Im Juli 2023 gab es mehrere spannende Entwicklungen, die die Energiewirtschaft betreffen. In Niger kam es zu einem Militärputsch. Das Land ist ein bedeutender Uranlieferant für die EU. Der Ausbau von erneuerbaren Energien könnte durch steigende Kosten und Zinsen in Gefahr geraten. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben einen Entwurf für ein Wasserstoff-Kernnetz veröffentlicht.

Deutschland verzeichnete im Juli 2023 eine hohe Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Die Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie sowie hohe Exporte sorgen für historisch niedrige Verstromung von fossilen Energieträgern. Alle Hintergründe werden im folgenden Blogbeitrag erörtert.

Militärputsch in Niger – sind die Uranlieferungen in Gefahr?

Am 26. Juli 2023 kam es zu einem Militärputsch in dem westafrikanischen Land Niger. Der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum wurde von der Präsidentengarde festgesetzt. Oberst Amadou Abdramane gab die Auflösung der Institutionen der Republik sowie die Schließung der Luft- und Landesgrenzen bekannt (Quelle: Spiegel).

Der Militärputsch könnte auch für die europäischen Energiemärkte weitreichende Folgen haben. Niger ist ein bedeutender Uranlieferant für die EU. Im Jahr 2022 stammten etwa ein Viertel des in die EU importierten Urans aus Niger. Die Kernkraftwerke in Europa sind also auf das Material aus dem afrikanischen Land angewiesen. Insbesondere Frankreich dürfte betroffen sein. Der staatliche französische Atomkonzern Orano betreibt drei große Bergwerke in Niger. Durch den Putsch werden die Lieferungen vorerst gekappt (Quelle. WiWo).

Obwohl die EU-Atomwirtschaft noch ausreichend Uran für die nächsten drei Jahre gelagert hat, könnte sich der Putsch auf die europäische Stromversorgung auswirken. Der Putsch stellt eine zusätzliche Belastung für die Atomwirtschaft dar, neben den ohnehin schon vorliegenden Herausforderungen um Wartungsrückstände und Korrosionsprobleme. Der Zeitpunkt ist damit zumindest ungelegen, vor dem Hintergrund, dass der Energiesektor der Europäischen Union derzeit auch versucht, sich von russischen Lieferungen unabhängig zu machen (Quelle: WiWo).

Steigende Zinsen und erhöhte Kosten gefährden den Ausbau von Windenergieanlagen

Steigende Kosten und Zinsen wirken sich zunehmend auf die Investitionen in erneuerbare Energien aus. Insbesondere Windkraft-Projekte sind betroffen. Im Juli 2023 hat etwa Vattenfall bekannt gegeben, dass das Offshore-Windkraftprojekt Norfolk Boreas auf Grund von gestiegenen Kosten gestoppt werden soll. (Quelle: Vattenfall)

Geplant war die Errichtung eines Windparks mit einer Gesamtleistung von 1,4 Gigawatt in Norfolk vor der Küste Großbritanniens. Der Windpark wäre in der Lage gewesen 1,5 Millionen Haushalte mit Strom zu beliefern. Die Kostensteigerungen lagen laut dem Vorstand von Vattenfall bei 40 %. Die Entwicklungen haben das Unternehmen dazu veranlasst, Wertminderungen auf das Windkraftgeschäft in Norfolk vorzunehmen. Dadurch werde der Gewinn mit 5,5 Milliarden Schwedischen Kronen belastet (Quelle:  WiWo).

Vattenfall betreibt neben Norfolk Boreas noch zwei weitere Windkraft-Projekte in der Norfolk-Zone. Die Projekte Vanguard East und Vanguard West sollen gemeinsam 2,8 Gigawatt Leistung bereitstellen. Für diese Projekte werde laut Vattenfall Chefin Anna Borg das weitere Vorgehen aktuell geprüft. „Höhere Inflation und Kapitalkosten wirken sich auf den gesamten Energiesektor aus, aber die geopolitische Situation hat die Offshore-Windenergie und ihre Lieferkette besonders anfällig gemacht“, sagte Vattenfall-Chefin Anna Borg (Quelle:  WiWo).

Fernleitungsnetzbetreiber veröffentlichen Entwurf eines Wasserstoff-Kernnetzes

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, schnell und kosteneffizient ein Wasserstoffnetz in Deutschland aufzubauen. Das Netz soll gemeinsam mit dem Wasserstoffmarkt wachsen. Die Vereinigung der Gas-Fernleitungsbetreiber hat im Juli einen ersten Entwurf für ein Wasserstoffkernnetz vorgelegt. Im nächsten Schritt haben Marktteilnehmende nun die Möglichkeit Rückmeldungen zu dem Entwurf zu geben, die dann in den Optimierungsprozess einfließen (Quelle: Montel).

aktueller Planungsstand des Wasserstoff-Kernnetzes

Abbildung 1: aktueller Planungsstand des Wasserstoff-Kernnetzes (Quelle: FNB Gas)

Der Entwurf des Wasserstoffnetzes, der in Abbildung 1 dargestellt ist, sieht die Anbindung von 309 Wasserstoffprojekten im Jahr 2032 vor. Die Länge des Netzes liegt bei etwa 11.200 Kilometern. Es sollen zunächst verbrauchsstarke Industriestandorte angebunden werden. Dabei geht es im ersten Schritt nur darum, große Mengen Wasserstoff im Land verteilen zu können. Es handelt sich nicht um ein flächendeckendes Netz. Vor allem sollen lange Verbindungen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen Teil des Netzes werden (Quelle: WiWo)

Bei der konkreten Ausgestaltung des Netzentwurfs wurde darauf geachtet, möglichst große Teile des bestehenden Erdgasnetzes auf die Nutzung durch Wasserstoff umzustellen. Darüber hinaus soll der Neubau von Leitungsabschnitten möglichst gering gehalten werden. Das mindert den Aufwand und die Kosten, die für die Bereitstellung des Wasserstoff-Kernnetzes anfallen. Insgesamt liegt das geschätzte Investitionsvolumen im unteren zweistelligen Milliardenbereich (Quelle: WiWo).

