Im August 2023 erlebte der deutsche Energiemarkt rekordverdächtige Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Der Kohle macht aber nicht nur das zu schaffen. Inzwischen bedeuten die gestiegenen CO2-Preise auch einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für die fossile Energie. Gas- und Ölpreise kamen auch im August nicht zur Ruhe. Der LNG-Streik und gekürzte Fördermengen der OPEC trieben die Preise.
In diesem Beitrag werfen wir wie gewohnt einen Blick auf die Energieerzeugung des vergangenen Monats. Im August 2023 stammte mehr als die Hälfte des deutschen Strommixes, also in etwa 19,3 TWh, aus erneuerbaren Energiequellen. Etwa ein Drittel, nämlich 12,2 TWh, wurde durch fossile Brennstoffe erzeugt, während die restlichen 15 Prozent durch Stromimporte aus dem Ausland gedeckt wurden. Doch wie schlägt sich der August im Vergleich zu den Vorjahren?
Erneuerbare Energien im Jahresvergleich
Bislang war das Jahr 2023 ein erfreuliches Jahr für erneuerbare Energien, und der August setzt diesen positiven Trend fort. Diese erfreulichen Zahlen verdanken wir hauptsächlich den rekordverdächtigen Energiemengen aus Solarenergie und Windkraft. Dank der günstigen Wetterbedingungen und der hohen Sonneneinstrahlung im August konnten Solaranlagen beachtliche 6,7 TWh erzeugen. Dieser Wert stellt den zweithöchsten Augustwert dar, wobei nur der August 2022 mit 7,5 TWh noch höher lag. In ähnlicher Weise trug auch die Windkraft mit 6,8 TWh zur Stromerzeugung bei und landet somit auf dem zweiten Platz im Jahresvergleich, knapp hinter dem Spitzenwert aus dem Jahr 2021 (Abbildung 1).
Fossile Energieerzeugung auf dem Rückzug
Ein klarer Abwärtstrend zeichnet sich bei der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen ab. Insbesondere die Verwendung von Braunkohle als Energieträger ist im Vergleich zu den Vorjahren drastisch gesunken. Tatsächlich erreichte die Stromerzeugung aus Braunkohle den historisch niedrigsten Wert. Im August 2023 steuerte die Braunkohle mit 5,4 TWh lediglich einen Bruchteil ihrer einstigen Energiemengen bei (Abbildung 2).
Der sinkende Preis von Erdgas hat diesen Rückgang teilweise kompensiert. Im Vergleich zu den Vorjahren wurde Erdgas deutlich stärker zur Stromerzeugung herangezogen. Dieser Trend kann größtenteils auf die gestiegenen Preise für CO2-Zertifikate zurückgeführt werden, neben der gleichzeitig entspannten Entwicklung der Gaspreise. Diese Preisanstiege bei den CO2-Zertifikaten betreffen die Braunkohle wesentlich stärker als Erdgas und Steinkohle.
Rekordhohe Stromimporte – ein Warnsignal?
Ein weiterer Rekord wurde auf dem grenzüberschreitenden Strommarkt verzeichnet. Im August 2023 importierte Deutschland noch nie zuvor so viel Strom aus dem Ausland. Der gesamte Importsaldo belief sich auf 5,8 Gigawattstunden. Diese Mengen stammten hauptsächlich aus Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden und Norwegen. Noch vor wenigen Monaten war Deutschland ein Nettoexporteur auf dem Strommarkt. Doch seit dem Ausstieg aus der Kernenergie hat sich das Blatt gewendet: Wir importieren nun signifikant mehr Strom. Aber warum ist das so? Haben wir nicht mehr genug eigene Kapazitäten, um unseren Strombedarf zu decken? Droht ein möglicher Blackout?
