Der Szenariorahmen der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) Gas für den Netzentwicklungsplan 2022 – 2032 enthält einige interessante Zahlen. So gab es über 100 Projektmeldungen für Wasserstoff-Projekte in Deutschland. Mit knapp 25 GW an Elektrolyseleistung bis 2030 überflügeln diese Zahlen die Pläne der um ein Vielfaches.

Wasserstoff bietet die Möglichkeit einige Sektoren, insbesondere Industrie und Teile des Verkehrs, zu dekarbonisieren. So vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über ein neues Wasserstoff- oder Elektrolyse-Projekt berichtet wird. In einem weiteren Blogbeitrag haben wir schon von der deutschen Wasserstoffstrategie und dem benötigten Hochlauf berichtet. In diesem Blogbeitrag wollen wir den Szenariorahmen der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) Gas etwas genauer betrachten.

Gasnachfrage und Wasserstoff

Im Szenariorahmen der FNB Gas von Juni 2021 wird auf Basis verschiedener Szenarien der Gasbedarf bis 2050 geschätzt. Dass die FNB Gas für ihre weiteren Betrachtungen ein Szenario mit sehr hoher Nachfrage nach gasförmigen Energieträgern auch in 2050 wählt, sollte wenig überraschen. Die Bandbreiten der verschiedenen Szenarien sind jedoch auch sehr hoch. In der Stromwirtschaft gehen im Grunde alle Akteure von steigenden Verbräuchen aus. Dahingegen sind die Entwicklungen in der Gaswirtschaft noch unklar und stehen auch in Wechselwirkung mit den Veränderungen in der Stromerzeugung und der Elektrifizierung der anderen Sektoren.

Die in Abbildung 1 (Quelle: FNB Gas) dargestellten Szenarien zeigen mögliche Bedarfsentwicklungen für Gas in Deutschland bis 2050 im Szenariorahmen des Netzentwicklungsplans (NEP) 2022 – 2032.

Gasbedarfsentwicklung bis 2050 in TWh (Quelle: FNB Gas).

Abbildung 1: Gasbedarfsentwicklung bis 2050 in TWh (Quelle: FNB Gas).

Die FNB Gas gehen in weiteren Betrachtungen vor allem vom dena-TM95-Szenario mit sehr hoher Gasnachfrage und auch klimaneutralem Methan aus. Weitere Betrachtungen der FNB Gas erfolgen auch für das NECP-KSP 87,5-Szenario des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für den Klimaschutzplan. Im dena-TM95-Szenario steigt der Verbrauch von Gas gegenüber heute sogar an und landet in 2050 bei über 1000 TWh, Das NECP-KSP 87,5-Szenario hingegen geht von einer Nachfragereduktion von etwa 60 Prozent aus.

Die Aufschlüsselung der unterschiedlichen Verbraucher in beiden Szenarien ist in Abbildung 2 dargestellt. Der Anteil der Verbräuche in den Sektoren Haushalte und GHD, Industrie und Verkehr bleibt im dena-TM95-Szenario über klimaneutrales Methan und Wasserstoff bis 2050 sehr ähnlich verteilt.

Anders im Szenario NECP-KSP 87,5. Hier deckt Wasserstoff mit 68 TWh im Jahr 2050 nur knapp 20 Prozent der Gesamtgasnachfrage. Der Grad der Elektrifizierung ist in diesem Szenario sehr viel höher, während auch Biomethan eine größere Rolle spielt.

Deckung der sektoralen Nachfrage durch Methan (rot) und Wasserstoff (blau) im Szenario dena-TM95 und NECP-KSP 87,5 in TWh (Quelle: Energy Brainpool).

Abbildung 2: Deckung der sektoralen Nachfrage durch Methan (rot) und Wasserstoff (blau) im Szenario dena-TM95 und NECP-KSP 87,5 in TWh (Quelle: Energy Brainpool).

Die weitere Entwicklung des Gasverbrauchs und der Anteil von Wasserstoff werden auch in Zukunft ein wichtiges Thema bleiben, besonders vor dem Hintergrund der Gaspipeline Nord Stream 2 und den derzeit sehr hohen Gaspreisen von über 40 EUR/MWh am Markt. Da es zum Entwurf des Szenariorahmens schon Kritik von Umwelt- und Energieverbänden gab, bleibt abzuwarten, ob im finalen Dokument des Netzentwicklungsplans im Jahr 2022 andere Szenarien in den Vordergrund rücken.

Projekt-Boom beim Wasserstoff?

Die FNB Gas haben in ihrem neuem Szenariorahmen ebenfalls eine Marktumfrage für grüne Gase durchgeführt. Über 500 Projektmeldungen sind innerhalb von vier Monaten eingegangen, darunter 102 Elektrolyseur-Projekte im Inland. Den Unsicherheiten einer solchen Marktumfrage zum Trotz, zeigen die Rückmeldungen, dass eine sehr hohe Anzahl von Projekten durch Marktakteure angedacht ist.

So übersteigt die Meldung der geplanten Elektrolyseurkapazitäten von 21,5 GW für das Jahr 2030, die anvisierten Zahlen der Nationalen Wasserstoffstrategie von 5 GW um das Vierfache. Abbildung 3 stellt die Meldungen der Marktumfrage der FNB Gas den Zielen der Nationalen Wassersstoffstrategie und den Annahmen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) im Netzentwicklungsplan Strom 2035 gegenüber.

Anschlussleistung von Elektrolyseuren in GWel (Quelle: Energy Brainpool).

Abbildung 3: Anschlussleistung von Elektrolyseuren in GWel (Quelle: Energy Brainpool).

Die Annahmen der ÜNBs sowie der Nationalen Wasserstoffstrategie liegen weit hinter den Zahlen, die die FNB Gas aus der Marktumfrage erhalten haben. Die Bandbreite von 5 bis 24 GW an Elektrolyseurleistung in 2030 und zwischen 10 und 48 GW in 2040 zeigt die erheblichen Unterschiede.

Allerdings müssen die Projektverantwortlichen den FNB Gas bis zum 21. Oktober 2021 Absichtserklärungen mit konkreten Zahlen liefern. Erst dann wird klar, welche Projekte wahrscheinlich umgesetzt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle Projekte in die Umsetzungsphase kommen und sich die Zahlen aus der Marktumfrage der FNB Gas noch reduzieren werden.

Mehrdeutige Aussichten

Wie oben dargestellt gehen die Annahmen zum Gasbedarf für die kommenden Jahrzehnte in verschiedenen Studien weit auseinander. Der mögliche Wasserstoffanteil am Gasverbrauch bewegt sich zwischen 20 und 50 Prozent. Diese großen Unsicherheiten bei der Bedarfsplanung für die Netzinfrastrukturen sollen in gemeinsamen Netzentwicklungsplänen zwischen den ÜNBs und den FNB Gas reduziert werden.

Gleichzeitig zeigt die Marktumfrage im Zuge des Netzentwicklungsplans Gas 2022 – 2032 das große Interesse von energiewirtschaftlichen Akteuren an Wasserstoffprojekten. Auch hier muss eine verfeinerte Analyse genauere Abschätzungen vornehmen. Nur CO2-neutraler oder -negativer Wasserstoff hat zudem eine klimapositive Wirkung. Deshalb sind die Regelungen bezüglich der Definition von grünem Wasserstoffs im EEG und nebenstehenden Verordnungen von großer Bedeutung.

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