Der Terminmarktpreis für Strom ist die jeweils aktuelle durchschnittliche Einschätzung der Händler über die Strompreise der Zukunft. Viele Faktoren, die im Voraus meist schwer abzuschätzen sind, müssen dabei von Händlern bedacht werden: Wie entwickelt sich das Angebot für Strom, also die verfügbare Einspeiseleistung der europäischen Kraftwerke und deren Kosten wie Gas-, Kohle- und CO2-Preise. Wie entwickelt sich die Nachfrage in ihrer Höhe aber auch in ihrer Struktur? Ein weiterer Faktor wird auch immer wichtiger: das Wetter.

Wetter- und Windverhältnisse haben Einfluss auf den Strompreis

Ein wesentlicher Faktor, der den Energiepreis beeinflusst ist das Wetter. Gibt es beispielsweise besonders viel Wind, können Windkraftanlagen mehr Strom generieren. Dadurch können konventionellen Kraftwerke herunterfahren, was wiederum zu einem niedrigeren Strompreis führt. Der an der Leipziger Energiebörse (EEX Phelix-DE Futures) gehandelte Terminmarktpreis für das Jahr 2020 beträgt momentan 47,45 EUR/MWh (Stand: 26.08.2019).

Das Wetter des nächsten Jahres kann nicht genau vorhergesagt werden kann. Aufgrund dieser Tatsache wurde der Faktor Wetter (insbesondere: Windstärke, solare Einstrahlung, Temperatur, Niederschlag) bei der Einschätzung des Terminmarkpreises nicht mit einkalkuliert bzw. gemittelt. Wie der Terminmarkt in den Strommärkten einzuordnen ist, sehen Sie in Abbildung 1.

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Abbildung 1: Übersicht der Strommärkte und Einordung des Terminmarktes Quelle: Energy Brainpool)

Das Einbeziehen von Wetterszenarien für 2020 führt zu einer Streuung von möglichen fundamentalen Abweichungen des tatsächlich gehandelten Preises.

Bewertung des Terminmarktpreis 2020 durch Vergleich mit den Wetterjahren 2007–2016

Mithilfe des Fundamentalmodells Power2Sim können durch die Einbindung verschiedener Faktoren Preisszenarien für das nächste Jahr bestimmt werden. Die Szenarien zeigen mögliche Abweichungen vom derzeitig gehandelten Terminmarktpreis für 2020 auf. So generiert das Modell, wie hoch beispielsweise der Strompreis in 2020 läge, wenn im nächsten Jahr die gleichen Wetterverhältnisse wie in einem der zwölf Jahre zuvor herrschen würden.

Um ein bestmögliches Abbild der Entwicklung des Strommarktpreises mit Einfluss des Wetters in 2020 zu modellieren, wurden die Daten mehrerer Wetterjahre (2007-2016) hinzugezogen. So bestimmen wir, wie der Strompreis des nächsten Jahres allein durch diese verschiedenen Wetterszenarien variieren könnte (siehe Abbildung 1).

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Abbildung 2: Basepreis Strom, Deutschland 2020 [in EUR/MWh], wenn Wetter wie in den Jahren 2007–2016 im Vergleich zu Terminmarktpreis 2020 (Stand: August 2019; Quelle: Energy Brainpool)

Wäre das Wetter wie in 2007 (besonders windig), würde der Strompreis in 2020 fast 4,40 EUR unter dem Terminmarktpreis (DEBY 2020) liegen. Die Händler würden den Strommarktpreis des nächsten Jahres um circa 9,2 % zu hoch einschätzen, den Preis also überbewerten.

Im Gegensatz dazu würde eine Unterbewertung der Strompreisentwicklung auftreten, wenn 2020 besonders wind-arm wäre (wie das Jahr 2010). Gemäß dem fundamentalen Modell wäre ein Strompreis von 50,90 EUR/MWh zu erwarten, der den Terminmarktpreis um fast 3,49 EUR übersteigt.

Wird der gesamte Zeitraum 2007–2016 ausgewertet, so ergibt sich ein Mittelwert von 46,74 EUR/MWh. Das heißt, berücksichtigen wir die unterschiedlichen Wetter- und Windverhältnisse innerhalb einer Periode von zwölf Jahren, lässt sich für 2020 ein Strompreis von ungefähr 46,74 EUR/MWh prognostizieren.