Die Unterstellung, dass Deutschland nicht mehr über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um seinen Strombedarf zu decken, ist Unsinn. Tatsächlich stehen immer noch 77 Gigawatt gesicherte Leistung durch konventionelle Energieerzeugung zur Verfügung. Diese können selbst in Zeiten höchster Nachfrage und kompletter Wind- und Sonnenflaute den Strombedarf in Deutschland decken. Doch gestiegene Kosten für Brennstoffe und Emissionszertifikate haben den Import von Strom aus dem Ausland wirtschaftlich attraktiver gemacht als die Inbetriebnahme eigener Kraftwerke.
Die fortschreitende europäische Integration des Strommarktes ermöglicht es nun auch ausländischen Kraftwerken, ihre Energie auf dem deutschen Markt anzubieten. Den Zuschlag erhalten dabei immer die Kraftwerke, die das günstigste Angebot abgeben – das letzte setzt den Preis. Dieses Prinzip wird in der Energiewirtschaft als „marginal pricing“ oder „Merit-Order-Modell“ bezeichnet. Besonders der Strom aus erneuerbaren Energien kann hier durch seine geringen Gestehungskosten zu sehr günstigen Preisen bieten.
Die importierten Strommengen sind somit nicht das Ergebnis von Kapazitätsmangel, sondern vielmehr ein Zeichen für eine immer effizientere Preisbildung auf den europäischen Strommärkten. Dabei werden alle verfügbaren Kapazitäten berücksichtigt. Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut erklärte hierzu auf Twitter, dass die importierten Strommengen hauptsächlich aus 56 % erneuerbarer Energie, 19,5 % Kernenergie und 24,2 % fossilen Quellen bestanden. Die Daten stammen aus eigener Berechnung.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Stromimporte sind aus volkswirtschaftlicher Sicht effizient, glätten die Strompreisspitzen und kommen allen Beteiligten zugute.
Solarausbau nimmt Fahrt auf! Beim Wind herrscht Flaute!
Die politischen Ausbauziele in Deutschland für das Jahr 2023 sind klar definiert: 9 Gigawatt (GW) neue Solaranlagen und knapp 4 GW Windkraftanlagen sollen neu errichtet werden. Doch das derzeitige Umfeld ist für erneuerbare Energien alles andere als günstig. Die Zinswende, belastete Lieferketten und die Inflation stellen deutsche Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, wenn es darum geht, Projekte im Bereich erneuerbare Energien umzusetzen.
Trotz dieser Widrigkeiten verzeichnet die Solarenergie einen beeindruckenden Zubaurekord. Bis zum 14. September wurden bereits 9 GW neue Anlagen ans Netz angeschlossen. Das bedeutet, dass die politischen Ziele bereits zu 100 Prozent erreicht wurden. Wenn dieser Trend für den Rest des Jahres in diesem Tempo anhält, könnten wir am Ende des Jahres sogar bis zu 12 GW neue Solarkapazitäten hinzugewinnen.
Der bisherige Rekord im Zubau von solarer Leistung wurde im Jahr 2011 mit 7,9 GW erreicht. In den Jahren 2013 und 2014 fielen die Zahlen stark, bedingt durch die damalige Kürzung der EEG-Vergütung (Diagramm 4). Seitdem sind die Kosten für konventionelle Stromerzeugung erheblich gestiegen, während sich die Solartechnik kontinuierlich verbessert hat. Dies führte dazu, dass der Einsatz von Solarenergie wieder rentabler wurde und die Ausbauzahlen wieder anstiegen.
Für die Solarbranche sind das gute Nachrichten. Insbesondere da die Ausbauziele in den nächsten Jahren noch einmal deutlich erhöht werden soll. Ab dem Jahr 2026 sollen nämlich jährlich bis zu 22 GW zugebaut werden (BWMK, 2023). Zum Vergleich: Anfang 2022 waren es noch in Summe 67 GW am Netz.
