Die europäischen CO2-Preise haben sich im Jahr 2018 sehr dynamisch entwickelt. Sie stiegen im September zwischenzeitlich auf über 25 EUR/Tonne, um dann innerhalb weniger Tage wieder stark zu fallen. Doch auch in den vergangenen Jahren schwankten die Preise erheblich. Wie wirkt sich dies auf den Strompreis aus? Und was erwartet uns in Zukunft, vor allem mit Blick auf die vierte Phase des ETS (Emissions Trading System)? Gastautor: Michael Claußner (Junior Expert bei Energy Brainpool)

Der europäische Markt für Emissionszertifikate befindet sich aktuell in seiner dritten Phase (2012-2020). In dieser Phase wurden unter anderem weitere Sektoren (z.B. Aluminiumindustrie, Flugverkehr) und Treibhausgase (Stickoxide und perfluorierte Kohlenwasserstoffe) einbezogen [1]. Derartige Erweiterungen führen prinzipiell zu einer erhöhten Liquidität am Markt, die der Preisvolatilität entgegenwirken kann.

Wie in Abbildung 1 zu sehen, ließen sich in den letzten Jahren jedoch nach wie vor starke Preissprünge innerhalb kurzer Zeitintervalle beobachten. So verloren die CO2-Zertifikate beispielsweise im März 2014 innerhalb von nur drei Tagen 25 Prozent ihres Werts. Eine noch stärkere Schwankung trat im Dezember 2016 auf: Innerhalb von 15 Tagen kletterten die CO2-Preise von 4,30 auf 6,07 EUR/Tonne. Das entspricht einem Anstieg um 41 Prozent.

Tägliche Volatilitäten verstärkten den Effekt zusätzlich. Beispielhaft genannt seien hier die Sprünge vom 26. zum 27. April 2016 (+ 12 Prozent) oder vom 13. zum 14. September 2018 (-18 Prozent; siehe auch Abbildung 1).

Vergleich der Futurepreisverläufe (jeweils Frontjahr) für Strom und CO2-Zertifikate (auch genannt EUAs, also „European Emission Allowances“) in Phase 3 des EU ETS, 2014-2018 [Quelle: EEX]

Abbildung 1: Vergleich der Futurepreisverläufe (jeweils Frontjahr) für Strom und CO2-Zertifikate (auch genannt EUAs, also „European Emission Allowances“) in Phase 3 des EU ETS, 2014-2018 [Quelle: EEX]

CO2-Preis schwankt – inwiefern beeinflusst das den Strompreis?

Durch einen Blick auf Abbildung 1 ist zu erahnen: Der CO2-Preis beeinflusst maßgeblich die Höhe und den Verlauf des Strompreises. Grundsätzlich sind dabei zwei Arten von Wirkungszusammenhängen zu beobachten. Einerseits geht eine CO2-Preiserhöhung direkt einher mit einem linearen Anstieg der kurzfristigen Grenzkosten von fossilen Kraftwerken. Durch die höheren Grenzkosten des preissetzenden Kraftwerks in der Merit Order steigt deshalb auch der Strompreis entsprechend linear an.

Berücksichtigen wir die unterschiedlichen Emissionsfaktoren für die verschiedenen Kraftwerkstechnologien, fällt auf: Deren Grenzkosten steigen zwar linear, jedoch nicht alle in gleichem Ausmaß. So wachsen die kurzfristigen Grenzkosten eines Steinkohlekraftwerks bei steigendem CO2-Preis beispielsweise stärker als die einer GuD-Anlage (Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk).

Dadurch kommt es in bestimmten Grenzintervallen zum so genannten „Fuel-Switch“, bei dem eine Technologie die andere kostentechnisch unterbieten kann. Ein solcher Effekt ist am Beispiel Steinkohle und GuD in Abbildung 2 exemplarisch dargestellt, und tritt je nach CO2-Preisniveau unterschiedlich stark auf.

Das nun preissetzende Kraftwerk (hier: GuD statt Steinkohle) verfügt über einen niedrigeren Emissionsfaktor. Wenn der CO2-Preis weiter über dem Niveau des „Fuel-Switches“ verläuft, führt sein Anstieg fortan zu einem proportional geringeren Anstieg des Strompreises. Allerdings ist dieser Effekt in Deutschland nur bedingt beobachtbar aufgrund der gut durchmischten Kraftwerksstruktur (in der Merit Order) mit vielfältigen Wirkungsgraden.

Graphische Darstellung des Fuel-Switches [Quelle: Eigene Darstellung nach Montel, EEX]

Abbildung 2: Graphische Darstellung des Fuel-Switches [Quelle: Eigene Darstellung nach Montel, EEX]

Zukunftsausblick: Was sind die CO2-Markt-Reformen für 2021 bis 2030?

