Lernen muss Spaß machen, sonst hat es keinen Effekt. Der gezielte Einsatz von spielerischen Elementen (Gamification) in Trainings hilft dabei,  eine positive Lernumgebung zu erzeugen. Darüber hinaus macht es die Teilnehmenden für viele neue Informationen empfangsbereiter.

Einleitung

Achim und Laura sollen einen Zettel ausfüllen, einen Gebotszettel. Sie sitzen vor ihrem Spielbrett, das Portfolio ihres Kraftwerksparks besteht aus bunten Plättchen. Währenddessen überlegen sie: Welches Kraftwerk hat die höchsten Grenzkosten?

Ist die Nachfrage ihrer eigenen Kunden bereits gedeckt? Sollten sie spekulieren oder lieber nicht? Wie verhalten sich die anderen Kursteilnehmenden, ihre Konkurrenten am Strommarkt?

Diese typische Situation aus dem Planspiel zum Kurzfristmarkt der Stromwirtschaft hat es in sich. Die Teilnehmenden sind in die Rolle eines Stromhändlers geschlüpft und versuchen in Zweiergruppen ihre Gewinne zu maximieren.

Nachdem der Spielleiter die Day-Ahead-Auktion geschlossen und ausgewertet hat, folgt der kontinuierliche Intraday-Handel. Auch hier sind wieder Gebotszettel auszufüllen. Doch im Gegensatz zur geschlossenen Auktion wird beim Intraday-Handel mit einem offenen Orderbuch an der Pinnwand gespielt.

Bei politischen Ereignissen oder Wetteränderungen entsteht plötzlich Hektik im Raum, denn die Teams müssen nun kaufen oder verkaufen. Sie geben neue Gebote ab oder ändern ihre bestehenden. Die Gesichter der Teilnehmenden sind – je nach Handelserfolg – teils fröhlich, teils nachdenklich.

Lebenslanges lernen – wir sind mittendrin

Schulungen und Weiterbildungen sind heutzutage gewöhnliche Maßnahmen der Qualifizierung. Beschäftige quer durch alle Branchen müssen sich immer wieder mit neuen Themen befassen. Das gilt auch ganz besonders für die Energiewirtschaft mit ihren vielfältigen Herausforderungen.

Über Jahre hinweg die gleiche Tätigkeit durchzuführen, entspricht weder den Anforderungen der Wirtschaft noch den Bedürfnissen der Belegschaft. Schulungen an einer neuen Software, Trainings zu neuen Prozessen, Wissensvermittlung über Gesetze und Marktdaten. All das muss so effektiv und effizient wie möglich organisiert und durchgeführt werden, um den Lernerfolg zu maximieren.

Energy Brainpool beschäftigt sich schon seit Längerem mit den neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis zur Optimierung der Lernprozesse.

In der Reihe der Tagesseminare „Energy BrainDays“, bei den Inhouse-Seminaren sowie bei den Planspielen zum Strom- oder Gashandel werden neben altbewährten auch einige innovative Lehr- und Lernmethoden eingesetzt. Dazu gehört auch das Spielen.

Spielerisches Lernen hat in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Dies betrifft nicht nur das Lernen mit digitalen Medien (Videos, E-Learning, Videospiele, Virtual Reality etc.), sondern auch Formen der menschlichen Interaktion (Rollenspiele, Planspiele).

Verschiedene Begriffe des spielerischen Lernens

Häufig fällt der Begriff gamification, game-based learning oder serious play. Gamification kann als Oberbegriff gesehen werden, während serious play z. B. von Lego® als Bezeichnung geprägt und geschützt wurde.

Es existieren „recreational games“, also Spiele, die allein der Erholung und dem Spaß dienen. Darüber hinaus gibt es „educational“ oder eben „serious games“, bei denen es darum geht, Kenntnisse oder Fähigkeiten zu vermitteln.

Spielen und Lernen bei Energy Brainpool, Gamification

Abbildung 1: Spielen und Lernen bei Energy Brainpool (Eigene Darstellung)

Spielen und Lernen kombinieren?

Aber warum sollte man Spielen und Lernen verbinden? Schon von Friedrich Schiller wissen wir: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ In allen Kulturen der Welt wird in irgendeiner Form gespielt, und das nicht nur im Kindesalter.

Spielen bedeutet in erster Linie, sich zu vergnügen, aber auch Neues zu entdecken und zu erlernen. Der Professor für Entwicklungspsychologie Rolf Oerter sagt, dass Spielen zwar ohne Zweck sei, aber nicht ohne Sinn. Erwachsene sind es gewohnt, ständig zu funktionieren und ihre Pflichten zu erfüllen. Ein Spiel dagegen befreit von diesen Pflichten, es lockert auf und wirkt entspannend. [1]

Genau das ist die richtige Gemütslage, um etwas zu lernen, denn mit positiven Emotionen können sich Gehirnzellen einfacher neu vernetzen. Diese Idee entspringt der Theorie der zwei Gehirnhälften: Wenn beide Gehirnhälften aktiviert sind, können wir Informationen am besten verarbeiten.