Die Lage bei der Windkraft hingegen unterscheidet sich deutlich von der Solarenergie. Der Windkraftausbau bleibt weiterhin deutlich unter den gesteckten Zielen. Eine Trendwende scheint unwahrscheinlich. Bis zum 14. September 2023 wurden die Ausbauziele für das Jahr 2023 erst zu 45 Prozent erreicht. Auch die Ausschreibungsergebnisse der Bundesnetzagentur (BNetzA) lassen wenig Hoffnung aufkommen. Die Ausschreibung für Windenergie an Land fand am 1. August statt und war erneut unterzeichnet. Obwohl die BNetzA das Volumen bereits auf 1,6 GW reduziert hatte, wurden lediglich Gebote im Umfang von 1,4 GW eingereicht.
Doch warum läuft es bei der Windkraft so viel schlechter als bei der Photovoltaik? Insgesamt sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Windkraft deutlich anders als für die Photovoltaik. Langwierige Genehmigungsverfahren, Bürgerproteste und steigende Zinskosten machen neue Windprojekte unattraktiv.
Ein weiterer Faktor ist der Standort. Wenn bereits viele Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe zueinander installiert sind, produzieren sie ihren Strom gleichzeitig. Dies kann zu Netzengpässen führen, bei denen der erzeugte Strom nicht vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert werden kann. In solchen Fällen werden die Windräder durch einen sogenannten Redispatch angehalten, um eine Überlastung des Netzwerks zu verhindern. Der Betreiber erhält dann eine Ausfallvergütung, um den Verlust teilweise zu kompensieren. Diese werden jedoch durch die Netzentgelte gegenfinanziert. Das hat zur Folge, dass Endverbraucher in Gebieten mit viel Windkraft durch höhere Netzentgelte belastet werden könnten, welches die Akzeptanz von Windenergieanlagen in der Bevölkerung reduziert. Dieser Faktor wird zukünftig bei der Neuausschreibung von Flächen stärker berücksichtigt werden müssen und könnte auch das Wachstum der Windkraft bremsen.
Derzeit verteilt sich die Solar- und Windenergie in Deutschland sehr ungleichmäßig. Die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg verzeichnen die höchste installierte Solarleistung, sind jedoch Schlusslichter beim Windenergieausbau. Die nördlichen Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg hingegen führen beim Windkraftausbau. Für den Erfolg der Energiewende ist es von entscheidender Bedeutung, neben der Solarenergie auch ausreichend Windenergie zur Verfügung zu haben, die gleichmäßig über das Land verteilt ist. Die Ziele des EEG 2023 sehen für die Windkraft 115 GW bis 2030 vor (BMWK, 2023). Hierfür muss das Tempo deutlich erhöht werden, um dem Ziel gerecht zu werden. Es bedarf entschlossenen politischen Maßnahmen, um den Ausbau weiter voranzutreiben.
Rohstoffpreisentwicklung
Keine Ruhe auf den Gasmärkten!
Zu Beginn des Monats August 2023 lag der Gaspreis an der TTF bei 32 Euro pro Megawattstunde. Die Anzeichen standen eigentlich günstig, dass endlich Ruhe auf den Gasmärkten einkehren könnte. In den Monaten Juni und Juli 2023 trieben jedoch Berichte über gedrosselte norwegische Gaslieferungen und den wachsenden Wettbewerb um LNG (verflüssigtes Erdgas) in Asien die Gaspreise in die Höhe. Dennoch schien Anfang August der Preis sich von diesen Entwicklungen erholt zu haben. Die Gasspeicher waren auf Rekordniveau gefüllt, und der Gasverbrauch befand sich auf einem historischen Tiefpunkt.
Doch dieser Aufschwung war nur von kurzer Dauer. Im Verlauf des Augusts stieg der Gaspreis erneut deutlich an. Die Nachrichten über einen drohenden Streik beim australischen LNG-Produzenten Woodside befeuerten die Märkte. Australien ist für rund 10 Prozent der weltweiten LNG-Produktion verantwortlich und spielt somit eine Schlüsselrolle in der globalen Gasversorgung. Kommt es also zu Störungen bei der Versorgung aus diesem Land, sei es durch Streiks oder sonstige Schocks, reagieren die LNG- und Gasmärkte entsprechend darauf. Während viele Analysten davon ausgehen, dass es sich bei dieser Preiserhöhung nur um eine vorübergehende Erscheinung handelt, bleibt der Markt in einem äußerst sensiblen Zustand.