Die fundamentale Sichtweise zeigt einen leicht überbewerteten Terminmarktpreis (47,45 EUR/MWh) durch die Händler. Gründe hierfür können in der Antizipation und Bewertung möglicher Ereignisse in der Zukunft sein. Dazu zählen beispielsweise der Brexit, der Rückgang der Kohlekraftwerksleistung oder eine veränderte Nachfrage durch die wirtschaftliche Entwicklung. Im letzteren Fall sprechen wir von einer Rezession in Deutschland. Dies wird von vielen Wirtschaftsexperten als mögliches Szenario für 2020 gesehen und hätte einen negativen Effekt auf die Strompreisentwicklung.

Einfluss einer Rezession auf den Strommarktpreis – und welche Bedeutung das für den Terminmarktpreis 2020 hat

Der Bruttostromverbrauch (BSV) schwankt im Zeitraum 2006 bis 2017 um die 600 TWh. Besonders auffällig ist das Jahr 2009 mit einem starken Rückgang des Verbrauchs (-5,95 %) im Vergleich zum Vorjahr (siehe Tabelle 1).

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Tabelle 1: Vergleich Veränderung des jährlichen Bruttostromverbrauchs mit der Wirtschaftswachstumsquote, 2006-2017 (Quelle: Energy Brainpool)

Diese Schwankungen des Bruttostromverbrauchs (Veränderung BSV in %) zeigen im direkten Vergleich mit der jeweiligen jährlichen Wirtschaftswachstumsquote zwei Tatsachen: Einerseits das im Jahr 2009 am wenigsten Strom verbraucht wurde. Andererseits, dass 2009 das einzige Jahr dieser Periode mit einer negativen Wirtschaftswachstumsquote war. Verursacht wurde dieser Einbruch des Wachstums durch die Weltwirtschaftskrise.

Somit lässt sich feststellen, dass eine Rezession einen negativen Einfluss auf den BSV, also die Stromnachfrage hat. Der Rückgang der Nachfrage führt am Strommarkt zu einem niedrigeren Preis. Dementsprechend würde eine Rezession im Jahr 2020 auch die zukünftige Strompreisentwicklung beeinflussen.

Angenommen, eine Rezession ruft immer eine Veränderung des BSV um -6 % im Vergleich zum Vorjahr hervor. Dann wäre beim eintreffenden Szenario „Rezession im Jahr 2020“ ein BSV (2020) von rund 563 TWh zu erwarten (BSV im Jahr 2019: 599 TWh).

Starke Überbewertung des Terminmarktpreises für 2020 durch Einbeziehung der Faktoren Wetter und Rezession

Wird der Faktor Rezession im Fundamentalmodell Power2Sim genauso wie den Faktor Wetter auf den modellierten Strommarktpreis für 2020 angewendet (zuvor bestimmt als Strompreis 2020 [„Wetter“] = 46,74 EUR/MWh), so wird vom Modell ein Strommarktpreis für 2020 [„Wetter“ und „Rezession“] von 43,63 EUR/MWh berechnet.

Beim Vergleich dieser Preisprognose mit dem gehandelten Terminmarktpreis (47,45 EUR/MWh) zeigt sich aus fundamentaler Sicht eine starke Überbewertung des Strompreises des nächsten Jahres (um 3,48 EUR überbewertet).

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Händler eine mögliche Rezession im Jahr 2020 nicht berücksichtigen und diese nicht (vollständig) eingepreist haben.

Allerdings wirkt sich eine Rezession auf alle Wirtschaftszweige aus und der Stromverbrauch ist nur eine der sich verändernden Variablen. Wie sich die Strompreise, bei in einer Wirtschaftskrise fallenden Brennstoffpreisen, entwickeln, ließe sich in weiteren Szenarien untersuchen.

Mögliche Folgen eines Brexits

Die Meldungen der „Wirtschaftweisen“ im August zu einer möglichen Rezession und dem drohenden Brexit lässt im nächsten Jahr ein Anstieg der Commodity-Preise wahrscheinlich werden. Gleichzeitig ist auch ein Fall der CO2-Zertifikatspreise möglich.

Der Brexit könnte zur Folge haben, dass britische CO2-Zertifikate den EU ETS-Markt erneut mit Zertifikaten überfluten. Dagegen haben steigende Commodity-Preise und fallende Zertifikatspreise gegensätzliche Wirkungen auf die Entwicklung des Strompreises.

Zusammenfassend lässt sich schlecht abschätzen, ob der aktuelle Terminmarktpreis für 2020 diese vielfältigen Risiken angemessen abbildet.