Es werden derzeit zahlreiche Debatten über das Potenzial von Wasserstoff geführt. Dabei steht die Frage im Raum, welche Rolle Wasserstoff bei der Energiewende einnehmen wird. Welche politischen Regelungen bereits getroffen wurden und welche Änderungen vor der Tür stehen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Wasserstoff
© marp/Adobestock

Hier im zweiten von zwei Beiträgen zu Wasserstoff im Energiesystem betrachten wir ebenfalls den Hochlauf an benötigten Elektrolyseuren. Darüber hinaus untersuchen wir die aktuellen regulatorischen Entwicklungen. Zum ersten Beitrag mit dem Thema der deutschen Wasserstoffstrategie gelangen Sie hier.

Wasserstoff-Ziele auf EU-Ebene

Im Juli 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission die Wasserstoffstrategie der EU. Diese beinhaltet eine genaue Vorstellung bezüglich der Ausbauziele von Wasserstoff. Die angestrebte Strategie wird in drei Phasen unterteilt (vgl. Abbildung 1):

  • In der ersten Phase (2020 – 2024) ist es geplant, 6 GW Elektrolyseleistung für grünen Wasserstoff zu errichten. Diese sollen mindestens 1 Mio. Tonnen (33 TWh) grünen Wasserstoff pro Jahr bereitstellen. Genutzt werden sollen dieser vor allem in der Chemieindustrie. In diesem Zeitraum muss das Angebot von EE-Strom folglich auch ausgebaut werden.
  • In der zweiten Phase (2025 – 2030) ist eine Aufstockung dieser Kapazitäten auf 40 GW geplant und diese sollen 10 Mio. Tonnen (330 TWh) Grünen Wasserstoff produzieren Wasserstoff soll neben der Chemie- nun auch in der Stahlbranche und im Verkehr genutzt werden. Entscheidend wird auch die Nutzung von grünem Wasserstoff als Langzeitspeicher sein.
  • In der dritten Phase (2030 – 2050) soll Wasserstoff über die Sektoren hinweg angewendet werden. In der EU wird ein Anstieg der Wasserstoffnachfrage von derzeit 325 bis auf 481-665 TWh in 2030 und 780-2251 TWh im Jahr 2050 erwartet. Der Anteil von Wasserstoff im EU-Energiemix soll bis 2050 von 2 Prozent auf 13-14 Prozent steigen.
 geplante installierte Leistung von Elektrolyseuren in GW (links) und Mengen von grünem Wasserstoff in Mio. Tonnen (rechts) (Quelle: Energy Brainpool), grüner Wasserstoff

Abbildung 1: geplante installierte Leistung von Elektrolyseuren in GW (links) und Mengen von grünem Wasserstoff in Mio. Tonnen (rechts) (Quelle: Energy Brainpool)

Der Hochlauf von grünem Wasserstoff in Deutschland

In einer gemeinsamen Studie mit Greenpeace Energy hat Energy Brainpool den künftigen Einsatz von grünem Wasserstoff in Deutschland untersucht. Basierend auf Ergebnissen unserer Modellierung haben wir verschiedene Szenarien entwickelt. Einen Teil der Ergebnisse sowie zwei der fünf erarbeiteten Szenarien möchten wir in diesem Beitrag erläutern. Einen detaillierteren Überblick über alle Studien erhalten Sie in unserem Studienverzeichnis.

  • Das Referenzszenario „Stated Policies“: Der Markthochlauf folgt den bisher veröffentlichten staatlichen Zielen im Bereich grüner Wasserstoff und Energiewende im Strommarkt.
  • Das Szenario „Beschleunigung – kostenoptimiert“: In diesem Szenario gelingt es, das Solar- und Windstromangebot sehr schnell auszubauen. Entsprechend schneller kann der Hochlauf des grünen Wasserstoffs erfolgen. Denn die Elektrolyseure richten dabei ihre Fahrweise am (reichlichen) Angebot an günstigem Solar- und Windstrom aus.

Folgende Abbildung 2 zeigt im ersten Schritt die geplante Kapazität der Elektrolyseure je nach Szenario für die Stichjahre 2025, 2030, 2035 und 2040. Im Referenzszenario (“Stated Policies”) folgt der Ausbau den Zielen der deutschen Nationalen Wasserstoffstrategie und der Nationalen Entwicklungspläne. Die Kapazität der Elektrolyseure steigt bis 2030 auf 5 GW und 2040 auf 10,5 GW. Es wird angenommen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Anlagen dem Hochlauf der Wasserstoff-Elektrolyseuren folgt.

