Um Preisspitzen im Arbeitspreis zu begrenzen, führte die Bundesnetzagentur das Mischpreisverfahren im Regelenergiemarkt ein. Allerdings war dieses Verfahren auch nicht frei von Problemen.

Welche Probleme bei Umsetzung auftraten und wie sich der Markt verhalten hat erfahren Sie im zweiten Teil unserer Serie zum „Regelenergiemarkt im Umbruch“.

 

Preisgrenzen für Höchstpreise

Im Oktober 2017 traten innerhalb der Arbeitspreise der Minutenreserve hohe Preisspitzen  (Teil 1 der Serie) auf. Infolgedessen versprach die Bundesnetzagentur, die Regelungen für Beschaffung, Einsatz und Preisbildung am Regelenergiemarkt eingehend zu prüfen.

Die Ausgleichsenergiepreise am 17. Oktober 2017 lagen um mehr als das 600-Fache über den durchschnittlichen Spotmarktpreisen des gleichen Tages.

Vorerst beschloss die Behörde, die Obergrenze für Gebote auf ein Zehntel der vorherigen Grenze zu reduzieren. Ab dem 2. Januar 2018 waren also nur noch Höchstgebote von 9.999 EUR/MWh für Arbeitspreise möglich (Quelle: Energie Chronik).

Viele Marktteilnehmer sahen in dem Eingriff allerdings auch eine Verletzung des Energy-Only-Marktes, an dem freie Preisbildung die Knappheit von Ressourcen darstellt und somit Investitionen anreizen soll.

Die Begrenzung der Höchstpreise war allerdings nur der Anfang einer Reihe von Änderungen, die den Regelenergiemarkt bis heute beschäftigen.

Ein neuer Zuschlagsmechanismus für die Gebote ging ab Februar 2018 in die Marktkonsultation, das Mischpreisverfahren (Quelle: Bundesnetzagentur).

Ein neuer Zuschlagswert im Mischpreisverfahren

So sollten die neuen Regelungen für den Zuschlagsmechanismus bei der Regelleistung verhindern, dass sehr hohe Arbeitspreise abgerufen werden.

In anderen Worten: Der Leistungspreis soll nicht mehr allein ausschlaggebend sein, dass ein Gebot auch abgerufen werden kann.

Dabei war es die Idee der Bundesnetzagentur, einen Zuschlagswert einzuführen, welcher sowohl den Leistungspreis, als auch den Arbeitspreis berücksichtigt.

Dementsprechend soll der Zuschlagswert aus der Summe des „Leistungswert“ und des „Arbeitswert“ gebildet werden. Hierbei ergibt sich der „Leistungswert“ aus dem Quotient des Leistungspreises und der entsprechenden Produktdauer in Stunden (Quelle: Energie Chronik).

Der Arbeitswert besteht aus dem gebotenen Arbeitspreis und einem Gewichtungsfaktor, welcher anhand der Aktivierungswahrscheinlichkeit von Geboten ermittelt wird (Quelle: Energate).

Marktteilnehmer, wie etwa der Direktvermarkter von erneuerbaren Energien, Next Kraftwerke, haben große Bedenken gegenüber dem neuen Mechanismus geäußert (Quelle: Next Kraftwerke).

So würde ein gekoppelter Zuschlagswert bestimmte Erzeugungstechnologien diskriminieren. Denn die Kosten für die Vorhaltung von Regelleistung sei in den vergangenen Jahren stark gesunken (Abbildung 1) und das neue System würde diese Entwicklung konterkarieren.

Entwicklung der Kosten für Vorhaltung der Regelleistung in Mio. EUR, Mischpreisverfahren, Energy Brainpool

Abbildung 1: Entwicklung der Kosten für Vorhaltung der Regelleistung in Mio. EUR (Quelle: Bundesnetzagentur)

Demgegenüber würde das neue Verfahren höhere Leistungspreise anreizen. Die Kosten für die Leistungsvorhaltung, also die Leistungspreise, werden über die Netzentgelte umgelegt. Daher würde das neue System die Netzentgelte erhöhen.

Nichtsdestotrotz bestätigte die Bundesnetzagentur das sogenannte Mischpreisverfahren im Mai 2018 und erklärte dessen Einführung zum 12. Juli 2018 (Quelle: Bundesnetzagentur).

Das Mischpreisverfahren in der Realität

Ab dem 13. Juli 2018 wurden allerdings die alten Ausschreibungsregeln wiederverwendet. Das Oberlandesgericht Düsseldorf suspendierte das Mischpreisverfahren nach nur zwei Tagen, auf Antrag von Next Kraftwerke.

