Die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren, ist das Gebot der Stunde. Dabei werden LNG-Terminals für flüssiges Erdgas auch bald in Deutschland eine wichtige Rolle spielen. Die Idee, Importterminals für Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas: LNG) an der deutschen Küste zu bauen, ist schon einige Jahre alt. Allerdings war die politische Unterstützung für den Bau der geplanten Anlagen in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade begrenzt. Auch die Investitionsentscheidungen der wirtschaftlichen Akteure zogen sich lange hin, wurden auf Eis gelegt oder die Planungen verliefen nur sehr langsam.
Nun muss alles auf einmal sehr schnell gehen. Aus diesem Grund beantworten wir in diesem Beitrag die wichtigsten Fragen:
- Welche LNG-Terminals sind geplant?
- Wann können die Terminals in Betrieb gehen?
- Wie hoch werden die Importkapazitäten sein?
- Und was bedeuten sie für den Klimaschutz?
Warum ist LNG notwendig?
Die Invasion der Ukraine durch Russland hat für alle Akteure in Deutschland klargestellt: Eine Diversifizierung der Gasimporte ist dringend notwendig. Zudem kann die große Abhängigkeit von russischem Gas die Versorgungssicherheit Deutschlands bei einem Lieferstopp stark beeinträchtigen.
So hat Russland die Gaslieferung nach Polen und Bulgarien Ende April gestoppt. In einer Analyse vom März 2022 betrachten wir die deutsche und EU-weite Versorgungslage bei unterschiedlichen Lieferszenarien von Gas aus Russland. Dabei wird klar, eine Lieferlücke lässt sich kurzfristig nur durch reduzierten Verbrauch schließen. Mittelfristig werden neue Regasifizierungskapazitäten für flüssiges Erdgas in Europa und besonders für Deutschland benötigt. Dadurch kann sich Europa von russischen Gaslieferungen unabhängig machen.
Deutschland verbraucht derzeit jährlich etwa 90 Mrd. Kubikmeter Erdgas. Mehr als die Hälfte davon kam in 2020 noch über Pipelines aus Russland. Auch die EU war in 2021 noch stark von russischem Gas abhängig, welches 45 Prozent der Importe ausmachte. Jedoch wurden in der EU letztes Jahr schon knapp 15 Prozent der Importe durch LNG etwa aus den USA oder Katar geleistet, wie Abbildung 1 zeigt. Weitere 10 Mrd. Kubikmeter kamen über das Mittelmeer aus Algerien (Quelle: EU Commission und Reuters).
Um die deutsche Abhängigkeit zu verringern, soll LNG sehr kurzfristig über schwimmende Terminals, sogenannte FSRU (Floating Storage and Regasification Units) nach Deutschland kommen. Zunächst können diese schwimmenden LNG-Terminals das auf etwa -163 Grad Celsius abgekühlte, flüssige Erdgas von einem LNG-Tanker aufnehmen. In einem weiteren Schritt wird das noch flüssige Erdgas regasifiziert und dann über eine Anbindungspipeline an Land gebracht. Dort kann es in das Gasnetz eingespeist werden. Auch die Pläne für die landseitigen größeren LNG-Importterminals sollen reaktiviert werden.
Was ist kurzfristig geplant?
Der Bau der Anlagen an Land muss erst beginnen. Unter normalen Rahmenbedingungen ist für Planung, Genehmigung und den Bau ein Zeitrahmen von fünf oder mehr Jahren realistisch. Für die vorgesehenen LNG-Importterminals in Brunsbüttel und Stade dürfte eine Inbetriebnahme auch mit starker politischer Unterstützung daher erst ab 2024 oder später erfolgen. Das Terminal in Wilhelmshaven hingegen könnte schon im Winter 2023/2024 importiertes LNG aus den USA oder Katar regasifizieren und in das deutsche Gasnetz einspeisen.
Eine Reihe von FSRUs sollen schon früher auf See vor der deutschen Küste stehen. Bisher hat sich Deutschland vier Spezialschiffe auf dem Weltmarkt reserviert. Die Anlandung des ersten Flüssigerdgases soll schon zum Jahreswechsel 2022/2023 von einem schwimmenden Terminal vor Wilhelmshaven geschehen. Insgesamt kann es bis zu 20 Prozent der Gasimporte aus Russland ersetzen. Den ersten Rammschlag – was einem Spatenstich gleichzusetzen ist, nur eben auf See – gab es bereits am 05. Mai 2022. Ein weiteres Schiff ist für eine Stationierung Anfang 2023 in Brunsbüttel vorgesehen (E&M, Tagesspiegel).
Wie sieht es mittelfristig aus?
Nach Plänen der Bundesregierung sollen zwei weitere schwimmende Terminals bei Stade, Rostock, Hamburg-Moorburg oder Eemshaven in den Niederlanden angemietet und über zehn Jahre betrieben werden. Für die Beschaffung der vier Terminals stehen insgesamt 2,94 Mrd. EUR aus dem Haushalt der Bundesregierung zur Verfügung (Quelle: BMWK, Tagesschau).
