Im bisherigen Verlauf von 2021 haben die Preise an den Energiemärkten Rekordhochs erreicht. Insbesondere die Kohle- und Gaspreise haben stark zugenommen und die höchsten Werte seit über einem Jahrzehnt erreicht. Diese Entwicklungen haben teilweise zu einem Backswitch von Gas- zur Kohleverstromung und damit in Verbindung mit steigenden CO2-Preisen auch zu hohen Strompreisen geführt. Im Folgenden wollen wir die Zusammenhänge etwas aufklären.
Die Preise der Frontmonate und Quartale für die Brennstoffe Steinkohle und Gas lagen in den vergangenen Wochen auf über 13-Jahres- und sogar Allzeithochs. Auf Seite der Kohlepreise führte global anziehende Stromnachfrage zu höheren Verbräuchen. Zusammen mit gleichzeitigen Liefereinschränkungen aufgrund von Streiks und Wetterereignissen in Kolumbien und Australien führte dies zu stark ansteigenden Preisen. So haben sich die Preise des API 2-Index für Steinkohle von knapp 70 USD/Tonne Anfang 2021 auf bis zu über 160 USD/Tonne im September mehr als verdoppelt.
Rekordhochs bei Kohle- und Gaspreisen
Die Gaspreise in der EU haben sich aufgrund des kalten ersten Halbjahres und geringer Speicherfüllstände nach oben bewegt. Auch geringe Lieferungen aus Russland und Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) in dem noch höherpreisigen asiatischen Raum haben dazu beigetragen. Seit Beginn des Jahres hat sich der Preis verdreifacht: Am liquidesten Gashandelspunkt in der EU, dem niederländischen TTF, stieg der Preis für das vierte Quartal 2021 von etwa 17 EUR/MWh Anfang 2021 auf über 55 EUR/MWh Anfang September.
Abbildung 1 stellt die normierten Preise der Terminmarktkontrakte Q4 2021 für den Steinkohlepreisindex API2 und den europäischen Referenzgaspreis am Handelspunkt TTF in den Niederlanden von Beginn 2020 bis zum 09. September 2021 dar. Aus der normierten Preisbewegung seit Beginn des letzten Jahres wird ersichtlich, dass sich die Preise insbesondere ab dem 2. Quartal 2021 sehr stark nach oben bewegt haben.
Kohleverstromung kommt zurück
Die Stromnachfrage in Europa ist gegenüber dem pandemie-induzierten Einbruch im Jahr 2020 wieder gestiegen. Gleichzeitig war die Windenergieeinspeisung gegenüber dem Durchschnitt im ersten Halbjahr 2021 sehr gering. In Deutschland hat die Stromerzeugung durch Windenergieanlagen an Land gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 21 Prozent verzeichnet, die Offshore-Anlagen einen Rückgang um 16 Prozent. Somit haben vermehrt thermische Kraftwerke Strom erzeugt. Die steigenden Brennstoffkosten und auch die höheren CO2-Preise von über 50 EUR/Tonne hatten somit einen preissteigernden Effekt auch auf die Strompreise.
Die genannten Effekte aus geringer Erzeugung aus erneuerbaren Energien und höherem Verbrauch führten zumindest in Deutschland zu einem deutlichen Plus der Kohleverstromung (Quelle: Fraunhofer ISE). Braunkohlekraftwerke, die zwar mit steigenden CO2-Preisen, jedoch nicht mit steigenden Brennstoffkosten kalkulieren mussten, erlebten im ersten Halbjahr 2021 einen Anstieg der Stromerzeugung von fast 38 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ebenso lag die Erzeugung der Steinkohlekraftwerke bis Ende Juni 2021 um 39 Prozent über den Werten aus den ersten sechs Monaten des Jahres 2020. Dennoch lag die Erzeugung aus Kohlekraft im ersten Halbjahr 2021 immer noch unter den Werten aus dem Jahr 2019. Abbildung 2 stellt die prozentualen Veränderungen in der Nettostromproduktion der unterschiedlichen Erzeugungstechnologien im ersten Halbjahresvergleich 2020 zu 2021 dar.
Fuel Switch oder Backswitch?
Trotz der stark gestiegenen Gaspreise findet in der Gesamtansicht immer noch ein Fuel Switch von Kohle zu Gas statt. So erzeugten die deutschen Gaskraftwerke in den ersten sechs Monaten dieses Jahres knapp 19 Prozent mehr Strom als in 2020 und 25 Prozent mehr Strom als in 2019. Der Anstieg der Kohleverstromung ist somit vor allem getrieben durch geringe erneuerbare Erzeugung und einer erhöhten Stromnachfrage, teilweise aber auch durch die hohen Gaspreise in diesem Jahr. Ein eindeutiger Backswitch von Gas zurück zur Kohle lässt sich jedoch trotz steigender Kohleverstromung in Deutschland noch nicht ausmachen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem das Verhältnis der Preisanstiege zwischen Kohle, Gas und CO2 zueinander. Liegt der Anstieg der CO2-Preise prozentual über dem Anstieg der Gaspreise, und steigen die Steinkohlepreise ebenfalls weiter, so sind die Erzeugungskosten der Steinkohlekraftwerke aufgrund höherer CO2-Intensitäten der Stromerzeugung in den meisten Fällen immer noch höher als die Stromerzeugungskosten moderner und effizienter Gaskraftwerke. Auch Braunkohlekraftwerke rutschen bei noch höheren CO2-Preisen als bisher langsam aber sicher in die Verlustzone. Dies würde je nach Gaspreis entweder zu einer höheren Gaserzeugung in Deutschland oder höheren Importen von Strom zur Deckung des Bedarfs führen. In den vergangenen Wochen lag der Anstieg der Gaspreise jedoch prozentual über dem der CO2-Preise, sodass Kohlekraftwerke teilweise wieder Gaskraftwerke aus dem Markt treiben.
In jedem Fall zeigt die derzeitige Entwicklung, die komplexen Zusammenhänge am Energiemarkt und das Zusammenspiel der verschiedenen Commodity-Preise mit den Verschiebungen im Erzeugungsmix auf.
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