Die Aufschiebung galt zunächst bis zum 15. Oktober 2018, um den Unternehmen die Umsetzung besser zu ermöglichen.

Nach Inkrafttreten des neuen Verfahrens für die Bezuschlagung von Geboten in der Sekundärregelung (SRL) und Minutenreserve (MRL) Mitte Oktober 2018 haben sich die Gebotsstrategien der Teilnehmer am Regelenergiemarkt stark geändert.

Wie erwartet, konnten höhere Leistungspreise und niedrigerer Arbeitspreise beobachtet werden (Quelle: FFE).

Im Laufe der Zeit mehrten sich allerdings die Zeichen dafür, dass das neue Verfahren ebenfalls hohe Preise und Mitnahmeprofite ermöglicht.

An verschiedenen Tagen des Juni 2019 mussten die Übertragungsnetzbetreiber plötzlich sehr viel mehr an Regelleistung nutzen als prognostiziert.

Daher verdoppelten die Netzbetreiber die Ausschreibungsmenge der positiven MRL auf etwa 2000 MW. Dies wiederum führte dazu, dass Anbieter mit vorhandenem Leistungsportfolio in ihrem Kraftwerkspark sehr hohe Preise in die Ausschreibung gaben.

Erneut trat eine Preisspitze auf. Diesmal allerdings im Leistungspreis und nicht im Arbeitspreis.

So konnte ein Marktakteur am 29. Juni 2019 zwischen 12 und 16 Uhr einen Leistungspreis von 37.856 EUR/MW in der positiven MRL erfolgreich platzieren. Im Vergleich dazu lag der Preis in der vorherigen Zeitscheibe von 8 bis 12 Uhr bei nur 152 EUR/MW.

Der Anbieter konnte eine Leistung von 96 MW trotz seines extrem hohen Preises anbieten und verdiente innerhalb der vier Nachmittagsstunden etwa 3,5 Mio. EUR. Eine detaillierte Beschreibung des Vorgangs finden Sie hier.

Im Allgemeinen führt das Mischpreisverfahren zu höheren Vorhaltungskosten. Abbildung 2 vergleicht die Vorhaltungskosten der SRL und MRL vor und nach der Einführung des Mischpreisverfahrens.

Vergleich der Vorhaltungskosten für SRL und MRL im Leistungspreis und im Mischpreisverfahren, Mischpreisverfahren, Energy Brainpool

Abbildung 2: Vergleich der Vorhaltungskosten für SRL und MRL im Leistungspreis und im Mischpreisverfahren (Quelle: Next Kraftwerke)

Bei gleichzeitig steigenden Leistungspreisen sanken die Arbeitspreise und somit auch die Ausgleichsenergiepreise. Dies reizt Bilanzkreisverantwortliche dazu an, weniger in die Prognoseverbesserung zu investieren, um ihren Bilanzkreis ausgeglichen zu halten.

Darüber hinaus kann dies zu hohem und kurzfristigem Regelleistungsbedarf führen und somit erneut entsprechend hohe Preisspitzen und Profite durch den Leistungspreis ermöglichen (Quelle: Energie Chronik).

Das Ende des Mischpreisverfahrens

Rund ein Jahr nach Einführung des Mischpreisverfahrens hat das Oberlandesgericht Düsseldorf am 22. Juli 2019 das neue System für ungültig erklärt. Damit folgte das Gericht der Argumentation von Next Kraftwerke.

Die Bundesnetzagentur erklärte, dass sie keine weiteren rechtlichen Schritte erwägt und das alte System mit separaten Leistungs- und Arbeitspreisen wieder in Kraft tritt (Quelle: Energie Chronik).

Ein für das Elektrizitätsversorgungssystem so fundamental wichtiger Markt, wie der Regelenergiemarkt darf nicht Objekt der Spekulation und der Profitmaximierung durch die Marktteilnehmer werden.

Deshalb sind verlässliche, klare und möglichst wenig manipulierbare Regelungen für die Regelleistung so wichtig.

Die Vorbereitungen für die Einführung eines neuen Marktdesigns für den Regelenergiemarkt sind voll im Gange. So fordert die Guideline on Electricity Balancing der Europäischen Kommission, dass Nationalstaaten Regelarbeitsmärkte einführen.

Was dies bedeutet, ab wann die neuen Regelungen gelten und was sich alles verändert, erfahren Sie im dritten und letzten Teil unserer Serie zum Regelenergiemarkt.