Die Energiesysteme der zwei größten EU-Länder unterscheiden sich stark. Insbesondere der Vergleich der Stromsektoren zeigt die Gegensätze. Die Stromerzeugung in Frankreich wird mit knapp 70 Prozent von Kernkraft dominiert, während der deutsche Strommix zu einem Drittel auf Kohle und Erdgas als fossile Energieträger beruht. Folgen Sie uns in diesem Artikel auf der Suche nach den Differenzen der beiden Energiesysteme.

Schon bei der Betrachtung des Primärenergieverbrauchs der beiden Länder werden die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland deutlich. Frankreichs Primärenergieverbrauch lag mit etwa 10000 PJ viele Jahre rund ein Drittel unter dem von Deutschland. Neben der höheren Wirtschaftsleistung spielten dabei allerdings auch die hohen Anteile der Kohleverstromung in Deutschland eine wichtige Rolle.

Primärenergieverbrauch sinkt in beiden Ländern

Der Primärenergieverbrauch geht in den beiden Ländern seit 2010 zurück. Seitdem reduzierte sich die Stromerzeugung aus Kohle in Deutschland (insbesondere ab 2017), während die Anteile der erneuerbaren Energien wuchsen. Auch in Frankreich nahm in diesem Zeitraum die Erzeugung aus erneuerbaren Energien zu, allerdings weniger stark als in Deutschland. So ging der Primärenergieverbrauch in Frankreich zwischen 2010 und 2019 um 7,8 Prozent, in Deutschland sogar um 10 Prozent zurück. Die Corona-Pandemie hat sowohl in Deutschland als auch Frankreich zu einem wirtschaftlichen Einbruch und somit zu einem drastischen Rückgang des Energieverbrauchs geführt, wie Abbildung 1 darstellt (Quelle: AGEB, IEA).

Abbildung 1: Veränderung des Primärenergieverbrauchs in Frankreich (FR) und Deutschland (DE) seit 2010 in PJ (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 1: Veränderung des Primärenergieverbrauchs in Frankreich (FR) und Deutschland (DE) seit 2010 in PJ (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Während der Anteil von Öl am Primärenergieverbrauch in Frankreich und Deutschland relativ ähnlich ist, gehen die Anteile bei anderen Energieträgern weit auseinander. So machte in 2019 Kernenergie 43 Prozent des französischen Primärenergieverbrauchs aus. In Deutschland waren es damals nur noch 6 Prozent. Nach 2023 wird die Erzeugung von Strom aus Kernkraftwerken in Deutschland mit dem Abschalten der letzten Reaktoren auf null zurückgehen. Auch beim Anteil der Kohle gibt es große Unterschiede. Stellten Stein- und Braunkohle im Jahr 2019 in Deutschland noch 17 Prozent der Primärenergie, so lag der Anteil von Kohle in Frankreich im gleichen Zeitraum bei nur 3 Prozent (Quelle: AGEB, Climate Transparency). Abbildung 2 verdeutlicht die Anteile verschiedener Energieträger an der Primärenergiebereitstellung in Frankreich (innerer Ring) und Deutschland (äußerer Ring).

Abbildung 2: Anteile verschiedener Energieträger am Primärenergieverbrauch in Frankreich (innerer Ring) und Deutschland (äußerer Ring) im Jahr 2019 in Prozent (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 2: Anteile verschiedener Energieträger am Primärenergieverbrauch in Frankreich (innerer Ring) und Deutschland (äußerer Ring) im Jahr 2019 in Prozent (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Französische Emissionen um 45 Prozent niedriger

Die höheren Anteile von fossilen Energieträgern in Deutschland schlagen sich auch in der Treibhausgasemissionsbilanz nieder. Während die französischen Treibhausgasemissionen im Jahr 2019 bei 443 Mio. Tonnen CO2-äq. lagen (Quelle: IEA), stand der Ausstoß in Deutschland laut Bundesumweltamt bei 800 Mio. Tonnen CO2-äq. (Quelle: UBA). Damit sind die produktionsbezogenen Treibhausgasemissionen Frankreichs vor der Corona-Pandemie knapp 45 Prozent niedriger als in Deutschland.

Insbesondere die relativ CO2-arme Stromerzeugung in Frankreich trägt zu geringen klimaschädlichen Emissionen bei. Die CO2-Intensität der Stromerzeugung in Frankreich lag im Jahr 2020 bei etwa 57g CO2/kWh (Quelle: Statista). In Deutschland hatte der Strommix zur gleichen Zeit eine über sechs Mal so hohe CO2-Intensität von 366 gCO2/kWh (Quelle: UBA). Grund für diese hohe Diskrepanz sind die verwendeten Technologien zur Stromerzeugung in den beiden Ländern.

