Ein Knackpunkt der jüngst gescheiterten Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition war der Klimaschutz. Der Kohleausstieg durch das Stilllegen von Kraftwerken stand dabei ebenso zur Debatte wie die Einführung einer CO2-Steuer. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, die Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020. Eine CO2-Steuer in Höhe von 10 EUR/t CO2 bis 75 EUR/t CO2 ist ein effektives Instrument, um dieses nationale Emissionsziel in der Energiewirtschaft zu erreichen.

In den Sondierungen für eine Jamaika-Koalition hatte die FDP gefordert, eine nationale CO2-Bepreisung anstelle der Stromsteuer einzuführen. Das hat die CSU abgelehnt.[1]  Energy Brainpool untersucht in einer Studie für den Bundesverband Erneuerbarer Energie e. V. (BEE) die Einführung des nationalen Instruments „CO2-Steuer“. In Verbindung mit einem europäischen Mindestpreis für Zertifikate ist die Steuer besonders effizient.

Welches Ziel soll erreicht werden und kann eine CO2-Steuer das leisten?

Der Klimaschutz hat spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 ein messbares Ziel: Die Erderwärmung soll auf +1,5 bis +2 Grad Kelvin gegenüber 1990 beschränkt werden. In einem globalen Prozess müssen dazu die Volkswirtschaften ihre Sektoren dekarbonisieren. Dem Stromsektor kommt hier eine Vorreiterrolle zu. Durch mittlerweile günstige und ausgereifte Technologien zur erneuerbaren Stromerzeugung lässt sich dieser Sektor besonders leicht dekarbonisieren. In Deutschland reichen die aktuell beschlossenen Maßnahmen nicht aus, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, die Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 zu senken. In einem internen Dokument vom 4. Oktober 2017 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) heißt es: Werden die gegenwärtigen Maßnahmen fortgeführt, mindern sich die Emissionen lediglich um 31,7 bis 32,5 Prozent. In einem Referenzszenario ohne weitere Maßnahmen bewertet Energy Brainpool die Reduktion im Kraftwerkssektor mit lediglich 28 Prozent (dunkelblauer Balken in der folgenden Abbildung).

Vergleich der CO2-Emissionseinsparungen des deutschen Kraftwerkparks im Jahr 2020 gegenüber 1990 in den verschiedenen Szenarien, die horizontalen Linien kennzeichnen die nationalen Klimaziele für 2020 und 2030 (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 1: Vergleich der CO2-Emissionseinsparungen des deutschen Kraftwerkparks im Jahr 2020 gegenüber 1990 in den verschiedenen Szenarien, die horizontalen Linien kennzeichnen die nationalen Klimaziele für 2020 und 2030 (Quelle: Energy Brainpool)

Die aktuellen Modellierungsergebnisse veranschaulichen: Sowohl eine nationale CO2-Steuer zwischen 20 und 75 EUR/t (blaue Balken) oder die Kombinationen aus einer nationalen CO2-Steuer mit einem Mindestpreis für europäische Emissionszertifikate (EUA, gelber Balken) können dazu beitragen, das Ziel von  40 Prozent bis 2020 zu erreichen. Auch das Ziel, zehn Jahre später 61 bis 62 Prozent weniger Emissionen bei der öffentlichen Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung zu erreichen, ist ab einer nationalen CO2-Steuer von 40 EUR/t erfüllbar. Die Kraftwerksemissionen schwanken in den Berechnungen der Szenarien im Jahr 2020 zwischen 229 Mt und 102 Mt CO2. Bei der niedrigen CO2-Steuer von 10 EUR/t muss allerdings auch der EUA-Zertifikatspreis deutlich über dem heutigen Niveau liegen. Eine nationale CO2-Steuer kann durch einen europäischen Mechanismus ergänzt und optimiert werden.

Verlagern sich die Kraftwerksemissionen ins Ausland?

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine nationale CO2-Steuer die deutschen Kraftwerksemissionen stark senkt und die europäischen Kraftwerksemissionen nur etwas schwächer mindert. Damit weist Energy Brainpool einerseits den Verlagerungseffekt nach, zeigt aber andererseits, dass eine nationale CO2-Steuer insgesamt positiv auf die Klimabilanz wirkt. Eine CO2-Steuer von 40 EUR/t reduziert im Vergleich zum Referenzszenario die Emissionen Deutschlands um 186 Mt/a, in Europa lediglich um 78 Mt/a. Dies erklärt sich aus der Kraftwerksstruktur Deutschlands und Europas: Deutschland hat, im europäischen Vergleich, durch den Kohlestromanteil von derzeit 40,3 Prozent (2016, AG Energiebilanz) einen überdurchschnittlich hohen CO2-Ausstoß im Kraftwerkssektor.
Das CO2-Steuer-Mindestpreis-Szenario zeigt im Vergleich zu den anderen Szenarien einen sehr niedrigen Verlagerungseffekt. Das liegt einerseits an einem erhöhten Ausbau erneuerbarer Energien, den Energy Brainpool in diesem Szenario unterstellt. Andererseits führt ein europäischer EUA-Mindestpreis auch in ganz Europa zum selteneren Einsatz von emissionsintensiven Kohlekraftwerken. Damit ermöglicht dieses Szenario nicht nur ein effektives, sondern auch ein besonders effizientes Erreichen der nationalen Klimaziele. Ob das politisch durchsetzbar ist, ist schwer abzuschätzen. Zumindest scheint eine Abstimmung und Realisierung in der EU erst in der nächsten Dekade möglich.