Hintergrund: Wie in Abbildung 3 zu erkennen, lag die Anzahl an EUAs aus freier Zuteilung und in der Auktion in den vergangenen Jahren zwar niedriger als angenommen (aufgrund von Stilllegungen, Kapazitätsreduzierungen und teilweisen Betriebseinstellungen).Trotzdem befinden sich noch hohe Überschussmengen an Zertifikaten aus der zweiten Handelsperiode im Umlauf. Dies wirkt einer Knappheit von Zertifikaten am Markt und damit dem gewünschten Preissignal entgegen.

Deshalb sollen ab 2019 verstärkt Zertifikate aus dem Markt genommen und in eine MSR („Market Stability Reserve“) überführt werden. Die Mechanismen der MSR sind ein zentrales Kriterium  der Reformen für Phase 4.

Funktionsweise der MSR [Quelle: EU Kommission]

Abbildung 3: Funktionsweise der MSR [Quelle: EU Kommission]

Zusammengefasst hat die EU im April dieses Jahres folgende Reformen für die vierte Handelsphase des EU ETS von 2021 bis 2030 beschlossen [3]:

  • Zwischen 2019 und 2023 wird sich die Menge der in die MSR eingestellten Zertifikate auf 24 Prozent der in Umlauf befindlichen Gesamtmenge verdoppeln. Ab 2024 werden, wie bisher üblich, wieder nur 12 Prozent eingestellt.
  • Es gelten neue Regeln, um Zertifikate in die bzw. aus der MSR zu überführen:
      • Wenn Überschussmengen größer als 833 Mio.: 12 bzw. 24 Prozent der jährlichen Mengen werden der MSR zugeführt statt auktioniert.
      • Wenn Überschussmengen unter 400 Mio: Bis zu 100 Mio. Zertifikate werden aus der MSR abgeführt und zusätzlich auktioniert. Dies gilt zudem auch, wenn der CO2-Preis über sechs Monate hinweg dreimal so hoch ist wie der Durchschnittswert der vergangenen zwei Jahre.
      • Die maximale Größe der MSR wird auf die Versteigerungsmenge des Vorjahres beschränkt und Zertifikate über dieser Grenze werden gelöscht.
      • Außerdem veranschaulicht Abbildung 4 die Planungen, dass die Gesamtzahl der jährlich ausgegebenen Emissionszertifikate ab 2021 um 2,2 Prozent statt wie bisher 1,74 Prozent pro Jahr sinken wird.

    Geplante jährliche Ausgabemengen der Emissionszertifikate [Quelle: EEA]

    Abbildung 4: Geplante jährliche Ausgabemengen der Emissionszertifikate [Quelle: EEA]

Wie könnten sich diese Reformen auf CO2– und Strompreis auswirken?

Durch das gestiegene Ambitionsniveau der EU erwarten Experten, dass sich die Zertifikate zunehmend verknappen werden. Dadurch würden die Preise für CO2 langfristig steigen.  Es wird vermutet, dass sich die veränderten Erwartungen über die zukünftige Preisentwicklung bereits am Markt gezeigt hat, als es zum zwischenzeitlichen Hoch im September 2018 kam.

Jedoch ist auch in Zukunft durch die Reformen nicht auszuschließen, dass die Unsicherheit über die Preise grundsätzlich erhalten bleibt. Infolgedessen wird der Strompreis weiterhin von diesen Volatilitäten beeinflusst werden. Um diesen Unsicherheiten entgegenzuwirken, sind fundamentale Strompreisszenarien ein nützliches Tool, mit dem es einfacher wird, einen strukturierten Überblick über mögliche zukünftige Strompreisentwicklungen zu erhalten.

Zur Veranschaulichung stellt Abbildung 5 den Einfluss  verschiedener CO2-Preisniveaus auf solche Strompreisentwicklungen einmal beispielhaft dar. Die Ergebnisse basieren auf Berechnungen des Fundamentalmodells Power2Sim.

Zukünftige Entwicklung des Basepreises für CO2-Preisniveaus von 10 bis 50 EUR/MWh [Quelle: Power2Sim Energy Brainpool]

Abbildung 5: Zukünftige Entwicklung des Basepreises für CO2-Preisniveaus von 10 bis 50 EUR/MWh [Quelle: Power2Sim Energy Brainpool]

[1] IETA:  https://www.ieta.org/resources/Resources/3_Minute_Briefings/phase%Prozent203%20eu20ets_final.pdf

[2] EU Kommission: https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/reform/docs/c_2018_2801_en.pdf

[3] EU Kommission: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L0410&from=EN

[4] EEA: https://www.eea.europa.eu/data-and-maps/data/data-viewers/greenhouse-gases-viewer

 

Gastautor: Michael Claußner (Junior Expert bei Energy Brainpool)