Am Freitag, den 20. September 2019 hat sich das Klimakabinett auf die Leitlinien der deutschen Klimapolitik für das kommende Jahrzehnt geeinigt. Kernthema war die zusätzliche CO2-Bepreisung in den Sektoren Mobilität und Wärme. In drei Beiträgen analysieren wir das Klimaschutzprogramm 2030. Dieser erste Beitrag beschreibt die CO2-Minderungsziele, die Struktur und die allgemeinen Maßnahmen des Klimapakets. In zwei weiteren Beiträgen untersuchen wir das Programm detailliert.

Energiebranche überwiegend enttäuscht

Vorweg: Das Klimaschutzprogramm 2030 ist eine Enttäuschung. Sowohl energie-, als auch klimapolitisch hat das Klimakabinett ein ambitionsloses Allerlei verabschiedet, welches von kaum einem Akteur in der Energiebranche positiv bewertet wird (Quelle: Energate). Es genügt dem Anspruch auf Wirksamkeit für den Klimaschutz nur bedingt und vertagt eine Reihe wichtiger Entscheidungen abermals.

So sieht etwa Greenpeace Energy die Beschlüsse als „Windkraftverhinderungsprogramm“, während der Bundesverband Neue Energiewirtschaft das Programm als ein „mutloses Konglomerat“ bezeichnet. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist von dem Gesamtpaket „enttäuscht“. Es sei „der Koalition alles andere als ein großer Wurf gelungen“ (Quelle: PV Magazine).

Die Grünen haben schon angekündigt, das Klimapaket über den Bundesrat verschärfen zu wollen. Die Partei möchte laut der Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock die Gesetzesentwürfe, welche das Klimapaket umsetzen sollen, genau prüfen um „aus dem Wenigen ein Mehr an Klimaschutz herauszuholen“ (Quelle: SZ).

Deutschlands Minderungsziele im europäischen Rahmen

Um das Klimapaket und dessen Maßnahmen besser beurteilen zu können, ist es notwendig den europäischen Rahmen und die deutschen CO2-Minderungsziele im Blick zu haben. Bis zum Jahr 2030 will Europa den Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 verringern und strebt Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts an. Aus den europäischen Minderungszielen bis 2030 ergeben sich entsprechende nationale Ziele. Hierbei sollen über das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) große Emittenten aus der Industrie, dem Energiesektor und dem EU-weiten Flugverkehr ihre Emissionen bis 2030 gegenüber 2005 um 43 Prozent reduzieren.

Für Non-ETS-Sektoren, also die Sektoren Verkehr, Gebäude, Kleinindustrie und Landwirtschaft, liegt die Verantwortung der Treibhausgasreduktion bei den Nationalstaaten der EU. Definierte Jahresbudgets für den CO2-Ausstoß müssen allerdings im Rahmen der EU-Klimaschutzverordnung eingehalten werden. Andernfalls muss der Staat, welcher seine Ziele nicht erreicht, CO2-Verschmutzungsrechte von anderen Mitgliedsstaaten erwerben. Deutschlands Emissionsziel im Non-ETS-Bereich liegt bei einer Reduktion von 38 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005.

Die nationalen Ziele

Im Klimaschutzplan 2050 hat die Bundesregierung nationale Minderungsziele von 40 Prozent bis 2020, sowie von 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 verankert. In den einzelnen Sektoren liegen die Minderungsziele bis 2030 zwischen 31 Prozent in der Landwirtschaft und 67 Prozent im Gebäudesektor. Abbildung 1 zeigt die Minderungsziele laut Klimaschutzplan 2050, welche für das Klimaschutzpaket 2030 ebenfalls herangezogen wurden (Quelle: Umweltbundesamt).

Abbildung 1: Minderungsziele Deutschlands bis 2030 nach Klimaschutzplan 2050 (Quelle: Umweltbundesamt)

Abbildung 1: Minderungsziele Deutschlands bis 2030 nach Klimaschutzplan 2050 (Quelle: Umweltbundesamt)

Für das Jahr 2020 erreicht Deutschland voraussichtlich eine Minderung der Emissionen gegenüber 1990 von nur 30 bis 35 Prozent und verpasst damit das selbstgesteckt Ziel von 40 Prozent (Quelle: BMU). Abbildung 2 zeigt eine Übersicht der prozentualen Entwicklung der deutschen CO2-Emissionen seit 1990 für die wichtigsten Sektoren. Ebenfalls dargestellt sind die nationalen Ziele bis 2030 des Klimaschutzplans 2050.