Viel Wind im Juli 2023 – was bedeutet das für die Stromerzeugung?

Die erste Hälfte des Julis brachte Hitze und viel Sonne. In der zweiten Monatshälfte kam es zu häufigeren Niederschlägen und stürmischen Winden. Insgesamt lag die Anzahl der Sonnenstunden mit 230 etwa im Durchschnitt des langjährigen Mittels der Jahre 1991 bis 2020. Die Niederschläge fielen im Vergleich zu derselben Vergleichsperiode rund 15 % stärker aus (Quelle: DWD).

Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Juli 2023

Abbildung 2: Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Juli 2023 (Quelle: Energy-Charts)

Abbildung 2 stellt das Einspeiseprofil des Monats Juli dar. Die Wetterverhältnisse führten zu einer hohen Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Der erneuerbare Anteil an der öffentlichen Stromerzeugung in Deutschland lag im Juli bei 69,2 %. Im gleichen Monat des Vorjahres lag er lediglich bei 52,8 %. Im Vormonat, dem Juni 2023, stammten 63,8 % der öffentlichen Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Bezogen auf die Last lag der Anteil erneuerbarer Energien an zwölf Zeitpunkten über 100 %. Es wurde zu diesen Zeitpunkten also mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingespeist als in Summe verbraucht wurde. (Quelle: energy-charts).

Mit 3,4 TWh kam es in diesem Jahr zu den höchsten Stromimporten für einen Juli-Monat. Die Importe kamen vor allem aus Dänemark, der Schweiz, der Niederlande und Norwegen. Gleichzeitig war der Juli 2023 der Monat mit den geringsten Erzeugungsmengen aus fossilen Energiequellen, den es in Deutschland je gab.

Terminmärkte im Seitwärtstrend – was passierte im Juli?

Der Frontjahreskontrakt für Strom (Cal 24) verlief im Juli seitwärts. Im Zeitraum vom 30.06.2023 bis zum 31.07.2023 verlor der Kontrakt einen Prozentpunkt. Nachdem in der zweiten Juliwoche niedrige Gaspreise eine Abwärtsbewegung des Cal 24 ausgelöst hatten, erholten sich zu Beginn der zweiten Monatshälfte die Preise. Die niedrigeren Preise bedingten ein erhöhtes Kaufinteresse.

Zudem kam es in diesem Zeitraum zu einem Anstieg der Gas-, Kohle- und EUA-Preise, was die Erholung stützte (Quelle: Montel). Die Aufwärtsbewegung endete in den letzten Tagen des Monats. Die Marktsituation gibt keine fundamentale Unterstützung her, die eine nachhaltige Aufwärtsbewegung auslösen könnte (Quelle: Montel). Insgesamt ist die Liquidität der Märkte aufgrund der Urlaubszeit momentan eher gering (Quelle: Montel).

prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie)

Abbildung 3: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) (Quelle: Montel)

Die Gaspreise im Juli waren gleichbleibend niedrig. Die Gasspeicher in ganz Europa sind weiterhin überdurchschnittlich gefüllt. Mitte des Monats kam es zu einem kurzfristigen Anstieg der Gaspreise. Dieser wurde ausgelöst durch verlängerte Wartungsarbeiten an der norwegischen Gasinfrastruktur (Quelle: Montel). Zum Ende des Monats kam es jedoch zu einer leichten Gegenbewegung.

Kühlere Temperaturen in Europa werden den Gasverbrauch zur Stromerzeugung für Kühlzwecke in den nächsten Wochen sinken lassen. Das verbessert die Versorgung weiterhin und ermöglicht weiter steigende Speicherfüllstände (Quelle: Montel). Die EUA-Preise stehen unter zwei gegenläufigen Einflüssen. Niedrigere Emissionen stehen einem verringerten Angebot gegenüber (Quelle: Montel). Im Juli handelte der Leitkontrakt EUA Dezember 23 seitwärts.

Sie wollen wissen, was im Mai 2023 passiert ist. Hier geht es zum vorherigen Markt-Rückblick.

Passend zum Wasserstoff-Thema empfehlen wir unser Live-Online-Training am 25. & 26. September 2023: Wasserstoff-PPA in Deutschland und Europa

 

Quellen:

Windpark: Vattenfall stoppt Offshore-Projekt vor England wegen stark gestiegener Preise (wiwo.de)

nz-e-news-update-july-2023.pdf (vattenfall.com)

Montel: FNB legen Plan für Kernnetz zum Wasserstofftransport vor

Energiewende: Bundesweite Wasserstoff-Autobahn steht in den Startlöchern (wiwo.de)

Niger: Soldaten verkünden Machtübernahme der Armee – DER SPIEGEL

Uran im Niger: Europas nächstes Energieproblem (wiwo.de)

Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Presse – Deutschlandwetter im Juli 2023 (dwd.de)

Anteil erneuerbarer Energien | Energy-Charts

Montel: Strommarkt: Kalenderjahr korrigiert nach schwacher Woche; Cal 24 gibt mit schwachem Gas nach; Strommarkt: Kalenderjahr steigt mit Gas, CO2Strommarkt: Kalenderjahr korrigiert nach schwacher Woche; Gastag: Preise sinken mit guter Versorgung; CO2: Preise sollen weiter seitwärts handeln