Mix vs. Monotonie

Die deutschen Stromerzeugungskapazitäten lassen sich am besten als bunter Mix beschreiben. Mit über 120 GW an erneuerbaren Kapazitäten und mehr als 70 GW an fossilen Kraftwerken hatte Deutschland im Jahr 2020 eine Gesamtkapazität von über 220 GW an Kraftwerksleistung am Netz (Quelle: BDEW). In Frankreich lag die Gesamtkapazität bei etwas über 130 GW, wobei knapp 60 GW an erneuerbarer Leistung installiert sind. Gleichzeitig stellen die Kernkraftwerke mit über 61 GW an installierter Leistung den Großteil der französischen Kapazitäten (Quelle: IEA). Abbildung 3 stellt die Erzeugungskapazitäten in den beiden Ländern gegenüber.

Abbildung 3: Französische (FR) und deutsche (DE) Stromerzeugungskapazitäten im Jahr 2020 in GW, ohne sonstige und Öl (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 3: Französische (FR) und deutsche (DE) Stromerzeugungskapazitäten im Jahr 2020 in GW, ohne sonstige und Öl (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Frankreich und Deutschland produzierten in 2020 beide jeweils etwa 525 TWh Strom. Um die geringe CO2-Intensität der französischen Stromerzeugung zu verstehen, bewährt sich ein Blick auf die tatsächliche Stromerzeugung und nicht nur auf die installierten Kapazitäten. Hierbei wird sehr deutlich, wie stark die Kernkraft den französischen Stromsektor dominiert. Bis vor 2020 stellte die Kernkraft in Frankreich meist über 70 Prozent der Stromerzeugung. Im Jahr 2020 ging die Erzeugung aus Kernkraft allerdings aufgrund der Schließung von zwei Anlagen auf 67 Prozent oder knapp über 350 TWh zurück. Die Erzeugung aus Wasserkraft steuerte als zweitgrößte Quelle knapp 64 TWh Strom bei (Quelle: IEA).

Die deutsche Stromerzeugung gibt ein diverseres Bild ab, wobei aufgrund der pandemiebedingten Einflüsse in 2020 die Erzeugung aus fossilen Quellen gegenüber den Vorjahren abnahm. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland hat in 2020 die 45-Prozentmarke erreicht (Quelle: BDEW). Abbildung 4 zeigt die Stromerzeugung in Frankreich und Deutschland nach Technologie im Jahr 2020.

Abbildung 4: Bruttostromerzeugung in 2020 in Frankreich (FR) und Deutschland (DE) in TWh, ohne sonstige und Öl (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 4: Bruttostromerzeugung in 2020 in Frankreich (FR) und Deutschland (DE) in TWh, ohne sonstige und Öl (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Was bringt die Zukunft?

Mit der Ampel-Koalition stehen die Zeichen in Deutschland auf einer schnelleren Umsetzung der Energiewende (zu unserem Bericht zur Ampel-Koalition). Auch unter den Eindrücken der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine wird die Energieversorgung Europas nicht unverändert bleiben. Bislang war Erdgas als Brücke zur Klimaneutralität politisch noch hoch im Kurs. Dies hat sich nach den Ereignissen Ende Februar 2022 stark geändert.

Laut einem Eckpunktepapier vom 28. Februar 2022 soll Deutschland seine Stromversorgung bis 2035 komplett aus erneuerbaren Energien erreichen. Dazu soll sich nun auch die Leistung von Windenergie an Land bis 2030 auf bis zu 110 GW verdoppeln (Quelle: Handelsblatt).

Durch die Aufnahme von Kernkraftwerken in die EU Taxonomie (erfahren Sie mehr dazu in unserem detaillierten Artikel), könnte sich die CO2-freie Erzeugung in französischen Kernkraftwerken noch weiter entwickeln. Allerdings ist die Kraftwerksflotte schon in die Jahre gekommen und die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke (Flamanville) hat sich immer wieder verschoben, während die Kosten gestiegen sind (Quelle: IWR).

Die langfristige Aussicht für die Kernkraft in Frankreich ist unsicher. Nach dem französischen Präsidenten Macron steht der Kernenergie in 2050 noch maximal 40 Prozent der Stromerzeugung zu (Quelle: Euractiv).

Die Kooperation der beiden Länder hinsichtlich des Umbaus ihrer Energiesysteme wird sich in den kommenden Jahren sicherlich intensivieren müssen.

 

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