Mit fortschreitender Transformation des Energiesystems zu erneuerbaren Energien, verstärkter Sektorkopplung und Elektrifizierung verändern sich auch die Netzinfrastrukturen. Die Betreiber von Strom- und Gasnetzen müssen sich hier vorbereiten.
In dieser Analyse werden die aktuellen Szenariorahmen für die Netzentwicklungspläne Gas und Strom insbesondere im Hinblick auf grüne Gase und Power-to-Gas untersucht. Wie sehen die Strom- und Gasnetzbetreiber die zukünftige Entwicklung des Energiesystems?
Welche Veränderungen werden aus Sicht der Infrastrukturbetreiber in dieser Dekade die größten Auswirkungen haben? Und wachsen die Netze und Märkte für Gas und Strom näher zusammen? Diesen und weitere Fragen gehen wir in dieser Kurzanalyse nach.
Hierzu dienen als Basis vor allem der Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan Gas 2020-2030, den die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) im Dezember 2019 veröffentlicht haben.
Darüber hinaus ist der Entwurf des Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2035 der Übertragungsnetzbetreiber aus dem Januar 2020 relevant.
Im Speziellen beleuchten wir die Verbindung der beiden Infrastrukturen bezüglich grüner Gase und Power-to-Gas. Vorab geht es um die wichtigsten Kerninformationen aus den beiden Rahmendokumenten für die Netzentwicklungspläne (NEP) der deutschen Energienetzinfrastrukturen.
Der Szenariorahmen Gas 2020-2030
Den Szenariorahmen für den NEP Gas 2020-2030 haben die FNB des Gasnetzes im Jahr 2019 erarbeitet. Die Bundesnetzagentur bestätigte den Szenariorahmen Anfang Dezember 2019.
Projekte zu grünen Gasen und Power-to-Gas sind das erste Mal Teil des Szenariorahmens. Ebenso wie die Umstellung von L- auf H-Gas und die Zusammenlegung des Marktgebiets zum 1. Oktober 2021 bilden die genannten Projekte einen weiteren Schwerpunkt.
Verschiedene Szenarien zur Entwicklung (indexiert) des deutschen Gasendenergieverbrauchs sind in Abbildung 1 dargestellt.
Die zwei Szenarien des Szenariorahmen Gas basieren auf dena-TM95 (Szenario I) und EUCO30 (Szenario II). Die FNB präferieren Szenario I, welches von einer deutlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland um 95 Prozent, aber auch einem steigenden Bedarf nach Gas bis 2050 ausgeht.
Der Gasbedarf steigt darin von 968 TWh in 2017 auf 1054 TWh in 2030. Hauptursache dieses Anstiegs ist ein höherer Gasverbrauch im Industriesektor, im Verkehr und im nicht energetischen Verbrauch.
Der Gasbedarf in den Haushalten geht aber bis 2030 um 25 Prozent zurück. Nach dena-TM95 würden etwa 60 Prozent dieses Gasbedarfs im Jahr 2050 durch synthetisches Methan gedeckt werden.
Grüne Gase und Power-to-Gas
Durch eine Umfrage Mitte 2019 haben die FNB derzeit geplante Grüngas-Projekte in Deutschland klassifiziert und beschrieben. Die Erzeugung von und der Bedarf nach grünem Wasserstoff, sowie die Elektrolysekapazität dieser Projekte ist in Abbildung 2 zu sehen.
Aus den bisher geplanten Projekten folgt, dass der Bedarf nach grünem Wasserstoff laut FNB in 2030 etwa dreimal so groß ist wie die Mengen, die in Deutschland erzeugt werden.
Allerdings gehen in die Modellierung der FNB höhere Elektrolysekapazitäten ein genauer gesagt eine Leistung von 1,5 GW in 2025 und 7,5 GW im Jahr 2030.
Am 1. Juli 2020 wollen die FNB auch den Entwurf des NEP Gas 2020–2030 veröffentlichen, in welchem eine zusätzliche Modellierungsvariante für grüne Gase enthalten ist.
Die FNB haben Ende Januar 2020 ebenfalls eine Vision für ein deutschlandweites Wasserstoffnetz vorgelegt. Es baut zu 90 Prozent auf dem bereits bestehenden Erdgasnetz auf und weist eine Gesamtlänge von 5900 km auf (Quelle: FNB Gas).
Der Szenariorahmen Strom 2035
Der Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) für den Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan 2035 wurde Mitte Januar 2020 veröffentlicht.
Im Detail berücksichtigt der Entwurf die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, wie Treibhausgasneutralität bis 2050 und den Kohleausstieg. In allen Szenarien sieht der Entwurf einen steigenden Stromverbrauch vor.