Die Frage, wohin die Reise geht, ist jedoch alles andere als einfach zu beantworten. Ein Blick auf die sogenannte Price-Forward-Curve kann dabei helfen. Diese stellt die erwarteten Preise für ein Energieprodukt auf Basis der aktuell gehandelten Terminkontrakte zu verschiedenen zukünftigen Zeitpunkten dar. Für die kommende Heizsaison und die folgenden Jahre 2024/25 zeigen die Märkte die Erwartung an einen Gaspreis von über 55 Euro pro Megawattstunde. Dies entspricht etwa dem Doppelten des Niveaus vor der Krise. Ab dem Jahr 2026 gehen die Preiserwartungen jedoch deutlich zurück.
Dennoch bieten diese Zahlen natürlich keine verlässliche Antwort auf die Frage. Sie spiegeln lediglich die Erwartungen unter den heutigen Bedingungen wider. Die Gasmärkte bleiben anfällig für externe Schocks, was bedeutet, dass sich die Vorzeichen bereits morgen wieder ändern könnten.
Kohle- und Ölpreise bekommen Aufwind
Im Verlauf des Jahres 2023 verzeichnete der Kohlepreis insgesamt einen Rückgang. Doch im August nahm dieser plötzlich wieder spürbar Fahrt auf. Der ICE-Monatskontrakt für September wurde Anfang August noch bei rund 105 US-Dollar pro Tonne gehandelt. Getrieben von den Unsicherheiten auf dem Gasmarkt konnte der Kohlepreis trotz der geringen Nachfrage der Kraftwerke zeitweise sogar auf 128 US-Dollar steigen. Inzwischen hat sich der Kohlepreis jedoch, gemeinsam mit dem Gaspreis, wieder etwas stabilisiert und ist sogar leicht gesunken.
Ganz im Gegensatz dazu kennt der Ölpreis seit Mitte des Jahres nur eine Richtung: nach oben. Bereits im Mai erreichte der Preis pro Barrel sein Jahrestief von 76 US-Dollar. Seitdem hat der Ölpreis sämtliche Hindernisse auf dem Weg nach oben mühelos überwunden und notiert inzwischen auf einem Niveau von über 90 US-Dollar. In letzter Zeit machten wenig ermutigende Wirtschaftsnachrichten aus Europa, China und den USA die Runde. Normalerweise führen solche Nachrichten dazu, dass der Ölpreis nachgibt. Doch diesem stand ein deutlich stärker wirkender preistreibender Faktor gegenüber. Die großen Ölförderländer Saudi-Arabien und Russland verkündeten, dass sie ihre bereits gedrosselte Fördermenge bis Jahresende beibehalten werden. Diese Ankündigung stabilisierte den Preis und trieb ihn sogar weiter nach oben.
Es bleibt schwer vorherzusagen, wie lange diese Preisrallye anhalten wird. Allerdings können lang anhaltende Preissteigerungen auf den Öl- oder Energiemärkten die Inflation befeuern. Wenn der Preis bis zum Ende des Jahres weiterhin in diesem Tempo steigt, könnte dies Anlass zur Sorge geben.
Externe Quellen:
- Fraunhofer EnergyCharts (2023), URL: https://energy-charts.info (abgerufen: 18.09.2023)
- Bruno Burger (2023) via Twitter, URL: https://twitter.com/energy_charts_d/status/1697927321598988489 (abgerufen: 18.09.2023)
- BMWK (2023), Eckpunkte einer Windenergie an Land Strategie. Link: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023-entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=12 (abgerufen: 18.09.2023)
- BMWK (2023), Photovoltaikstrategie. Link: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023-entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=12 (abgerufen: 18.09.2023)
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