Im September 2019 will die Bundesregierung ein neues Paket für Klimaschutzmaßnahmen präsentieren. Hierbei wird die Bepreisung von CO2-Emissionen in den nicht vom europäischen Emissionshandel betroffenen Sektoren eine große Rolle spielen. Welche grundlegenden Möglichkeiten der CO2-Bepreisung gibt es in den Sektoren Verkehr und Wärme? Worin unterscheiden sich die politisch diskutierten Optionen und was sind die jeweiligen Vor- und Nachteile?
Wie wird der CO2-Ausstoß derzeit bepreist?
Eine explizite Bepreisung von CO2 findet in Deutschland nur über das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) statt. Dergestalt ist das EU-ETS seit 2005 das zentrale Instrument für Klimaschutz in der Europäischen Union. Es funktioniert nach dem „Cap and Trade“-Prinzip. Die zwischenstaatlich festgelegte und sich jährlich reduzierende Obergrenze an CO2-Zertifikaten (Cap) bestimmt den maximalen Ausstoß an CO2 in den teilnehmenden Sektoren (Quelle: EU Kommission).
Die Emissionsberechtigungen oder Zertifikate können gehandelt werden. Über den Handel ergibt sich ein Preis für Zertifikate, welcher Unternehmen anreizen soll, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Das EU-ETS umfasst derzeit etwa 12.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie. Derzeit unterliegen in der EU etwa 45 Prozent der Treibhausgasemissionen dem EU-ETS (Quelle: Umweltbundesamt). Das Handelssystem umfasst seit 2012 auch den innereuropäischen Flugverkehr.
Bis 2030 hat sich die EU im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken. Das EU-ETS spielt hierbei eine große Rolle. Während die Preise für CO2-Zertifikate bis vor 2018 bei etwa 5 EUR/Tonne pendelten, stehen sie Ende Juli 2019 bei knapp 30 EUR/Tonne (siehe Abbildung 1).
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Das EU-ETS reicht für deutsche Emissionsziele nicht aus
Über das EU-ETS wird die Reduktion der Treibhausgase nur in den Sektoren Energiewirtschaft und Industrie sichergestellt. Damit sind mehr als 50 Prozent der europäische Emissionen nicht abgedeckt. Seit mehreren Jahren ist klar, dass das deutsche Klimaziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen in 2020 im Vergleich zu 1990 nicht mehr erreicht werden kann.
Insbesondere die nur langsam zurückgehenden oder stagnierenden Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor erfordern weitere Maßnahmen. Anderenfalls kann das Emissionsziel von minus 55 Prozent CO2-Emissionen gegenüber 1990 für das Jahr 2030 nicht erreicht werden.
Außerdem kommen bei zu hohem Ausstoß von Emissionen nach der EU-Effort-Sharing-Verordnung Kosten im bis zu dreistelligen Millionenbereich auf Deutschland zu. Die Diskussion um eine zusätzliche Bepreisung von CO2-Emissionen hat deshalb im Verlauf von 2019 stark an Fahrt aufgenommen (Quelle: DIW, IMK, FÖS, Sachverständigenrat Wirtschaft, Wuppertal Institut, CO2 Abgabe e.V.).
Welche Möglichkeiten für eine zusätzliche CO2-Bepreisung gibt es?
Theoretisch gibt es viele Möglichkeiten für eine CO2-Bepreisung. Im Folgenden gehen wir auf die in Deutschland diskutierten Möglichkeiten ein. Grundsätzlich werden drei Varianten einer zusätzlichen CO2-Bepreisung politisch diskutiert.
- eine Ausweitung des EU-ETS auf die Sektoren Wärme und Verkehr
- ein neues Emissionshandelssystem für die Sektoren Wärme und Verkehr
- eine CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe in den beiden Sektoren
Erste Option: Ausweitung des EU-ETS langwierig, aber europäisch sinnvoll
Die Ausweitung des EU-ETS auf die Sektoren Wärme und Verkehr kann es ermöglichen, EU-weit Emissionen dort einzusparen, wo es volkswirtschaftlich am effizientesten ist. Es stellt – durch eine geeignete Wahl der Obergrenze der Emissionen – auch ein relativ „treffsicheres“ Instrument dar.
Weiterhin hätte die Einbindung in den europäischen Rahmen den Vorteil, dass kleinteilige und nationale Lösungen nicht notwendig sind. Ein einheitlicher Preis im EU-ETS gäbe weiterhin ein Signal für Investitionen in emissionsarme Technologien in allen Sektoren.
Allerdings ist die politische Umsetzbarkeit einer Ausweitung eher als gering einzustufen. Insbesondere da die Gesetzesvertreter die neuen Regelungen für die vierte EU-ETS-Handelsperiode (2021-2030) erst in langwierigen Verhandlungen in 2017 und 2018 abgestimmt haben. Darüber hinaus sind sie schon in Kraft getreten. Der Einbezug von Wärme- und Verkehrssektor in ein EU-weites Emissionshandelssystem wäre realistischerweise ab der fünften Handelsperiode, also in mehr als zehn Jahren möglich.
