Mit dem aktuellen „EU Energy Outlook 2050“ zeigt Energy Brainpool langfristige Trends in Europa auf. Der Klimawandel und ein in die Jahre gekommener Kraftwerkspark zwingen die Europäische Union und viele Länder dazu, ihre Energiepolitik umzustellen. Aber auch marktlich gibt es zahlreiche Veränderungen. Was bedeuten diese Entwicklungen für die Strompreise, Erlöspotenziale und Risiken für Photovoltaik und Wind?
Das europäische Energiesystem wird sich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern. Der Klimawandel und ein in die Jahre gekommener Kraftwerkspark zwingen die Europäische Union und viele Länder dazu, ihre Energiepolitik umzustellen. Aber auch marktlich gibt es Veränderungen: Steigende CO2-Zertifikatspreise führen zu höherer Rentabilität erneuerbarer Energien, PPAs sind hier das Schlüsselwort. Was bedeuten diese Entwicklungen für die Strompreise, Erlöspotenziale und Risiken für Photovoltaik und Wind?
Die Strommärkte in Europa unterliegen einem ständigen Wandel, welcher aktuelle Preisszenarien unabdingbar macht. Nur so lassen sich beispielsweise Marktentwicklungen, Assets und Verträge, Investitionsentscheidungen, PPAs oder Geschäftsmodelle richtig bewerten.
Der „EU Energy Outlook 2050“ zeigt die Entwicklung des „EnergyBrainpool“-Szenarios für EU-28, Norwegen und Schweiz. Die tatsächlichen Prozesse in den Einzelländern können deutlich variieren. Um fundiert entscheiden zu können, sind detaillierte Modellierungen der einzelnen nationalen Märkte und der dortigen Einflussfaktoren inklusive Sensitivitätsanalysen unerlässlich.
Wie sieht der europäische Kraftwerkspark der Zukunft aus?*
Der Kraftwerkspark in Europa hat sich über viele Jahrzehnte entwickelt und war besonders von fossilen Erzeugungskapazitäten dominiert. Die im Markt befindlichen Kraftwerke haben bereits vielfach ein hohes Alter erreicht. Sie werden bis 2050 ersetzt sein müssen, dazu zählen auch alle Kernkraftwerke (ausgenommen die im Bau befindlichen).Um den Klimawandel zu begrenzen, werden Ersatztechnologien benötigt, die emissionsarm bzw. emissionsfrei sind – eine Renaissance der Kohle ist deshalb ausgeschlossen. Für die Zukunft sind bekannte und erprobte Technologien verfügbar: Gaskraftwerke, erneuerbare Energien sowie Kernkraftwerke.
Vor allem Windkraft und Photovoltaik haben weiterhin ein großes Wachstumspotenzial. Diese Technologien sind heute wettbewerbsfähig – dank der stark gesunkenen Kosten in den letzten zehn Jahren. Dies ist auch ersichtlich durch die ansteigende Anzahl PPA-basierter Projekte insbesondere für Solarananlagen. Experten erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. Im „EU Energy Outlook 2050“ steigt der Anteil dieser fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis in das Jahr 2050 auf rund 55 Prozent der gesamten Angebotsleistung. Erneuerbare haben einen Anteil von 73 Prozent am Kraftwerkspark.
An steuerbaren, fossilen Erzeugungskapazitäten werden auf europäischer Ebene in Zukunft vor allem Gaskraftwerke zugebaut. Das liegt an den geringeren Emissionen im Vergleich zu Kohlekraftwerken. Letztere verlieren selbst mit Carbon-Capture-Storage (CCS) weiter an Bedeutung.
Die Kapazitäten von Kernkraft- und Kohlekraftwerken verringern sich um mehr als 55 Prozent bis 2050. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, die Niederlande sowie Belgien haben für die Zukunft Kohleausstiege angekündigt. Dadurch ist insbesondere bei der Steinkohle ein starker Rückgang der aktuell installierten Leistung auf rund 44 Prozent bis zum Jahr 2030 zu beobachten.
In der Gesamtbetrachtung reduziert sich der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke von 50 Prozent auf etwa 26 Prozent bis zum Jahr 2050. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Struktur der Strompreise, welche zunehmend durch feE geprägt sind.
Warum steigt die Stromnachfrage bis 2050?
