zum Vorjahr 3 % weniger Energie aus Biomasse erzeugt, sodass die Produktion 2023 42,3 TWh betrug.

Erneuerbare Energien stellten 2023 den historisch höchsten Anteil an der Last. Zum dritten Mal übertraf der Anteil der in Deutschland in das öffentliche Stromnetz eingespeisten erneuerbaren Energien an der Last die magische Grenze von 50 %, die 2023 mit 56,9 % so deutlich wie nie überboten wurde. Zudem hat der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Nettostromerzeugung einschließlich des solaren Eigenverbrauchs und der Eigenerzeugung von Industrie und Gewerbe 2023 zum ersten Mal die 50-Prozent-Marke überschritten, und das gleich mit 54,9 %. Im Vergleich zu 45,5 % im Vorjahr ist das eine beachtliche Steigerung der Bedeutung erneuerbarer Energien in der deutschen Energielandschaft.

Nicht erneuerbare Energiequellen auf dem Rückzug

Auch wenn die nicht erneuerbaren Energien im letzten Jahr an Bedeutung verloren haben, leisteten sie dennoch einen wichtigen Beitrag zur Energieerzeugung und haben häufig den Strompreis bestimmt.

Für die Kernkraft brachte das Jahr 2023 eine Zäsur. Bis zum 15. April wurden alle verbleibenden Kernkraftwerke abgeschaltet. Damit ist  nach fast 12 Jahren der Atomausstieg vollzogen. Vor der Abschaltung haben die deutschen Kernkraftwerke 2023 noch 6,7 TWh Strom erzeugt.

Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken war 2022 aufgrund der angespannten Marktsituation sehr gefragt. Nichtsdestotrotz wurde Kohlestrom 2023 vermehrt wieder durch andere Energiequellen ersetzt,. Damit setzte  sich der generelle Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. So wurde 2023 so wenig Strom (brutto) aus Braunkohle 2023 produziert wie 1963. Mit einer Reduktion von 26,8 TWh im Vergleich zum Vorjahr stellten Braunkohlekraftwerke 2023 77,5 TWh netto für den öffentlichen Stromverbrauch und 3,7 TWh für den Eigenverbrauch der Industrie zur Verfügung.

Prozentual gesehen ist die Bedeutung der Steinkohle 2023 sogar noch stärker gefallen. Ein Rückgang von 21,4 TWh stellt eine Verringerung der Stromproduktion aus Steinkohle um 36,8 % dar. So wurden 2023 36,1 TWh für den öffentlichen Stromverbrauch und 0,7 TWh für den industriellen Eigenverbrauch produziert. Zuletzt war die Bruttostromerzeugung aus Steinkohle 1955 auf diesem niedrigen Niveau.

Strom aus Gaskraftwerken wurde 2023 nur um 1,1 TWh weniger nachgefragt als im Vorjahr. Gaskraftwerke lieferten in diesem Jahr 45,8 TWh für die öffentliche Stromversorgung und 29,6 TWh für den industriellen Eigenverbrauch.

Ausbaustatistiken zeigen Solarenergie auf dem Vormarsch

In das Bild zunehmender erneuerbarer Erzeugung und rückläufiger Erzeugung aus nicht erneuerbaren Quellen fügt sich auch die Statistik zum Zu- und Rückbau installierter Nettoleistung im Jahr 2023 nahtlos ein.

Dabei fällt vor allem auf, dass PV-Anlagen in einer Größenordnung von 14,3 GW signifikant zugebaut wurden. Dies hebt die installierte Leistung im Solarbereich erstmals über 80 GW an. Damit haben die Betreiber das selbst gesteckte Ziel der Bundesregierung von 12 GW sogar übererfüllt. In einem geringeren Maße wurden auch die Anlagen für Windenergie ausgebaut, wobei 3 GW Zubau auf Windenergie onshore entfallen und 0,3 GW auf Windenergie offshore. Die installierte Leistung für Windenergie onshore ist damit erstmals über 60 GW gestiegen, während die Leistung für Windenergie offshore 8,5 GW beträgt. Die installierte Leistung der Windkraftanlagen ist im vergangenen Jahr damit um 5 % auf 69,5 GW angestiegen. Das eigentliche Ziel von 3,9 GW Zubau wurde jedoch deutlich verfehlt. Als weiterer erneuerbarer Energieträger wurde die installierte Leistung für Biomasse mit 0,1 GW geringfügig ausgebaut, welche mit 9 GW knapp über dem Wert der Windenergie offshore liegt.

