Der Mai 2023 hielt einige spannende Neuheiten für die Energiewirtschaft bereit. Der Deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat ein Arbeitspapier zum Industriestrompreis vorgelegt. Während Branchenvertreter das Konzept loben, gibt es auch kritische Stimmen. Die französische Nationalversammlung hat im Mai für mehr Kernkraft gestimmt. Außerdem veröffentlichte die EEX den ersten marktbasierten Index für Wasserstoff.

Deutschland verzeichnet im Mai eine hohe Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Gas verdrängt Kohle zunehmend aus dem Strommix. Grund dafür sind vor allem die Preisentwicklungen an den Kurzfristmärkten. An den Terminmärkten ist eine anhaltende Abwärtsbewegung erkennbar. Alle Hintergründe erörtern wir im folgenden Blogbeitrag.

Industriestrompreis-Konzept – was steht drin und was nicht?

Der Bundeswirtschaftsminister hat am 5. Mai 2023 ein Industriestrompreis-Konzept vorgelegt. Dieses soll wettbewerbsfähige Strompreise für ausgewählte energieintensive Industrien nach Auslaufen der Strompreisbremse am 30. Juni 2024 gewährleisten. Das Konzept beinhaltet einen Zwei-Stufen-Plan und staatliche Subventionen in Milliardenhöhe.

In der ersten Stufe soll ein „Brückenstrompreis“ in Höhe von 6 Cent pro Kilowattstunde festgelegt werden. Dieser soll für 80 Prozent des Stromverbrauchs der entsprechenden Unternehmen gelten. Die erste Phase ist bis zum Jahr 2030.

Langfristig ist in der zweiten Stufe ein „Transformationsstrompreis“ geplant, über den energieintensive Unternehmen direkt von günstigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen profitieren können. Dies soll über Differenzverträge („Contracts for Difference“, CfDs) und geförderte Industrie-PPAs erreicht werden. Zusätzlich sind weitere Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien und zur Senkung der Stromgestehungskosten geplant. Da die Umsetzung der Vorhaben Zeit benötigt, ist der Beginn dieser Phase erst auf 2030 datiert. (Quelle: BMWK).

Während Industrievertreter das Konzept als „wichtiges Signal“ loben, gibt es auch kritische Stimmen. Die BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae warnt etwa vor einem möglichen Eingriff in die Preisbildung und damit einhergehende Preisverzerrungen. Es müsse genau geprüft werden, ob die geplanten Maßnahmen hinreichend seien, um Marktverzerrungen zu vermeiden (Quelle: Montel). Außerdem beschneide das Konzept laut Andreae die Attraktivität von langfristigen Strombezugsverträgen (PPA). Durch den geplanten Strompreisdeckel entfalle die Notwendigkeit, langfristige Verträge abzuschließen.

Zudem lässt das vorgelegte Konzept einige Fragen unbeantwortet. Der BDEW geht davon aus, dass sich der Strompreisdeckel auf den Day-Ahead-Markt bezieht. In dem Konzept ist dies jedoch nicht näher ausgeführt. Offen bleibt auch, wie die anfallenden Kosten gedeckt werden. Diese werden laut Habeck bei zwei bis sechs Milliarden Euro pro Jahr liegen. Der Bundeswirtschaftsminister favorisiert eine Finanzierung über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Quelle: Montel).

Grüner Wasserstoff – bringt ein neuer Index mehr Preistransparenz?

Grüner Wasserstoff wird aufgrund der breiten Anwendungsbereiche und der flexiblen Nutzbarkeit eine bedeutende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität einnehmen. Ein grundlegender Baustein für einen Markthochlauf ist ein hoher Grad an Preistransparenz. Da es für Wasserstoff bisher keinen bilanziellen Handel gibt, sind die verfügbaren Preissignale sehr eingeschränkt. Das könnte sich ab sofort jedoch ändern (siehe auch: Neues White Paper: Wie Wasserstoff hilft, die europäische Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen).

Die Leipziger Energiebörse EEX hat bekannt gegeben, fortan jeden Mittwoch um 16 Uhr einen Wasserstoff-Index mit dem Namen Hydrix zu veröffentlichen. Dieser soll auf der Transparenzplattform der EEX zur Verfügung gestellt werden (Quelle: Montel). Der neue Index soll Transparenz über tatsächlich gehandelte Preise für grünen Wasserstoff schaffen. Die Berechnung des Index erfolgt auf Grundlage von Angebots- und Nachfragepreisen, die von Partnern aus der Industrie und der Energiewirtschaft zur Verfügung gestellt werden.

