In einer neuen Studie im Auftrag von Greenpeace e. V. hat Energy Brainpool einen Kohleausstiegspfad skizziert. Der Entwurf zeigt, wie die Klimaziele erreicht werden können und gleichzeitigt die Versorgung sicher gestaltet sein kann. Zur Senkung der Kosten im Gesamtsystem ist auf der einen Seite ein enormer Zubau der mittlerweile günstigsten Stromerzeugung aus Wind und Solar notwendig. Um auf der anderen Seite die Versorgung abzusichern, müssen auch neue Gaskraftwerke gebaut werden. Zusätzlich braucht es Grenzkuppelkapazitäten und Flexibilitätsoptionen.

Hintergrund ist der Beschluss des Pariser Klimaschutzabkommens. Darin festgelegt ist, die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken. Dies kann nur mit einer zunehmenden Dekarbonisierung, auch seitens der Energiewirtschaft, erfolgen. Greenpeace hat Energy Brainpool mit der Untersuchung beauftragt, wie sich ein kompletter Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 konkret auf Kohlenstoffdioxidemissionen und die Energiewirtschaft auswirkt. Ob die Klimaziele erreicht werden, lässt sich über das Carbon Budget messen. Es gibt an, wie viel klimaaktive Gase in die Atmosphäre emittiert werden dürfen, um die Klimaziele möglichst noch zu erreichen.

Bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Sektoren in Deutschland errechnet sich ein CO2-Budget von maximal 3,7 Mrd. t CO2 für den Energiesektor. Bei weiter konstanten Emissionen wäre dieses CO2-Budget bereits nach zwölf Jahren aufgebraucht. Die Experten von Energy Brainpool haben den Kohleausstiegspfad untersucht und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Es ergeben sich von 2015 bis 2030 Emissionen von 1,22 Mrd. t CO2 aus der Braunkohleverstromung und 1,16 Mrd. t CO2 aus der Steinkohleverstromung sowie anderen festen fossilen Brennstoffen.

Kumulierte CO2-Emissionen aus der Verstromung von Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Öl als Ergebnis der Strommarktmodellierung bei einem Kohleausstieg bis 2030 in Mt

Abbildung 1: Kumulierte CO2-Emissionen aus der Verstromung von Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Öl als Ergebnis der Strommarktmodellierung bei einem Kohleausstieg bis 2030 in Mt, Quelle: Energy Brainpool

In der Studie wurden ein Zielsystem 2030 und der Weg dorthin untersucht. Als Rahmenparameter ist ein Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch definiert, bei einem Ausstieg aus der Braun- und Steinkohleverstromung bis 2030 und einer Zunahme des Stromverbrauchs durch die Sektorenkopplung. Zur Absicherung der Stromversorgung hat Energy Brainpool einen Zubau von Gaskraftwerken angenommen. Die Veränderungen der installierten Kraftwerkskapazitäten im Zielsystem von 2022 und 2030 sind in folgender Tabelle dargestellt:

Angenommene Veränderung in den installierten Kraftwerkskapazitäten bis 2022 und 2030 in GW

Tabelle 1: Angenommene Veränderung in den installierten Kraftwerkskapazitäten bis 2022 und 2030 in GW, Quelle: Energy Brainpool

Der in der Studie gewählte Kohleausstiegspfad wurde über einen Multikriterien-Ansatz unter verschiedenen Maßgaben entwickelt. Dazu zählen: die Gesamtemissionen in der Restlaufzeit der Kohlekraftwerke möglichst zu minimieren (ökologische Merit-Order), bereits geplante Stilllegungen zu berücksichtigen und keine Verwerfungen im Strommarkt durch zu große Kapazitätsreduktion in einem Jahr hervorzurufen.

In der vorgeschlagenen Stilllegungsliste werden innerhalb der aktuellen Dekade 17,8 GW der 46,6 GW Stein- und Braunkohleleistung stillgelegt. Bis 2029 werden die übrigen Stein- und Braunkohlekraftwerke schrittweise vom Netz genommen. Insgesamt werden für dieses Szenario 21,4 GW Braun- und 25,2 GW Steinkohlekraftwerke abgeschaltet.

Beim modellierten Umbau der Kraftwerkslandschaft verlassen mit Kohle- und Kernkraftwerken Erzeugungskapazitäten mit niedrigen Grenzkosten und mittlerer bis geringer Flexibilität den Strommarkt. Bei geringer Einspeisung aus Wind und Sonne übernehmen Gaskraftwerke und Stromimporte die Stromerzeugung und wirken preisbestimmend. Bei hoher Einspeisung ergibt sich nur eine geringe Produktion aus Gaskraftwerken und Strom wird exportiert.

Dadurch ergeben sich bei der Preisentwicklung verschiedene Effekte mit zum Teil konträrem Einfluss: Auf der einen Seite wirkt der Zubau von Solar und Wind strompreissenkend. Auf der anderen Seite wird in Zeiten von Stromknappheit die Nachfrage durch teurere Erzeugung oder Importe ersetzt. Insgesamt betrachtet führt das zu einem Anstieg der Strompreise auf 54 EUR/MWh bis 2030. Dies ist auch an die Entwicklung der Erdgas- und EUA-Preise gekoppelt. Ein Strompreisanstieg auf über 70 EUR/MWh bis 2030 ist auch in einem Business-as-Usual-Szenario zu erwarten, in welchem die Klimaziele deutlich verfehlt würden. Auf Seiten der Großhandelspreise wäre ein starker Zubau der erneuerbaren Energie bei einem Kohleausstieg im derzeitigen Förderregime also sogar preissenkend. Die EEG-Umlage hingegen steigt unter Annahme einer weiterhin starken Kostendegression bis 2030 leicht auf 6,99 ct/kWh an (2017: 6,88 ct/kWh).

Der Strom- und der Wärmesektor sind durch KWK-Anlagen miteinander verbunden. Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung hat damit auch Auswirkungen im Wärmesektor. Durch den Zubau von Gaskraftwerken wird auch der Gas-KWK-Anteil erhöht. Die vom Kohleausstieg betroffene Fernwärmeerzeugung kann zu einem signifikanten Anteil kompensiert werden. Möglich ist  das durch die im nationalen Energieeffizienz-Aktionsplan unterstellte Reduktion des Wärmebedarfs von umgerechnet 1,7 Prozent p.a. bei einer Ausweitung bis 2030. Eine vollständige Kompensation über die neuen Gas-KWK ist prinzipiell möglich, wenngleich unter Berücksichtigung der konventionellen Mindesterzeugung durch KWK nicht per se sinnvoll. Als Fallbeispiele eines Umbaus der Fernwärmeversorgung wurden in der Studie für Berlin und Hamburg technische Alternativen betrachtet.

Die komplette Studie von Energy Brainpool finden Sie zum Download ebenso wie die dazu veröffentlichte Pressemitteilung.

Autoren Blogbeitrag: Fabian Huneke und Marie-Louise Niggemeier