Die Stromnachfrage steigt bis 2050 um circa 24 Prozent. Vor allem das Bevölkerungswachstum und mehr Elektrifizierung in den Haushalten sowie ein Anstieg der Elektromobilität erhöhen den Strombedarf. Der Großteil des Wirtschaftswachstums findet laut den Plänen der Europäischen Kommission im tertiären Dienstleistungssektor statt, welcher ebenfalls mehr Strom benötigt. Wenn die Unternehmen im Industriesektor ihre Effizienz steigern, können sie einen deutlichen Anstieg des Stromverbrauchs verhindern.Die produzierte Strommenge aus Kohlekraftwerken ist stark rückläufig und nimmt bis 2030 um rund 60 Prozent und bis 2050 um rund 95 Prozent ab. Die Produktion aus Gaskraftwerken erhöht sich indes um rund 35 Prozent bis zum Jahr 2050. Im Jahr 2050 erzeugen Wind- und Solaranlagen rund 40 Prozent des Stroms. Rund 38 Prozent des Stroms stammt aus steuerbaren, fossilen Kraftwerken. Steuerbare Erneuerbare-Energien-Anlagen produzieren die restlichen Strommengen, wie zum Beispiel Biomassekraftwerke oder Speicherseen. 78 % des Stroms werden dabei emissionsfrei erzeugt. Damit würden die gesteckten Klimaziele verfehlt.
Die langfristige Entwicklung von Rohstoffpreisen
Die Entwicklung der wichtigsten Commodities basiert bis 2040 auf dem „Sustainable Development“ Szenario des World Energy Outlooks 2018 der IEA [2]. In diesem Szenario sind drei Ziele definiert: Stabilisierung des Klimawandels, saubere Luft und ein universeller Zugang zu moderner Energie [3].
In diesem Szenario steigen die Preise für CO2-Zertifikate deutlich. Die Preise für Gas, Öl und Steinkohle bleiben auf einem relativ konstanten Niveau. Die Entwicklung von 2040 bis 2050 wird extrapoliert.
Entwicklung durchschnittlicher Strompreise
Für die Entwicklung der durchschnittlichen, ungewichteten Strompreise der Jahre 2020 bis 2040 sind vor allem Primärenergie- und CO2-Preise relevant. Ab dem Jahr 2040 werden die Strompreise trotz steigender Gas- und CO2-Preise stagnieren. Der Grund: Hohe Einspeisungen aus Wind- & Photovoltaik-Kraftwerken, welche nur teilweise von einer flexibler werdenden Stromnachfrage ausgeglichen werden können, führen zunehmend zu geringen und häufiger auch negativen Strompreisen.
Die tatsächlichen Entwicklungen in den Einzelländern weichen zum Teil sehr deutlich voneinander ab. Dies zeigen die dargestellten Schwankungsbreiten. Insbesondere Länder mit geringem Ausbau von erneuerbaren Energien verzeichnen einen stetigen Anstieg der Strompreise (aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise).
Betrachten wir die Strompreise auf monatlicher Basis, ist die Saisonalität und Volatilität des Strommarktes erkennbar. Für den Winter zeigen die Analysen steigende Preise, bedingt durch die Temperatursensitivität der Stromnachfrage.
Demgegenüber liegen die Strompreise im Sommer meist deutlich niedriger. Dieser Effekt wird durch den steigenden Anteil solarer Stromerzeugung verstärkt, welche sich preissenkend auswirken.
Welche Erlöse können Windkraftanlagen erzielen?
Der Vermarktungswert ist der durchschnittliche mengengewichtete Strompreis, den Windkraftwerke am Spotmarkt erzielen können. Es werden nur Erzeugungsstunden mit positiven Strompreisen berücksichtigt (inklusive 0 EUR/MWh). Bis zum Jahr 2030 steigt der Vermarktungswert der Windenergie stärker an und stagniert dann – bedingt durch weiterhin steigende Kapazitäten.
Die parallele Erzeugung verringert die Strompreise in diesen Stunden (Merit-Order-Effekt). Dabei gehen die Vermarktungsmengen (Anteil der erzeugten Mengen zu Strompreisen >=0 EUR/MWh) im EU-Durchschnitt nur leicht, in einzelnen Ländern teilweise auch sehr deutlich zurück. Die Vermarktungserlöse ergeben sich aus dem Produkt der Vermarktungswerte und Vermarktungsmengen.
Die vielen Stunden, in denen trotz des hohen Anteils von erneuerbaren Energien steuerbare, fossile Kraftwerke den Preis setzen, ermöglichen steigende positive Erlösströme. Die Schwankungsbreite der Märkte zeigt, wie unterschiedlich die landesspezifischen durchschnittlichen Erlösmöglichkeiten von Windenergieanlagen sind.