Die Emissionen müssen baldmöglichst vermieden werden. Die Option einer EU-ETS-Ausweitung hat vor allem mittel- und langfristigen Charakter. Sie sollte aber bei der Gestaltung kurzfristiger Klimaschutzinstrumente Berücksichtigung finden (Quelle: Sachverständigenrat Wirtschaft).
Zweite Option: Ein Emissionshandelssystem für Nicht-EU-ETS-Sektoren als Übergangslösung?
Die Sektoren Wärme und Verkehr in das EU-ETS einzubeziehen, ist kurzfristig nicht möglich. Alternativ dazu kann ein weiteres Emissionshandelssystem für Nicht-EU-ETS-Sektoren (Quelle: Sachverständigenrat Wirtschaft im Zeitraum 2020 bis 2030 vorbereitet werden. Hierbei müssen allerdings eine Reihe von wichtigen Entscheidungen getroffen werden:
- Welche Nicht-EU-ETS-Sektoren sollen in dem neuen System aufgenommen werden? Gilt es, nur Wärme und Verkehr aufzunehmen? Oder gehören auch die Emissionen aus der Landwirtschaft dazu?
- Wie gestaltet sich die Zertifikatspflicht beziehungsweise wer kann oder muss am Emissionshandel teilnehmen? Bei sehr heterogenen Sektoren mit einer großen Anzahl von verschiedenen Emittenten (zum Beispiel einzelne Autofahrer, Importeure von Brennstoffen, kleine landwirtschaftliche Betrieb) kann die Gestaltung der Zertifikatspflicht sehr aufwendig werden. Eine logistisch handhabbare Lösung wäre denkbar: etwa eine Zertifikatspflicht nur für Importeure und Förderunternehmen fossiler Brennstoffe, anstatt für Endverbraucher.
- Wird das neue Emissionshandelssystem deutschlandweit aufgesetzt? Oder soll es mit einer Koalition von willigen Staaten als europäisches System mit Opt-in gestaltet sein? Auch hier stellt sich die Frage nach schneller Umsetzbarkeit, sowie den Verhandlungen über die Obergrenze der Zertifikate in dem neuen Emissionshandelssystem.
Dritte Option: CO2-Steuer schnell und einfacher umsetzbar
Alternativ zur Erweiterung oder zum Aufbau neuer Emissionshandelssysteme ist es, eine CO2-Steuer einzuführen. Diese könnte in den Sektoren Verkehr und Wärme zusätzlich zu den bestehenden Energiesteuern erhoben werden.
Die Gutachten des Umweltministeriums aus dem Juli haben vor allem auch diese Version auf ihre Wirkung und Sozialverträglichkeit untersucht. Die Einnahmen aus einer zusätzlichen CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe könnten vielseitig genutzt werden. Denkbar ist beispielsweise, die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz oder auch die EEG-Umlage zu reduzieren. Auch eine Rückzahlung der Steuereinnahmen als Pro-Kopf-Pauschale wurde diskutiert.
Problematisch bei der Einführung einer neuen Steuer ist es, dass der „richtige“ Preis für die Tonne CO2 nicht bekannt ist und dass der Preis jährlich angepasst werden muss. Dies könnte dazu führen, dass die Steuer aufgrund kurzfristiger politischer Überlegungen weniger hoch angesetzt wird, als notwendig. In der Diskussion wurde in den jüngsten Studien von 35 EUR/Tonne in 2020 und nach linear steigenden Preisen von 180 EUR/Tonne in 2030 ausgegangen (DIW, IMK, FÖS). Eine CO2-Steuer ist allerdings auch kein Garant für tatsächlich sinkende Emissionen. Es steht keine Obergrenze wie im Emissionshandel fest, sondern nur der Verbrauch wird verteuert. Dadurch könnten Emissionsziele nicht erreicht werden.
Eine Zusammenfassung der Vor- und Nachteile der drei unterschiedlichen Optionen für eine zusätzliche CO2-Bepreisung ist in Tabelle 1 zu finden (Quelle: Sachverständigenrat Wirtschaft, CO2 Abgabe e.V.).
Woran muss sich eine zusätzliche Bepreisung von CO2-Emissionen messen lassen?
Klar ist, der CO2-Ausstoß Deutschland muss möglichst schnell reduziert werden, um mit den nationalen und internationalen Emissionszielen in Einklang zu stehen. Daher sollte eine zusätzliche Bepreisung Lenkungswirkung auf die unterschiedlichen Akteure ausüben.
Die Sozialverträglichkeit der Maßnahme muss gegeben sein, sodass Pendler oder Menschen, die in ländlichen Gebieten leben, nicht benachteiligt werden. Hier spielt vor allem die Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung eine große Rolle.
Der europäische und internationale Blick sollte bei einer zusätzlichen Bepreisung nicht vergessen werden. Weitere europäische Länder in die Gestaltung oder zumindest in die mittel- bis langfristige Planung einzubeziehen, ist hier zielführend.
Es steht demnach eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, welche eine zusätzliche Bepreisung von CO2 in Deutschland ermöglichen. Jedes der Instrumente hat andere Implikationen für Umsetzung und für Emittenten. Die Entscheidung der Bundesregierung über ihre Klimaschutzmaßnahmen am 20. September 2019 erwarten wir mit Spannung.
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