Steigt der Strompreis durch eine nationale CO2-Steuer?

Ein ansteigender Großhandelspreis ist einer der Nebeneffekte einer CO2-Steuer. Im Jahr 2020 erhöhen die CO2-Steuern von 10 bis 75 EUR/t den Großhandelsstrompreis um 0,8 bis 2,9 ct/kWh. Das bedeutet allerdings nicht, dass auch der Endkundenpreis steigt. Das hat zwei  Gründe: Erstens kann die CO2-Steuer ab 60 EUR/t die Stromsteuer von derzeit 2,05 ct/kWh komplett ersetzen oder auf das europarechtlich mögliche Minimum absenken. Zweitens mindert ein steigender Großhandelsstrompreis die EEG-Umlage, mit der Endverbraucher erneuerbare Energien fördern. Netto kann die CO2-Steuer also die Stromkosten sogar senken. Sie verschiebt bloß die Zahlungsströme in der Elektrizitätswirtschaft. Für den Strommarkt ist genau diese Verschiebung ein Mehrwert des Modells von CO2-Abgaben: Anstatt einer pauschalen Verbrauchsabgabe wird Strom mit einer CO2-Steuer vor allem in den Stunden teuer, in denen Kohlekraftwerke laufen oder Strom importiert werden muss. Das hat für alle flexiblen Stromverbraucher eine lenkende Wirkung, nämlich den Strom dann zu verbrauchen, wenn besonders wenige Emissionen anfallen.

Jahresdurchschnittliche Vermarktungswerte von Wind- und Solaranlagen in Abhängigkeit der angenommenen CO2-Steuer, (Annahme für Spitzenlastvermarktung: die Biomasseanlagen fahren in der Hälfte der Jahresstunden mit den höheren Strompreisen [Quelle: eigene Berechnung im April 2017]

Abbildung 2: Jahresdurchschnittliche Vermarktungswerte von Wind- und Solaranlagen in Abhängigkeit der angenommenen CO2-Steuer, (Annahme für Spitzenlastvermarktung: die Biomasseanlagen fahren in der Hälfte der Jahresstunden mit den höheren Strompreisen [Quelle: eigene Berechnung im April 2017]

Für Erneuerbare-Energie-Anlagen haben CO2-Steuern einen weiteren, entscheidenden positiven Effekt. Sie verdienen mehr am Strommarkt und benötigen weniger finanzielle Förderung. So würden Altanlagen – ab 2020 verlieren die ersten Anlagen ihren Anspruch auf finanzielle Förderung – aufgrund steigender Markterlöse wirtschaftlich weiter betrieben werden. Viele Neuanlagen bräuchten keine finanzielle Förderung mehr, das zeigt die Höhe der Vermarktungswerte (siehe Abbildung 2). Im Jahr 2020 steigt der durchschnittliche Vermarktungswert von Windenergieanlagen um 0,8 ct/kWh bei einer CO2-Steuer von 20 EUR/t. Im CO2-Steuer-Mindestpreis-Szenario erhöht er sich um 1,2 ct/kWh. Bis 2025 steigen die Strommarkterlöse weiter. So würde bei einer Einführung der CO2-Steuer die Marktprämie (finanzielle Förderung gemäß EEG) von Neuanlagen in der nächsten Dekade auf 0 ct/kWh fallen. Das zeigt ein Vergleich zur Höhe der diesjährigen Ausschreibungsergebnisse für Wind- und Solaranlagen von zum Teil deutlich unter 5 ct/kWh.

Wie lässt sich eine nationale CO2-Steuer in den europäischen Emissionshandel einbetten?

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich für einen Mindestpreis von EUA-Zertifikaten in Höhe von 20 oder 30 EUR/t ausgesprochen. Dieser Vorstoß lässt sich mittelfristig mit einem nationalen CO2-Preis verzahnen. Eine Studie der Stiftung Umweltenergierecht[2] kommt zu dem Schluss, dass eine nationale CO2-Steuer EU-rechtskonform als zusätzlicher CO2-Preisbestandteil eingeführt werden kann. Die beiden Preisbestandteile sollten gut aufeinander abgestimmt sein. Energy Brainpool hat in der Studie für das Jahr 2020 sehr ausgewogene Ergebnisse errechnet: Ein CO2-Preis von insgesamt 30 EUR/t, wovon 10 EUR/t die CO2-Steuer ausmachen. Konkret bedeutet das ein ausgewogenes Stromhandelssaldo für Deutschland bei hohen Emissionseinsparungen und einem geringen Verlagerungseffekt. Ein EUA-Mindestpreis könnte etwa bei der Primärauktion erhoben werden.

[1] Energate Messenger vom 23.11.2017

[2] Quelle: http://stiftung-umweltenergierecht.de/e-letter/e-letter-oktober-2017/CO2-bepreisung/