Im White Paper „Bewertung der Strommarkterlöse von Anlagen fluktuierender erneuerbarer Energien“ definiert Energy Brainpool unter anderem die Indizes Vermarktungswert und -mengen. Diese Indizes ermöglichen eine realistische Ermittlung der Erlöspotenziale von fluktuierenden, erneuerbaren Energien am Strommarkt.
Welche Erlöse können Photovoltaik-Anlagen (Solar) erzielen?
Die Entwicklung der Vermarktungswerte der Solarenergie gleicht dem Trend der Vermarktungswerte für Windenergie, aber auf einem niedrigeren Niveau. Grund hierfür ist der stark ausgeprägte Gleichzeitigkeitseffekt der Solarenergie: Der Großteil des Stroms wird in den Tagesstunden im Sommer erzeugt. In Stunden, in denen die Anlagen viel Solarstrom erzeugen, sinken der Strompreis und damit die Erlöse.
Die Vermarktungsmengen für Solarenergie gehen im EU-Durchschnitt auch nur leicht, in einzelnen Ländern jedoch sehr deutlich zurück. Die große Schwankungsbreite der Solar-Vermarktungswerte in den Einzelstaaten zeigt, wie stark die Erlösmöglichkeiten variieren. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass in einem sonnenreichen Land auch mit geringen Vermarktungswerten hohe Erlöse möglich sind. Der Grund dafür ist, dass die Anlagen besser ausgelastet sind.
Solarthermische Anlagen zur Stromerzeugung sind im Szenario eine Randtechnologie und werden nicht in großem Umfang ausgebaut.
Zunahme der Preisvolatilität im Detail
Im Szenario führen viele Faktoren zu einem deutlichen Anstieg der Preisvolatilität. Auf der einen Seite steigen die Erzeugungskosten der steuerbaren, fossilen Kraftwerke aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise. Auf der anderen Seite hat der Ausbau fluktuierender, erneuerbarer Energien einen preissenkenden Effekt. Im Ergebnis treten aus heutiger Sicht extreme Preise deutlich häufiger auf und werden zu einem normalen Bestandteil der Strompreisstruktur des Day-Ahead-Marktes.
Leistungsspezifische Erlöse fluktuierender erneuerbarer Energien
An welchen Standorten und Ländern bzw. in welche Technologie soll investiert werden? Dazu müssen einerseits die durchschnittlichen Erlöse fluktuierender erneuerbarer Energien mittels des Vermarktungswertes in EUR/MWh betrachtet und andererseits die jährlichen Energiemengen der jeweiligen Technologie und des Standortes mitberücksichtigt werden.
Dies wird durch den kapazitätsspezifischen Erlös möglich. Er stellt die jeweiligen durchschnittlichen Erlöse pro installiertem Kilowatt da. Eine PV-Anlage in Spanien erwirtschaftet durchschnittlich in EUR/MWh weniger Erlöse als eine PV-Anlage in den UK. Durch die hohe Auslastung und damit Volllaststunden in Spanien relativiert sich das, sodass die Anlage pro Kilowatt letztendlich mehr Erlöse erzielt als in den UK. Eine solche Kenngröße kann selbstverständlich auch standortgenau ermittelt werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Windenergieanlagen eher in den nordeuropäischen Staaten einen höheren Erlös erzielen können, während Solaranlagen eher in den südeuropäischen Staaten einen Erlösvorteil haben.
Schwankungen durch Wetterrisiken bei der Bestimmung der Vermarktungswerte fluktuierender Erzeuger
In Deutschland und auch anderen europäischen Märkten stand aufgrund der Förderung von Wind und Solar bisher beim Gedanken an die Wetterrisiken fluktuierender erneuerbarer Energien lediglich der Einfluss auf die produzierten Erzeugungsmengen im Fokus. Sämtliche Preisrisiken spielten durch die garantierte Einspeisevergütung bzw. Marktprämie keine Rolle. Für Windanlagen galt beispielsweise, dass hohe Windmengen hohe Erlöse generieren und wenig Wind zu niedrigen Erlösen führt. Um Erlöse abzuschätzen, wurde folgerichtig eine erwartete Menge (z. B. P50-Menge) mit der fixen Förderung multipliziert.
Diese Situation ändert sich jedoch bei marktlich vermarkteten Anlagen, die ihre Erlöse basierend auf schwankenden Strompreisen generieren. Da auch die Strompreise mit dem Wetter schwanken, berücksichten wir den Wettereinfluss doppelt. Im Weiteren zeigen wir, dass hier aus Sicht des Anlagenbetreibers eine erlösstabilisierende Antikorrelation der beiden Wettereffekte existiert. So können Wetterrisiken systematisch überschätzt werden.
