In diesem zweiten Beitrag zum Klimaschutzprogramm 2030 analysieren wir die zusätzliche CO2-Bepreisung und die Maßnahmen für den Energiesektor. Ab dem Jahr 2021 soll in Deutschland ein CO2-Preis in Höhe von 10 EUR/Tonne für die Sektoren Verkehr und Gebäude gelten. Dieser soll bis 2025 auf 35 EUR/Tonne ansteigen. Für den Ausbau der erneuerbaren Energien gelten ebenfalls neue Regelungen.

CO2-Bepreisung „light“

In den vergangenen Monaten wurden eine Reihe von Studien zum Thema zusätzliche CO2-Bepreisung im Auftrag der Regierung und den Ministerien erstellt. Das Klimakabinett hat sich nun auf die Einrichtung eines nationalen Emissionshandelssystems (nEHS) im Jahr 2021 geeinigt. Es umfasst die Emissionen aus der Verbennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe (Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin und Diesel), in der Wärmeerzeugung des Gebäudesektors und der Energie- und Industrieanlagen, welche nicht dem EU-ETS zuzurechnen sind. Die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe im Verkehrssektor (ausgenommen Luftverkehr) werden ebenfalls dem nEHS unterliegen.

Die Zertifikate müssen von den Handelsunternehmen oder Lieferanten der Brenn- und Kraftstoffe gekauft werden. Die Koalition hat sich auf ein Festpreissystem geeinigt. In Abbildung 1 ist zu sehen, dass der Ausgabepreis der Zertifikate von 10 EUR/Tonne in 2021 auf 35 EUR/Tonne in 2025 steigen soll. Ebenfalls dargestellt sind die Preisvorschläge aus wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien im Vorfeld des Klimapakets (Quelle: MCC). Die Vorschläge des Programms liegen weit unter den Preisen für CO2-Emissionen, die notwendig sind um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Ob die Politik aufgrund gesellschaftlichen Drucks preislich noch einmal nachsteuert, bleibt abzuwarten.

Abbildung 1: Zusätzliche CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmesektor laut Klimapaket 2030 und wissenschaftlicher Notwendigkeit (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 1: Zusätzliche CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmesektor laut Klimapaket 2030 und wissenschaftlicher Notwendigkeit (Quelle: Energy Brainpool)

Bis 2026 wurde keine Obergrenze für die Anzahl der auszugebenden Zertifikate festgelegt. Somit ist es möglich, dass die Emissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr höher liegen, als es den Emissionszuweisungen Deutschland innerhalb der EU entspricht. Deutschland müsste in diesem Fall die Zertifikate von anderen Mitgliedsstaaten kaufen. Das Festpreissystem ohne verbindliche Obergrenze, kann als Testinstrument für den Aufbau eines europaweiten Handelssystems in den Non-ETS-Sektoren betrachtet werden. Eine Reduktion der deutschen Emissionen in den betroffenen Sektoren wird allerdings aufgrund der niedrigen Preise nur bedingt angereizt.

Übergangssystem in 2026

Ab dem Jahr 2026 soll dann eine maximale Emissionsmenge festgelegt werden, welche von Jahr zu Jahr abnimmt. Die Anzahl der verfügbaren CO2-Zertifikate soll sich aus den Zielen des Klimaschutzplans 2050 und den Emissionsbudgets für die deutschen Non-ETS-Sektoren nach EU-Recht ergeben (lesen Sie mehr hierzu in diesem Artikel). Für das Jahr 2026 soll noch ein Mindest- und Höchstpreis von 35 EUR/Tonne, beziehungsweise 60 EUR/Tonne gelten. Die Art der Preisbildung ab dem Jahr 2027 und ob ein Mindest- oder Höchstpreis eingesetzt wird, wird erst 2025 festgelegt.

Die vorgeschlagene CO2-Bepreisung bis 2025 wird den Preis von Dieselkraftstoff in 2021 um 3 ct/Liter und in 2025 um 10 ct/Liter erhöhen. Der Wechsel zu Elektrofahrzeugen wird bei derart moderatem Anstieg voraussichtlich nicht angereizt. Dies konstatiert nicht nur die Wissenschaft, sondern auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Von dem Einstiegspreis von zehn Euro sind keine Verhaltensänderungen zu erwarten, hier stand offenbar der Verzicht auf harte Belastungen im Vordergrund“, so der Geschäftsführer des IW Bardt (Quelle: Handelsblatt).

Geringe Entlastungen beim Strompreis

Aus den Einnahmen des nEHS sollen Umlagen, Abgaben und Steuern auf Strom schrittweise finanziert werden. Das wiederum soll den Strompreis für Haushalte und Wirtschaft reduzieren. Ab 2021 sinkt die EEG-Umlage um 0,25 ct/kWh, in 2022 soll die Entlastung 0,5 ct/kWh und in 2023 0,625 ct/kWh betragen. Steigen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wird der Strompreis weiter abgesenkt. Bei einer EEG-Umlage von etwa sechs bis sieben ct/kWh entspricht die Absenkung bis 2023 etwa 10 Prozent. Die Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Wärme wird dadurch bestenfalls marginal gefördert.