Im Szenario “Beschleunigung – kostenoptimiert“ steigt das Solar- und Windstromangebot steil an. Entsprechend rasch kann auch die Flotte von Elektrolyseuren ausgebaut werden. Ihre elektrische Leistung liegt 2040 bei 107 GW – das 10-fache von der prognostizierten Kapazität im Referenzszenario.

geplante Kapazität der Elektrolyseure je nach Szenario für die Stichjahre 2025, 2030, 2035 und 2040 (kumulativ) (Quelle: Energy Brainpool) grüner Wasserstoff

Abbildung 2: geplante Kapazität der Elektrolyseure je nach Szenario für die Stichjahre 2025, 2030, 2035 und 2040 (kumulativ) (Quelle: Energy Brainpool)

Nun betrachten wir der Strombedarf der Elektrolyseure. Die benötigten Strommengen der Elektrolyseure können aus den Kapazitäten und den Volllaststunden abgeleitet werden. Abbildung 3 unten zeigt, dass der Strombedarf im Referenzszenario von zunächst 6,6 TWh im Jahr 2025 bis auf 36,8 TWh im Jahr 2040 ansteigt. Im Beschleunigungsszenario werden schon 2025 46,5 TWh Strom benötigt, also knapp 8 Prozent der heutigen Bruttostromerzeugung. Im Jahr 2040 sind es 271,3 TWh, was fast der Hälfte der heutigen Bruttostromerzeugung entspricht.

geplanter Strombedarf der Elektrolyseure je nach Szenario für die Stichjahre 2025, 2030, 2035 und 2040 (kumulativ) (Quelle: Energy Brainpool), grüner Wasserstoff

Abbildung 3: geplanter Strombedarf der Elektrolyseure je nach Szenario für die Stichjahre 2025, 2030, 2035 und 2040 (kumulativ) (Quelle: Energy Brainpool)

Es steht also noch ein weiter Raum von Entwicklungen zu Wasserstoff und Elektrolyseuren offen. Welcher Pfade letztendlich beschritten werden, hängt stark von politischen Rahmenbedingungen der nächsten Monate und Jahre ab.

Was wird in den kommenden Monaten wichtig?

Anfang diesen Jahres wurde das neue EEG verabschiedet. Der neue § 69b EEG 2021 befreit Strombezug von der Zahlung der EEG-Umlage, solange der Strom von einem Unternehmen zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendet wird. Dabei darf der Strom für die Herstellung nur aus erneuerbaren Energien kommen, die keine Förderung nach dem EEG in Anspruch nehmen. Ebenso müssen die Elektrolyseure über einen eigenen Zählerpunkt mit dem Netz verbunden sein.

Der anschließende Verwendungszweck des Wasserstoffs ist dabei unerheblich. Außerdem gilt dies nur für Einrichtungen, die vor dem 01.01.2030 in Betrieb genommen wurden. Mit dem neuen § 27b KWKG entfällt auch die KWK-Umlage, insofern die oben genannten Bedingungen eingehalten werden.

Diese Umlagenbefreiungen stehen im direkten Zusammenhang mit dem neuen § 93 EEG 2021 und der dortigen Definition von grünem Wasserstoff. Der Paragraf sieht eine umfassende Verordnungsermächtigung zu Anforderungen an grünen Wasserstoff vor. Diese soll im Frühjahr 2021 durch das BMWi vorgelegt werden. So können dort insbesondere „inhaltliche, räumliche oder zeitliche Anforderungen gestellt werden, um sicherzustellen, dass nur Wasserstoff als grüner Wasserstoff gilt, der tatsächlich mit Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wurde Und der mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung der Energieversorgung vereinbar ist“.

Es ist deshalb abzuwarten, welche Anforderungen zukünftig an die Herstellung von grünem Wasserstoff gestellt werden. Eine Frage wird sicherlich sein, wie ein Grünstrombezug nachgewiesen werden soll. Denn Herkunftsnachweise werden wahrscheinlich nicht ausreichend sein (Quelle: BHH-Gruppe).

Novellierung des EnWG

Am 10. Februar 2021 hat der Gesetzgeber einen Gesetzentwurf zur Novellierung des EnWG beschlossen. Der Entwurf enthält ergänzte bzw. neue Definitionen, einen neuen Abschnitt zur Regulierung von Wasserstoffnetzen sowie Übergangsvorschriften. Wasserstoff wird nun als eigenständiger Energieträger neben Gas definiert. Die Neuerungen gelten jedoch nur für reine Wasserstoffleitungen und nicht für Netze, bei denen Wasserstoff zum Erdgas beigemischt wird. Es ist zu beachten, dass die Regelungen Übergangslösungen sind, bis die EU-Kommission Ende 2021 konkrete Vorschläge zur Regulierung von Wasserstoff liefert. Das der deutsche Gesetzgeber dies in deutsches Recht umsetzt, damit ist jedoch erst ab 2025 zu rechnen (Quelle: CMS).

Es bleibt spannend, welche Änderungen aus der Politik noch folgen werden. Mögliche Förderinstrumente für grünen Wasserstoff sind die Pflicht zur CO2-Kennzeichnung von PtX-Produkten, ein Quotensystem für grünen Wasserstoff oder „Carbon Contracts for Difference“ (CCfD).

Viele wissenswerte Informationen rund um das Thema Wasserstoff erhalten Sie in unserem Live-Online-Training am Game Changer Wasserstoff am 15. & 16. Juni und im Energy BrainCamp Potenziale für die Wasserstoffwirtschaft am 23. September 2021 .

Gerne begleiten wir Sie bei der Klärung aller Fragen rund um das Thema Wasserstoff. Insbesondere bei der Bewertung von Grünstrom-PPAs für Elektrolyseure können wir sie unterstützen. Mehr Informationen finden Sie hier. Schreiben Sie uns gern an.