Mit dem ersten marktbasierten Index für grünen Wasserstoff wird eine wichtige Lücke geschlossen. Der Index kann etwa als Kriterium für Investitionsentscheidungen genutzt werden und fördert somit die Investitionen in Technologien zur Nutzung und Erzeugung von grünem Wasserstoff (Quelle: EEX).

EEX Green Weekly, Energiemarkt-Rückblick Mai 2023, Energy Brainpool

Abbildung 1: EEX Green Weekly HYDRIX DE (Quelle: EEX)

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Index in den Kalenderwochen 18 bis 21. In den ersten vier veröffentlichten Wochen bewegt sich der Hydrix auf einem konstanten Niveau und lag zuletzt bei 228,16 Euro pro Megawattstunde.

Von politischer Seite wurde im Mai die aktuelle Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Die Novelle zielt auf die Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur ab. Die Fernleitungsnetzbetreiber sollen in den kommenden Monaten das Kernnetz modellieren. Darauf folgt eine Konsultation mit der Öffentlichkeit, den Bundesländern und mit Marktteilnehmern. Daran anschließend arbeiten die Beteiligten die Rahmenbedingungen des Kernnetzes final aus. Am Ende der Kette steht dann die Bundesnetzagentur, die alles genehmigt. Ziel ist es, bis Ende dieses Jahres eine Wasserstoff-Netzplanung im EnWG festzulegen. Das Kernnetz soll zunächst die Nachfragezentren energieintensiver Industrien anbinden (Quelle: Montel). Mit der Novelle setzt auch die Politik einen Grundstein für den Markthochlauf von Wasserstoff.

Nach Deutschlands Ausstieg – Frankreich erleichtert Bau von Kernreaktoren

Im April hat Deutschland endgültig den Atomausstieg umgesetzt. Am 15. April hat Deutschland die letzten drei Kernkraftwerke vom Netz genommen. Seitdem kommt der deutsche Strommix ohne deren Einspeisung aus. Dieser Weg wird jedoch nicht von allen europäischen Ländern mitgetragen. Neuigkeiten zu diesem Thema gab es im Mai aus Frankreich.

Im Mai beschloss das französische Parlament ein Gesetz, das die Nutzung von Kernkraftwerken weiter fördern soll. Frankreich setzt bekanntermaßen stark auf die Nutzung von Kernkraftwerken. Der Gesetzgeber ebnet diesen Weg weiterhin.

Konkret soll der schnellere Zubau von Kernreaktoren durch einen Abbau von Bürokratie ermöglicht werden. Fortan darf mit dem Bau nicht nuklearer Bestandteile bereits begonnen werden, bevor eine Gesamtgenehmigung durch die Atomaufsichtsbehörde ASN erteilt wurde. Auch der Genehmigungsprozess soll vereinfacht werden.

Zudem entfällt die bisher geltende Regelung den Anteil der Kernenergie am Strommix Frankreichs bis 2035 auf 50 Prozent zu reduzieren. Aktuell liegt der Anteil bei etwa 70 Prozent. Auch die aktuelle Kapazitätsgrenze von 62,3 Gigawatt wird aufgehoben (Quelle: Montel).

Viel Sonne und weniger Kohle – so sah das Einspeiseprofil im Mai aus

Der Monat Mai zeigte eine hohe Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien. Außerdem wurde Kohle aufgrund von niedrigen Gaspreisen teilweise aus dem Strommix verdrängt. Wir sprechen von dem sogenannten „Fuel Switch“.

Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Mai 2023, Energiemarkt-Rückblick, Energy Brainpool

Abbildung 2: Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Mai 2023 (Quelle: energy-charts)

Abbildung 2 zeigt die Stromerzeugung und den Verbrauch in Deutschland im Mai 2023. Der Monat Mai war überdurchschnittlich sonnenreich. Mit 244 Sonnenstunden überstieg die Sonnenscheindauer das langjährige Mittel von 1990 bis 2020 um etwa 15 Prozent (Quelle: DWD). Die Folge war eine starke Einspeisung aus Solarenergie. Insgesamt lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung im Mai bei 69 Prozent. Gegenüber dem April 2023 ist das eine Steigerung um etwa 10 Prozent. Im Mai des Vorjahres (2022) lag der Anteil der erneuerbaren an der Stromerzeugung bei lediglich 55,2 Prozent.