Die Bundesregierung arbeitet derzeit mit Hochdruck an einem LNG-Beschleunigungsgesetz (Hintergrundpapier des BMWK). Es soll Bau und Betrieb von schwimmenden aber auch der landseitigen Terminals durch Verkürzung von Genehmigungsverfahren und weniger strengen Umweltauflagen stark beschleunigen. Gleichzeitig ist eine Befristung der Genehmigung von LNG-Importterminals bis Ende 2040 vorgesehen. Reichen die Anlagenbetreiber bis 2035 einen Genehmigungsantrag zur Umstellung der Anlagen auf Nutzung von grünem Wasserstoff oder anderen grünen Derivaten ein, können die Terminals auch nach 2040 weiterlaufen (Quelle: DUH).
Kapazitäten bereits bestehender Terminals in Europa
In vielen europäischen Ländern existieren schon seit einigen Jahren LNG-Importterminals, insgesamt 37 Stück, davon 26 in Mitgliedsstaaten der EU. Zwischen 20 und 30 weiteren Importterminals sind derzeit in Planung. Die Kapazität der bestehenden Regasifizierungsterminals des Kontinents liegt bei knapp 250 Mrd. Kubikmeter pro Jahr (Quelle: Chemie Technik).
Besonders hoch sind die Kapazitäten in Spanien mit 60 Mrd. Kubikmeter, da die iberische Halbinsel nur sehr bedingt an das Gasnetz Mitteleuropas angeschlossen ist. Aber auch Großbritannien, die Türkei und Frankreich haben beträchtliche LNG-Importkapazitäten, wie Abbildung 3 deutlich macht. Länder wie Litauen und Polen haben zwar nur jeweils ein Terminal von vier beziehungsweise fünf Mrd. Kubikmeter, können ihren Gasbedarf aber zu großen Teilen darüber beziehen.
Welche Kapazitäten sollen die Terminals in Deutschland haben?
Die geplanten Terminals in Deutschland sollen eine beachtliche Kapazität haben. Der Ausbau der vier schwimmenden LNG-Terminals soll bis zum Sommer 2024 schrittweise auf eine Kapazität von 33 Mrd. Kubikmeter pro Jahr stattfinden, so das BMWK in seinem zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit. Bis zum Winter 2022/2023 könnten bereits 7,5 Mrd. Kubikmeter LNG für den deutschen Markt bezogen werden können.
Mit der Fertigstellung der Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven mit jeweils etwa 8 Mrd. Kubikmeter an Regasifizierungskapazitäten könnten ab 2026 zwischen 45 und 50 Mrd. Kubikmeter LNG nach Deutschland geliefert werden. Dies würde Deutschland auf Rang 2 oder 3 der größten europäischen LNG-Importeure katapultieren. Die möglichen Importe entsprächen dann auch etwa dem Import von Erdgas aus Russland in den vergangenen Jahren. Die Abhängigkeit von russischem Erdgas könnte durch weitere Maßnahmen zur Energieeffizienz und -einsparung schon ab 2024 auf nur noch 10 Prozent reduziert werden (Quelle: BMWK).
Diversifizierung mit langfristiger Perspektive
Das Chartern der FSRUs, sowie der Bau der neuen LNG-Terminals wirft jedoch auch Fragen auf. Einerseits beginnt ein Ausbau neuer Infrastruktur für fossile Energieträger mit teilweiser staatlicher Finanzierung. Andererseits könnten Überkapazitäten entstehen, die bestehende Energieverbrauchsmuster zementieren. Daher muss auch in der Extremsituation eines Krieges dem Zieldreieck zwischen Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden.
Aus diesem Grund sollen laut BMWK in Deutschland die Infrastrukturen und landseitigen Terminals so geplant und gebaut werden, dass sie für den Import von grünem Wasserstoff oder anderen Derivaten, wie grünem Ammoniak, geeignet sind (Quelle: BMWK). Das von Uniper geplante Terminal in Wilhelmshaven soll entweder mit einem Anlandeterminal für grünes Ammoniak gebaut werden oder zumindest soll die Umstellung auf grüne Import-Produkte möglich sein (Quelle: Recharge).
Ebenso planen RWE und Gasunie, das Brunsbüttler Terminal so zu bauen, dass es anschließend einfach auf den Import von grünem Ammoniak umgestellt werden kann. Gleichzeitig ist hier bereits ein Terminal für grünes Ammoniak neben dem LNG-Terminal in Planung. Darauf aufbauend kann aus dem grünen Ammoniak dann in einem weiteren Schritt grüner Wasserstoff hergestellt werden (Quelle: RWE).
Was bedeutet das für den Klimaschutz?
Auch zukünftig wird Deutschland von Energieimporten aus dem Ausland abhängig sein. Beispielsweise ist der Import von grünem Ammoniak oder Wasserstoff insbesondere für die Dekarbonisierung von Industrieprozessen und Teilen des Verkehrs relevant. Der Krieg in der Ukraine hat alte Gewissheiten über Bord geworfen. Der Bau von LNG-Terminals kann mittelfristig die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren. Zudem muss der Ausbau dieser Infrastrukturen eine Auslegung vorweisen, um mittel- und langfristige Klimaziele zu erreichen.
Hier geht es zum letzten Beitrag, bei dem das Thema einer europäischen Unabhängigkeit von russischen Energieimporten im Fokus steht >> Energiemarkt-Rückblick April 2022.
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