Dieser kommt aufgrund zunehmender Elektrifizierung in den Sektoren Wärme und Verkehr, als auch dem Einstieg in Power-to-X-Technologien zustande.
Abbildung 3 zeigt die verschiedenen Bruttostromnachfragen nach Anwendung, wobei die Progressivität der Szenarien in Bezug auf Sektorenkopplung und Elektrifizierung von A nach C ansteigt.
Es wird deutlich, dass die Stromnachfrage innerhalb der nächsten 15 Jahre von knapp unter 600 TWh in den letzten Jahren auf 638 TWh laut Szenario A, 670 TWh laut Szenario B auf bis zu 729 TWh laut Szenario C ansteigt.
Um bei steigendem Strombedarf das Ziel von 65-Prozent erneuerbaren Energien im Jahr 2030 zu erreichen, steigt der Ausbau von PV und Wind stärker an, als die heute existierenden politischen Ziele vorgeben.
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostrombedarf erreicht mit den von den ÜNB angenommen Ausbauzahlen für Wind und Solar 73 bis 77 Prozent im Jahr 2035.
Ebenfalls gehen die ÜNB laut Szenariorahmen davon aus, dass die installierte Leistung von Elektrolyseuren je nach Szenario auf 3, 5 oder 8 GW bis 2035 ansteigt.
Die Grüngas-Projekte aus dem Szenariorahmen Gas 2020-2030 haben wir hierbei schon berücksichtigt.
Ähnlich erhöht sich auch die resultierende Stromnachfrage durch Power-to-Gas-Anlagen. In Szenario A würde diese Nachfrage 9,3 TWh, in Szenario B 16,3 TWh und in Szenario C 20,8 TWh betragen. Dies entspräche mehr als einem Drittel der zusätzlichen Stromnachfrage durch Elektrofahrzeuge.
Power-to-Gas: Infrastrukturen zusammen betrachten
Die Gas- und Stromnetzinfrastrukturen sind durch konventionelle Gaskraftwerke, aber auch immer mehr durch Power-to-Gas-Anlagen verbunden. Die Szenariorahmen der FNB und ÜNB spiegeln dies auch wieder.
Während die installierte Leistung von Elektrolyseuren in beiden Berichten in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf bis zu 8 GW ansteigt, bleiben diese Zahlen jedoch hinter den Zielgrößen von energiewirtschaftlichen Studien zur Energiewende zurück.
Diese sehen etwa vor, dass bis 2030 eine elektrische Leistung von 16 GW installiert ist, während im Jahr 2050 Elektrolyseure mit einer Leistung von 40 bis 254 GW benötigt werden (Quelle: FNB Gas).
In jeden Fall macht die Veränderung des Energiesystems eine stärkere Verbindung der beiden Sektoren Strom und Gas notwendig. Nach bisherigem Stand wird in den nächsten Jahren ebenfalls mehr grüner Wasserstoff in Deutschland nachgefragt, als inländisch erzeugt werden kann.
Dies bedeutet, dass der Import von grünem Wasserstoff diese Differenz ausgleichen muss. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung will dieser Entwicklung Rechnung tragen (Quelle: PV Magazine).
So will die Bundesregierung beispielsweise den Bau und Betrieb von Elektrolyseuren mit einer Leistung von drei bis fünf GW unterstützen (Quelle: PV Magazine). Für die Netzbetreiber ist ebenfalls klar, dass Importe einen großen Teil der Nachfrage nach grünem Wasserstoff decken müssen (Quelle: PV Magazine).
Die Verflechtungen entlang der Wertschöpfungsketten der Gas- und Strommärkte werden intensiver. Gas ist nicht mehr nur ein Input für Gaskraftwerke. Vielmehr könnte Strom aus erneuerbaren Energien bald in Form von synthetischem Gas gespeichert und über die Gasinfrastruktur transportiert werden.
Wir bieten passend hierzu im März das Seminar „Schnittstellen zwischen Strom- und Gasmarkt“ an, bei welchem wir weitere Informationen zu Kopplung von Strom- und Gasmarkt, sowie neuer Geschäftsmodelle diskutieren werden.
8. März 2020
Die Energiewende gelingt mit dem Energiemix in Kombination mit dem Energie-Speicher Wasserstoff. Die Sektorkopplung ist erkannt als marktstabilisierend und das daraus resultierende Technologie- und Infrastruktur-Know How ist ein global boomender Job-Motor.
Dieter Mende für das Anwenderzentrum h2herten und für den Energie-Dialog EEZ.
11. März 2020
Hallo Herr Mende,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Wir freuen uns über Ihre Unterstützung!
Viele Grüße
Das Team von Energy Brainpool