Neben der starken Einspeisung der erneuerbaren Energien lohnt sich auch der Blick auf die Energieträger Erdgas und Steinkohle. Die anhaltend niedrigen Erdgaspreise am Kurzfristmarkt sorgen für eine zeitweise günstigere Stromerzeugung aus Erdgas gegenüber der Verstromung von Kohle. Dadurch wird Kohle vermehrt aus dem Strommix verdrängt (Quelle: Montel).

Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland durch Erdgas (orange) und Steinkohle (schwarz) in MW, Energy Brainpool

Abbildung 3: Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland durch Erdgas (orange) und Steinkohle (schwarz) in MW (Quelle: energy-charts)

Abbildung 3 stellt die Stromeinspeisung aus Erdgas (orange) der Stromerzeugung aus Steinkohle (schwarz) gegenüber. Insbesondere in der zweiten Monatshälfte ist eine geringere Stromerzeugung aus Steinkohle erkennbar. Betrachtet man hingegen die Einspeisung aus Erdgasverstromung, sind zeitweise sehr hohe Werte sichtbar.

Anhaltender Abwärtstrend an den Terminmärkten – was waren die Gründe?

Der deutsche Frontjahreskontrakt für Strom (Cal 24) befand sich im Mai in einem anhaltenden Abwärtstrend. Er notierte zuletzt bei 122 Euro pro Megawattstunde. Damit sank der Kontrakt im Laufe des Monats Mai um 18 Prozent und erreichte den Tiefststand seit dem 21. Januar 2022 (Quelle: Montel). Die Entwicklung des Cal 24 ist auf eine Überversorgung der Kohle-, Gas- und Strommärkte zurückzuführen.

prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) (Quelle: Montel)

Abbildung 4: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) (Quelle: Montel)

Abbildung 4 zeigt die Preisentwicklungen des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie).

Hohe Kohlebestände und gut gefüllte Gasspeicher führten dazu, dass die Märkte unter Druck gerieten. Das Frontjahr für Kohle ist im Mai um 32 Prozent gesunken, das TTF-Frontjahr für Gas notiert um 24 Prozentpunkte niedriger. Dieser Trend war ausschlaggebend für die Abwärtsbewegung des Stromfrontjahres.

Am Mittwoch, den 31. Mai sind die Gas- und Strommärkte kurzzeitig gestiegen, nachdem ein Gasleck am LNG-Terminal Hammerfest in Norwegen bekannt wurde. Nach der Reparatur des Gaslecks gaben die Gasmärkte jedoch wieder kräftig nach.

Auch der EUA-Leitkontrakt Dezember 23 fiel in der zweiten Monatshälfte. Der Verlust im Mai betrug 7 Prozent. Zu den Faktoren für diese Entwicklung zählen das milde Wetter und die hohe Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Gleichzeitig führen die stark fallenden Gaspreise zu einem Fuel Switch. In der Stromerzeugung wird Kohle durch das günstigere Gas ersetzt. Das wiederum verringert die EUA-Nachfrage (Quelle: Montel).

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Und was ist noch gleich im April 2023 auf dem Energiemarkt passiert? Hier geht es zum vorherigen Blogbeitrag.

Weitere Quellen:

Wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und Europa sicherstellen (bmwk.de)

BDEW warnt vor Eingriff in Preisbildung durch Industriestrom (montelnews.com)

Industriestrompreis schwächt PPA-Markt – Andreae (montelnews.com)

EEX startet Index für grünen Wasserstoff (montelnews.com)

EEX Press Release – Transparenz im Wasserstoffmarkt mit dem HYDRIX: EEX veröffentlicht ersten marktbasierten Wasserstoff-Index

Hydrix Germany (eex-transparency.com)

Kabinett gibt Startschuss für Wasserstoff-Kernnetz – BMWK (montelnews.com)

Frankreichs Parlament stimmt für mehr Kernkraft (montelnews.com)

Stromproduktion | Energy-Charts

Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Presse – Deutschlandwetter im Mai 2023 (dwd.de)

Carbon- EUAs see 2% weekly drop amid pressure from gas (montelnews.com)

GERMAN – Cal 24 hits fresh 16-month low on weak gas, CO2 (montelnews.com)

CO2: EUA fallen mit schwachen Fundamentaldaten um 8 % (montelnews.com)