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Wasserstoff im deutschen Energiesystem (I): Die Nationale Wasserstoffstrategie

Vieles deutet daraufhin, dass die Nutzung Wasserstoff aus erneuerbaren oder nicht-CO2-emittierenden Quellen für verstärkte Klimaschutzanstrengungen notwendig ist. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung will den Rahmen für Wasserstofferzeugung und -nutzung für Deutschland setzen.

Dieser erste von zwei Beiträgen betrachtet die Frage, warum Wasserstoff für die Dekarbonisierung immer wichtiger wird und welche Rolle die Nationale Wasserstoffstrategie hierbei spielen kann.

Warum wird Wasserstoff immer wichtiger?

Industrie, Netzbetreiber als auch Wissenschaft und Forschung sind sich einig: CO2-freier Wasserstoff ist notwendig, um die ambitionierten Dekarbonisierungsziele für Deutschland bis Mitte dieses Jahrhunderts zu erreichen. Dies zeigen auch die aktuellen Studien für die Transformation des deutschen Energiesystems des Forschungszentrums Jülich als auch die RESCUE-Studie des Umweltbundesamts.

Wasserstoff kann in vielen Bereichen eingesetzt werden. Als Rohstoff wird er heute schon in großem Maßstab in der chemischen Industrie verwendet. Hier bildet er den Grundstoff für viele unterschiedliche Folgeprodukte, wie etwa Ammoniak, Methanol oder auch Kunststoffe. Wasserstoff ist sowohl Energieträger als auch Energiespeicher in chemischer Form.

Wasserstoff und die Sektorkopplung

Bei emissionsarmen Herstellungsprozessen in der Stahlindustrie kann Wasserstoff ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen (Quelle: Agora Energiewende). Und nicht zuletzt ist die Verwendung von Wasserstoff in Anwendungen und Sektoren möglich, welche andernfalls nur schwer direkt mit Strom versorgt werden können. Dazu zählen der Schwerlast-, Schiff- und Luftverkehr. Abbildung 1 illustriert die Möglichkeit der Sektorkopplung im Industriesektor mithilfe von Wasserstoff am Beispiel des Projekts „Westküste 100“ (Quelle: Westküste 100)

Wasserstoffregionen und Förderprogramme in Deutschland (Quelle: EMCEL)

Abbildung 2: Wasserstoffregionen und Förderprogramme in Deutschland (Quelle: EMCEL)

Auch die Vertreter:innen der Politik erkennen zunehmen, wie wichtig Wasserstoff ist, um klimapolitische Ziele zu erreichen. Allerdings ist die Anwendung von Wasserstoff für den Zweck der Dekarbonisierung nur dann sinnvoll, wenn er CO2-frei oder zumindest CO2-neutral erzeugt wird.

Grüner versus blauer Wasserstoff

Von CO2-freiem oder „grünem Wasserstoff“ wird gesprochen, wenn dieser durch Elektrolyse unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Sogenannter „blauer Wasserstoff“ kann CO2-neutral sein. In diesem Fall werden die H2-Moleküle mithilfe von Erdgas im Dampfreformierungsprozess produziert. Anschließend kann das in der Produktion von Wasserstoff entstehende CO2 abgeschieden und gespeichert werden (Carbon Capture and Storage, CCS) (Quelle: BMBF).

Die Nationale Wasserstoffstrategie: vier Ministerien beteiligt

Im Sommer 2019 gab es den Startschuss für eine deutsche Wasserstoffstrategie. Weitere Ideen für die Ausarbeitung einer Nationaler Wasserstoffstrategie haben die Beteiligten im November 2019 auf einer Veranstaltung in Berlin diskutiert. Die vier beteiligten Ministerien (BMWI, BMVI, BMZ und BMBF) legten dort auch einen Diskussionsbeitrag vor (Quelle: BMWI). Dieser sollte die Grundlage für die Nationale Wasserstoffstrategie bilden.

Bis Ende 2019 wollte die Regierung diese Strategie weiter erarbeiten (Quelle: PV Magazine). Letztendlich ging die ausgearbeitete Version Anfang Februar 2020 in die Ressortabstimmung.

Auf kompakten 32 Seiten werden 37 Maßnahmen beschrieben, die Wasserstofferzeugung und
-nutzung in Deutschland zu fördern und auszuweiten. Die deutsche Industrie soll mit politischer Hilfe international führender Anbieter von Wasserstofftechnologien werden. So spricht Wirtschaftsminister Altmaier von „große(n) industriepolitischen Chancen“ (Quelle: BMWI).

Weiterhin enthält die Strategie ein Aktionsprogramm, mit welchem der Markhochlauf und die Grundlagen für einen funktionierenden Wasserstoffmarkt in Deutschland bis 2023 initiiert werden sollen (Quelle: Energate). Im Juni 2020 wurde Die Nationale Wasserstoffstrategie mit Verzögerung final verabschiedet.

Die Kernpunkte der Nationalen Wasserstoffstrategie

Das Strategiepapier spricht von CO2-neutralem Wasserstoff, welcher insbesondere den blauen Wasserstoff mit CCS-Technologie einschließt. Um den Export von Technologien zu ermöglichen, sieht die Bundesregierung einen starken Heimatmarkt als wichtig an. Bis zum Jahr 2030 sollen Elektrolyseure mit einer Kapazität von 5 GW in Deutschland stehen, die etwa 14 TWh grünen Wasserstoff aus 20 TWh Strom erzeugen und somit rund knapp 15 Prozent des bis dahin in Deutschland verbrauchten Wasserstoffs bereitstellen.