Der Effekt der Antikorrelation wird anhand der Modellierungsergebnisse einer Szenariorechnung für das Jahr 2021 unter Verwendung der Wetterjahre 2005 bis 2016 deutlich. In Abbildung 11 sind die prozentualen Schwankungen der Erzeugungsmengen und Vermarktungserlöse um den jeweiligen Mittelwert dargestellt. Multipliziert man die Erzeugungsmenge (in MWh) mit dem Vermarktungserlös (in EUR/MWh), erhält man die Jahreserlöse der Anlage (in EUR/MW/a). Diese sind ebenfalls prozentual und zusätzlich in EUR/MWh angegeben, und beziehen sich dabei auf Erlösschwankungen der im langjährigen Mittel erzeugbaren Strommenge (P50-Menge). Mit Blick auf die Abbildungswerte wird ein Muster erkennbar: Windreiche Jahre zeigen hohe Mengen bei niedrigen Vermarktungserlösen, windarme Jahre zeigen niedrige Mengen bei höheren Vermarktungserlösen. Das ist im Allgemeinen auf den Kannibalisierungseffekt erneuerbarer Energien zurückzuführen, und kann eine Stabilisierung der Jahreserlöse bewirken.
Beispielsweise liegen die Erzeugungsmengen im Wetterjahr 2007 um mehr als 16 Prozent über dem P50-Wert, jedoch fällt der Vermarktungserlös in EUR/MWh um 8 Prozent geringer aus. Der Jahreserlös der Anlage schwankt daher nur um + 7,5 Prozent. Umgerechnet sind das + 3,12 EUR/MWh Abweichung von den Erlösen, die mit der P50-Menge als langjähriger Mittelwert geplant wurden.
Demgegenüber fallen die Erzeugungsmengen im Wetterjahr 2010 um 10 Prozent geringer aus. Dies entspricht in etwa der P90-Menge. Jedoch werden die geringeren Mengen von den mehr als 11 Prozent höheren Vermarktungserlösen überkompensiert, und die Jahreserlöse bleiben stabil (plus 0,7 Prozent). Kalkuliert man die erwarteten Erlöse einer Anlage aber durch Multiplikation der P90-Menge (des Wetterjahres 2010) nur mit dem mittleren Vermarktungserlös, überschätzt man das Wetterrisiko systematisch und lässt diese erlösstabilisierende Antikorrelation außer Acht.
Beim Vergleich der Wetterjahre 2010 und 2016 wird jedoch auch deutlich, dass diese Antikorrelation nicht in jedem Wetterjahr gleichermaßen gegeben ist. Sie kann durch gleichzeitige Solareinspeisung ausgehebelt werden. Beispielsweise verteilte sich die Windeinspeisung in 2016 verglichen mit 2010 trotz niedriger Jahresmengen stärker auf Stunden mit gleichzeitig hoher Solareinspeisung, sodass die Vermarktungserlöse kaum gestiegen sind.
Insgesamt ergeben sich wetterjahrspezifische Schwankungsbreiten der Erlöse, die sowohl wetterbedingte Mengen- als auch Wertrisiken abbilden. Zieht man die Erzeugungsmengen von P90- (z. B. 2010) oder P50-Wetterjahren (z. B. 2009) zur Abschätzung von Wetterrisiken heran, ist es ratsam, diese in Kombination mit den erwarteten Preiseffekten zu betrachten. Andernfalls können Wetterrisiken überschätzt werden.
Die dargestellten Werte verändern sich in der Zukunft stark durch sich wechselnde Kraftwerksparks und damit ändernde Kannibalisierung der erneuerbaren Energien.
Lesen Sie mehr in unseren White Papern „Power-Purchase-Agreements I & II“.
Schwankungen bedingt durch unterschiedliche Szenario-Annahmen
Energy Brainpool bietet eine Vielzahl unterschiedlicher geschlossener Szenarien an. Abbildung 13 zeigt die unterschiedlichen Trends der Szenarien. Die Schwankungen betreffen hierbei sowohl die Annahmen zu der Entwicklung der Commodities-Preise sowie des Kraftwerksparkes und der E-Mobilität und weiterer Flexibilitätsoptionen (Progressivität).
Abbildung 14 zeigt die dazugehörigen Ergebnisse der Strompreise der jeweiligen Szenarien.
Lesen Sie hier unseren vorherigen Beitrag über den EU Energy Outlook.
* EU-28 inkl. Norwegen und Schweiz, je nach Auswertung sind nur die signifikantesten Staaten berücksichtigt, um den Mittelwert zu bestimmen.
[1] https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/files/documents/ref2016_report_final-web.pdf
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