Abbildung 2: Deutsche CO2-Minderungen seit 1990 und Ziele bis 2030 in Prozent (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 2: Deutsche CO2-Minderungen seit 1990 und Ziele bis 2030 in Prozent (Quelle: Energy Brainpool)

In den Jahren von 2005 bis 2018 sanken die Treibhausgasemissionen in Deutschland im Energie- und Gebäudesektor. Im Industrie- und Verkehrssektor stagnierten oder stiegen sie hingegen. In allen vier Sektoren ist allerdings eine prozentual stärkere Reduktion der Emissionen zwischen heute und 2030 notwendig, als sie seit 2005 auftrat. Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar, da einfach umzusetzende und günstige Potenziale zur Emissionsminderung in vielen Fällen schon genutzt wurden.

Die Elemente des Klimapakets

Das Klimaschutzprogramm besteht aus einem breiten Bündel an Maßnahmen. Es beinhaltet sowohl gesetzliche Standards und Anforderungen, als auch Innovationen und Förderungen, sowie eine zusätzliche Bepreisung von Treibhausgasemissionen. Die vier Elemente des Klimapakets zur CO2-Minderung sind: Förderprogramme, Bepreisung von CO2, finanzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und regulatorische Maßnahmen.

Durch die bestehenden und auszubauenden Förder- und Anreizprogramme soll die CO2-Minderung praktisch realisierbar werden. Dies soll laut Bundesregierung einer Anschubfinanzierung gleichkommen, welche die CO2-Minderung wirtschaftlich und sozialverträglich ermöglicht. Die CO2-Bepreisung wird keine zusätzlichen Einnahmen für den Staat generieren. Alle Einnahmen sollen in Klimaschutzfördermaßnahmen reinvestiert werden oder die Bürgerinnen und Bürger finanziell entlasten. Die Entlastung für Bürger und Wirtschaft soll durch die Senkung der Kosten für Strom, dem Anheben der Pendlerpauschale, der Entlastung finanziell schwächer gestellter Mieter, einer Austauschprämie für alte Öl- und Gasheizungen und der Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen erreicht werden (Quelle: Bundesregierung).

So sollen die mittelfristigen Maßnahmen (2020 bis 2023) des Klimapakets 2030 im Wirtschaftsplan 2020 des Energie- und Klimafonds und im Bundeshaushalt verankert werden. Der Energie- und Klimafonds bleibt also das zentrale Finanzierungsinstrument für die Energiewende und den Klimaschutz in Deutschland. Bis 2030 sollen Mittel in dreistelliger Milliardenhöhe in den Klimaschutz und die Energiewende fließen. Bis 2023 will die Regierung Klimaschutzinvestitionen von mehr als EUR 54 Mrd. tätigen (Quelle: finanzen).

Umsetzung und Monitoring des Klimaschutzprogramms

Die Emissionsminderungsziele aus dem Klimaschutzplan 2050 (vergleiche Abbildung 1 und 2) sollen laut Klimapaket für alle Sektoren in jährlicher Granularität gesetzlich festgeschrieben werden. So können die Fortschritte hinsichtlich der Klimaziele für 2030 insgesamt, vor allem aber in den einzelnen Sektoren, auf jährlicher Basis ermittelt werden. Ein externer Expertenbeirat soll diesen Prozess begleiten.

Der Kabinettausschuss Klimaschutz, also das „Klimakabinett“, soll entfristet werden. Weiterhin erhält es die Aufgabe, jährlich die Wirksamkeit und die Fortschritte der in die Wege geleiteten Maßnahmen zu überprüfen. Falls ein Sektor die  Ziele nicht erreicht, soll der zuständige Minister innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorlegen. Das Klimakabinett passt das Klimapaket dementsprechend an und hat ebenfalls die Aufgabe die jährlichen Sektor-Budgets bezüglich notwendiger Anpassungen zu überprüfen. Die gesetzlichen Maßnahmen des Klimapakets sollen noch in 2019 vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Das Klimaschutzpaket 2030 institutionalisiert den Klimaschutz innerhalb der Regierung und nimmt die Ziele des Klimaschutzplans 2050 als Grundlage für die Emissionsminderungen der Sektoren. Dies ist erst einmal positiv zu sehen. Ob die vorgeschlagenen Maßnahmen hierfür ausreichen und die notwendigen CO2-Einsparungen anreizen können? Diese Frage untersuchen wir in den nächsten zwei Beiträgen.

Zweiter Beitrag der Analyse:
Das deutsche Klimaschutzprogramm 2030 (II): CO2-Preis und der Energiemarkt
Dritter Beitrag der Analyse:
Das deutsche Klimaschutzprogramm 2030 (II): CO2-Preis und der Energiemarkt