Vereinfacht gesagt ist die linke Gehirnhälfte spezialisiert auf analytische Aufgaben, abstrakte Begriffe und viele Sprachprozesse. Die rechte Gehirnhälfte ist dagegen spezialisierter für räumliches Denken / Orientierung, für visuelle, musische und emotionale Informationen [2].

Um effektiv und effizient zu lernen, sollten beide Gehirnhälften angesprochen werden. Dazu eignen sich neben Visualisierungen und anderen methodischen Tricks zum Beispiel auch kurze Spiele im Verlauf eines Seminars, sowie Rollen- und Planspiele über mehrere Stunden.

Die meisten Menschen haben Spaß am Spielen, weil es eben „nur“ ein Spiel ist und nicht „ernst“. Es geht maximal um eine Tafel Schokolade, nicht aber um den Jahresbonus oder die Karrierechancen. So können Entscheidungen ohne Stress, sondern mit Motivation, Neugier und einer gesunden Portion Ehrgeiz ausprobiert und geübt werden.

 schematische Darstellung der menschlichen Informationsverarbeitung, Gamification, Energy Brainpool

Abbildung 2: schematische Darstellung der menschlichen Informationsverarbeitung (Quelle: basierend auf Rasmussen (aus A. Heinecke, 2012), eigene Darstellung).

Emotionen unterstützen den Lernprozess

Wie die Abbildung 2 zeigt, sind Emotionen nützlich, um unterbewusste Wahrnehmung in das bewusste Langzeitgedächtnis zu überführen. Im Langzeitgedächtnis bleiben dann Wissen oder motorische Fertigkeiten gespeichert. Ein mentaler Prozessor steuert dann unsere Handlungen auf Basis des Wissens aus dem Langzeitgedächtnis. Diese Handlungen werden schlussendlich wieder unterbewusst ausgeführt.

Mit positiven Emotionen während des Lernprozesses, die durch spielerische Elemente entstehen können, wird also die Verarbeitung des sensorischen Inputs und die „Speicherrate“ verbessert. (Vgl. Abbildung 3)

Zusammenfassung der Rahmenbedingungen für erfolgreiches Lernen, Gamification, Energy Brainpool

Abbildung 3: Zusammenfassung der Rahmenbedingungen für erfolgreiches Lernen (eigene Darstellung)

Die Spielsituation in Rollen- und Planspielen oder in kurzen, auflockernden Übungen bildet nur einen Ausschnitt der (Arbeits-)Realität ab. Dabei hilft die reduzierte Komplexität , sich in einem neuen Thema zunächst zu orientieren. Mit ersten Erfolgserlebnissen steigt die Motivation, mehr zu lernen.

Stück für Stück kann dann die Komplexität gesteigert werden. Anschließend liegt es an den Teilnehmenden des Trainings selbst, die neuen Fähigkeiten oder das neue Wissen auf den (stressigeren) Arbeitsalltag zu übertragen, dort auszuprobieren und ggf. anzupassen. Das Lernen setzt sich dort also fort.

Spiel, Satz, Sieg

Achim und Laura klatschen sich ab. Soeben wurde eines ihrer Gebote im Orderbuch „gematcht“ und der Trade sofort ausgeführt. Damit haben sie noch mal ordentlich Geld verdient. Und nun ist auch die Gebotsphase vorbei und die Lieferphase tritt ein.

Es kann abgerechnet werden. Achim und Laura gewinnen diese Runde und erzählen anschließend den konkurrierenden Teams von ihrer Strategie.

Obwohl sie beide noch neu bei einem kommunalen Versorger angestellt sind und sich noch in der Einarbeitungsphase befinden, haben sie einen großen Lernerfolg erzielt. Am Tag zuvor hatten Sie am Seminar „Einführung in den Stromhandel“ teilgenommen.

Sie berichten, dass sie dort zwar viel gelernt haben, dass aber das Handelsplanspiel sehr viel gebracht hat und es an einigen Stellen noch mal klick gemacht hat. Ihre Augen strahlen, als sie die Siegerschokolade überreicht bekommen.

Unsere offenen Seminare “Energy BrainDays”: https://www.energybrainpool.com/nc/training/seminarkalender.html

Inhouse-Seminare, Planspiele und Co.: https://www.energybrainpool.com/training.html

 

Quellen

[1] https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/warum-die-menschen-spielen/

[2] Stangl, W. (2019). Rechte versus linke Gehirnhälfte? Die Linkshänder; https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnRechtsLinks.shtml (2019-12-16)

[3] Prof. Onur Güntürkün; Linke und rechte Hirnhälfte – verschiedene Welten? https://www.dasgehirn.info/aktuell/frage-an-das-gehirn/linke-und-rechte-hirnhaelfte-verschiedene-welten

Das Hemisphärenmodell gilt in der Forschung bereits als überholt. Es gibt keine Zuständigkeiten, nur Spezialisierungen