Maßnahmen im Energiesektor

Die Treibhausgasemissionen im Energiesektor sollen bis 2030 auf etwa 175 Mio. Tonnen CO2 sinken. Maßgeblich soll dies durch den Kohleausstieg und den Ausbau von erneuerbaren Energien geschehen. Nach derzeitigem Stand werden die Kapazitäten der deutschen Kohlekraftwerke bis 2030 von über 40 GW auf 17 GW zurückgehen. Die Bundesregierung hat im Klimaschutzprogramm 2030 das Ziel von 65 Prozent für den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch iteriert. Abbildung 2 stellt die Zielsetzung und die übergeordneten Maßnahmen für den Energiesektor dar (Quelle: Bundesregierung).

Abbildung 2: Emissionsziel im Energiesektor und übergeordnete Maßnahmen im Klimapaket 2030 (Quelle: Bundesregierung)

Abbildung 2: Emissionsziel im Energiesektor und übergeordnete Maßnahmen im Klimapaket 2030 (Quelle: Bundesregierung)

Die Maßnahmen des Pakets sollen die Akzeptanz des Zubaus Erneuerbarer erhöhen. Es folgt eine Analyse der detaillierten Bestimmungen im Bereich des Energiesektors.

Photovoltaik

Der PV-Deckel fällt. Dies bedeutet, dass ab einer installierten PV-Leistung von 52 GW in Deutschland, neue Anlagen bis 750 kW immer noch über das EEG gefördert werden. Allerdings ist die Vergütung an die gesamten PV-Zubauraten geknüpft und wird somit weiter fallen. Die Bedingungen für Mieterstrom sollen ebenfalls verbessert werden. Allerdings sind hierfür keine Details bekannt.

Offshore Wind

Das Ziel für den Ausbau der Offshore Windenergie steigt von 15 GW auf 20 GW in 2030. Das Ziel steht unter dem Vorbehalt, dass verbindliche Vereinbarungen mit den Küstenländern und den Übertragungsnetzbetreibern geschlossen werden.

Onshore Wind

Für Wind an Land soll bundesweit ein Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten und dörflichen Strukturen gelten. Die Mindestabstandregelung für Windenergieanlagen gilt sowohl für neue Anlagen, als auch für das Repowering. Die neuen Abstandsregeln gelten für bestehende und künftige Flächenpläne, jedoch nicht für Pläne, die zwischen dem 1. Januar 2015 und dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung aus dem Klimapaket rechtskräftig wurden. Das bedeutet, dass sich die ausgewiesene Fläche für Windenergieanlagen reduziert.

Das Umweltbundesamt hat im März 2019 in einer Studie die Auswirkung eines Mindestabstands von 1000 Metern untersucht. Das Ergebnis: Die derzeit vorhandenen Flächen für Windenergie an Land würden durch einen solchen Mindestabstand um 20 bis 50 Prozent reduziert werden. Ohne zusätzliche neue Vorrangsflächen wäre der Zubau der Onshore Windenergie im besten Fall auf 63 GW beschränkt (Quelle: UBA). Das Ziel von 65 Prozent erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in 2030 rückt mit dieser Regelung in weite Ferne.

Im Klimaschutzprogramm 2030 wird den Bundesländern allerdings auch ein „Opt-out“ aus der Mindestabstandsregel ermöglicht. Innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Neuregel können auf Länderebene geringere Abstände festgelegt werden. Kommunen können sich zeitlich unbefristet auf geringere Mindestabstände einigen. Der Entwurf des Grundsteuerreformgesetzes sieht ebenfalls eine finanzielle Beteiligung von Kommunen am Betrieb von Windrädern vor. Der Bund gibt somit die Entscheidung für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land an die Bundesländer und Kommunen ab. Ein noch nicht konkret definierter Regionalisierungsbonus soll den Ausbau von Windenergieanlagen regional ausgewogener verteilen.

Weitere Änderungen

Konkrete Maßnahmen, um die Sektorkopplung anzureizen, sind im Klimapaket nicht zu finden. Speicher sollen von bestehenden Umlagen befreit werden und Letztverbraucherstatus erhalten. Die Kraft-Wärme-Kopplung soll weiter ausgebaut werden. Die Förderung wird weiterentwickelt und bis 2030 verlängert. Die Forschungsvorhaben in Reallaboren der Energiewende sollen stärker unterstützt werden um die Transformation des Energiesystems zu untersuchen und zu begleiten.

Die Vorschläge und Maßnahmen zur CO2-Bepreisung und der Ausbau der erneuerbaren Energien im Klimapaket 2030 geben nur wenig Anlass für Optimismus bezüglich Klimaschutz und Energiewende. Für den Geschäftsführer der Deutsche Energie-Agentur (dena), Andreas Kuhlmann, ist das Vereinbarte “sehr wahrscheinlich noch nicht genug, um die Klimaziele 2030 zu erreichen” (Quelle: dena). Zu geringe CO2-Preise werden kaum Lenkungswirkung auf Haushalte und Unternehmen haben, insbesondere wenn ein Festpreissystem ohne Emissionsgrenze bis 2025 gilt. Die unterstützenden Änderungen für Photovoltaik und Offshore Windenergie werden nach derzeitigem Stand die geringen Zubauzahlen für Windenergie nicht kompensieren können. Wie das 65 Prozent-Ziel erreicht werden soll, ist daher noch nicht klar.

Erster Beitrag der Analyse:
Das deutsche Klimaschutzprogramm 2030 (I): Ziele und Maßnahmen des Klimapakets
Dritter Beitrag der Analyse:
Das deutsche Klimaschutzprogramm 2030 (III): Die Sektoren Gebäude und Verkehr