Der CO2-neutrale Wasserstoff soll maßgeblich in der Industrie und im Verkehrssektor verwendet werden. Der Wärmesektor wird erst zweitrangig genannt. Die staatlich induzierten Preisbestandteile, wie etwa EEG-Umlage oder Netzentgelte, müssten hierzu fair ausgestaltet werden (Quelle: Energate). Derzeit verteuern diese Bestandteile Wasserstoff, der durch Strom in Elektrolyseuren hergestellt wird.

Die Industrie wird massive Hilfen erhalten, um ihre Herstellungsprozesse umstellen zu können (7 Milliarden EUR). Gleichzeitig sollen bis 2026 über 3 Milliarden EUR an Fördergeldern zu Verfügung stehen. Auch der Kauf von Wasserstofffahrzeugen soll angereizt werden. Dafür stellt die Bundesregierung insgesamt 3,6 Milliarden EUR bereit (Quelle: Electrive). Abbildung 2 stellt einige der Wasserstoffregionen und Förderprojekte in Deutschland dar.

Wasserstoffregionen und Förderprogramme in Deutschland (Quelle: EMCEL), Wasserstoff, Energy Brainpool

Abbildung 2: grüner Wasserstoff und Dekarbonisierung im industriellen Maßstab (Quelle: Westküste 100)

Internationale Kooperationen

Ein weiteres großes Thema ist die internationale Kooperation. Da Deutschland seinen Bedarf and grünem Wasserstoff wohl nicht selbst inländisch decken werden kann, sind Importe notwendig. Um frühzeitig entsprechende Projekte zu starten und Lieferketten aufzubauen, soll intensiv nach Partnerländer gesucht werden und internationale Kooperationen verstärkt werden.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung sieht dabei Wasserstoff aus afrikanischen Ländern als wichtigen Baustein für die Energiewende (Quelle: BMBF). “Mit grünem Wasserstoff könnten die geografischen Vorteile bei den erneuerbaren Energien zum Entwicklungsmotor für die dortigen Gesellschaften werden”, so Bundesforschungsministerin Karliczek (Quelle: BMBF).

Ein Nationaler Wasserstoffrat wurde ebenfalls im Sommer ins Leben gerufen. Insgesamt 26 Expert:Innen sollen dort Vorschläge und Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie geben. So wird im EEG 2021 gefordert, Strom der zur Herstellung von grünem Wasserstoff genutzt wird, von der Zahlung der EEG-Umlage zu befreien.

Im zweiten Teil dieser Serie gehen wir genauer auf unsere aktuellen Studien zum Thema Wasserstoff im Energiesystem ein.

Passend zum Thema empfehlen wir unser Live-Online Training Game Changer Wasserstoff am 15. und 16. Juni 2021

Kommentare

  1. Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

    • Lydia Bischof

      12. April 2021

      Hallo Herr Seidel,

      vielen Dank für Ihr wiederholt positives Feedback! Wir freuen uns über Ihr Interesse!

      Viele Grüße

      Das Team von Energy Brainpool

  2. Stephan Boyens

    12. März 2021

    Wenn das Thema Wasserstoff eines zeigt, dann dies: Wir werden an der Nutzung der Kernkraft nicht vorbeikommen. Projekte wie der dual fluid Reaktor weisen den Weg. Er würde Strom nahezu CO2 neutral bereitstellen und dazu noch “Hochtemperatur Abwärme” zur Pyrolyse.
    Die Energiedichte der Erneuerbaren reicht für ein Industrieland wie Deutschland nicht aus. Das Wärmeproblem ist bis heute nicht im Ansatz gelöst. Importe von Wasserstoff aus instabilen Regionen sollten strategisch extrem kritisch geprüft werden. Deutschland hat bei einer Schlüsseltechnologie den Anschluss verloren und wird dies teuer bezahlen.

    • Lydia Bischof

      12. April 2021

      Sehr geehrter Herr Boyens,

      vielen Dank für Ihre Anmerkung. Gern möchten wir darauf antworten:
      Nach derzeitigem Stand liegen die Vollkosten von Kernkraftwerken weit über denen von erneuerbaren Energien in guten Lagen (auch wenn diese nicht unbedingt in Deutschland oder Europa liegen). Deutschland ist schon heute Energieimporteur und wird dies auch in Zukunft bleiben. Eine Prüfung der Importländer unter verschiedenen strategischen Gesichtspunkten ist daher in jedem Fall notwendig.
      Da sich Deutschland gesellschaftlich auf den Ausstieg aus der Stromerzeugung aus Kernkraftwerken geeinigt hat, wird diese zumindest hierzulande keine große Rolle bei der Herstellung von Wasserstoff spielen. In anderen Ländern, etwa der USA gibt es hierzu jedoch Ansätze. Ob Wasserstoff aus Kernkraftstrom am Ende wirtschaftlicher sind, als der Import von Wasserstoff aus Drittländern mit niedrigen Erzeugungskosten für PV und Wind, hängt von vielen Parameter ab.

      Viele Grüße

      das Team von Energy Brainpool

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