Als einzige fossile Energiequelle erlebte Erdgas einen Zubau. Hier wurde die installierte Leistung 2023 um 0,5 GW erhöht. Sie stellt mit 34,8 GW weiterhin die drittgrößte Energiequelle für Deutschland dar. Die installierte Leistung für Braunkohle wurde um 0,1 GW reduziert, während sich bei der Steinkohle noch weniger veränderte. Diese beiden Energieträger bleiben mit 18,6 GW (Braunkohle) und 18,9 GW (Steinkohle) signifikante Größen in der deutschen Energielandschaft. Die größte Veränderung gab es bei der Kernenergie, die nach dem Atomausstieg fortan mit einer von 4,1 GW auf 0 GW reduzierten Leistung keine Rolle mehr in der deutschen Energielandschaft spielt.

Besonders interessant ist zudem die Entwicklung der Batteriespeicher, die mehr Flexibilität auf dem deutschen Strommarkt ermöglichen. Mit einem Zubau von 3,7 GW Leistung und 5,3 GWh Kapazität können diese zunehmend mehr in Aktion treten. Bis Ende November 2023 erreichte Deutschland insgesamt 7,9 GW Leistung und 11,6 GWh Kapazität für Batteriespeicher, womit auch deutlich wird, wie signifikant der Ausbau allein im Jahr 2023 war. Sowohl Leistung als auch Kapazität wurden nahezu verdoppelt. Dies lässt für die kommenden Jahre eine zunehmend wichtigere Rolle von Batteriespeichern auf dem deutschen Strommarkt vermuten.

Übersicht Stromimporte: 2023 hauptsächlich aus Nordeuropa

Die Diskrepanz zwischen der Erzeugung in Deutschland sowie der deutschen Last wurde durch Importe ausgeglichen. Beim Stromhandel am Terminmarkt hatte Deutschland letztlich einen Importüberschuss von ca. 11,7 TWh, wobei der Import vor allem im Sommer durch niedrige Strompreise der Nachbarländer attraktiv wurde. Aus den physikalischen Stromflüssen ergab sich zudem ein Importüberschuss von 8,6 TWh.

Am meisten exportierten Dänemark (10,7 TWh), Norwegen (4,6 TWh) und Schweden (2,9 TWh) im Terminhandel nach Deutschland. Gleichzeitig hat natürlich auch Deutschland Exporte geleistet, die in erster Linie nach Österreich (5,8 TWh) und Luxemburg (3,6 TWh) gingen. Der wichtigste Partner für Im- und Export, Frankreich, taucht hier jedoch nicht auf, da sich hier über das gesamte Jahr ein Importsaldo von 0,4 TWh zeigt. Das liegt daran, dass Deutschland von Januar bis April viel Strom nach Frankreich exportiert hat und Frankreich diese Menge über die verbleibenden acht Monate mit Exporten nach Deutschland wettgemacht und nur geringfügig überboten hat.

Was erwartet die deutsche Energielandschaft in der Zukunft?

Für die Zukunft bestehen schwierige Aussichten für die Energiewende. Gerade die steigenden Zinsen, die Budgetprobleme für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und das rasante Schmelzen des EEG-Kontos der Bundesregierung stellen große Herausforderungen für die Energiewende dar. Im Zuge dieser Entwicklungen steigen nicht nur die Finanzierungskosten neuer Ausbauprojekte, sondern gleichzeitig ist auch weniger Geld zur öffentlichen Förderung vorhanden. Andererseits gab es im vergangenen Jahr einen Rekordausbau von Solaranlagen und Batteriespeichern. Dies deutet auf ein großes Interesse privater Akteure an diesen Technologien hin.

Zudem hat die Bundesregierung auf der Weltklimakonferenz in Dubai im Dezember 2023 die Forderung unterstützt, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Um die Abhängigkeit von Erdgas zu verringern, hat die Bundesregierung auch eine ambitionierte Wasserstoffstrategie beschlossen, wovon die ersten Projekte bereits umgesetzt werden. Dazu werden auch die langsam steigenden CO2-Preise beitragen, die fossile Energieträger langfristig weniger interessant machen. Eine lang erwartete Reform der Energiemärkte auf EU-Ebene verspricht 2024 ebenfalls Auftrieb für erneuerbare Energiequellen.

Politischer Wille ist also da, auch wenn die Umsetzung der Energiewende aktuell durch finanzielle Engpässe erschwert wird. Es bleibt spannend, wie die Bundesregierung in diesem Jahr klimafreundliche Technologien attraktiv machen und ihre Ausbaupläne umsetzen kann.

Mehr Insights über den Strommarkt erfahren Sie in unserem Live-Online-Training “Starterkit Stromwirtschaft” am 24. und 25. Januar 2024: Starterkit Stromwirtschaft | Energy Brainpool

Wie sah das Stromjahr 2022 aus? Hier geht’s zum Jahresrückblick 2022 Krieg, Gasknappheit und Extrempreise: 2022 wirft Energiemärkte aus der Bahn – Energy BrainBlog (energybrainpool.com)

Quellen:

www.energy-charts.info, Fraunhofer ISE (2023)

Bruno Burger für Fraunhofer ISE, Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2023, 10.01.2024, https://www.energy-charts.info/downloads/Stromerzeugung_2023.pdf