Rubel-Dekret, Frühwarnstufe, Razzia, Rückzug der Gazprom-Muttergesellschaft, drohender Ausfall und nun Treuhandverwaltung: Seit letzter Woche überschlagen sich die Meldungen zum Thema Gazprom und Erdgaslieferstopp. Die Gefahr eines russischen Erdgaslieferstopps nach Deutschland und Europa erscheint gegenwärtiger denn je.

Jenseits eines möglichen Lieferstopps drängte sich jedoch zunehmend eine Frage auf: Was passiert bei einem Ausfall der europäischen Gazprom-Töchter? Wie würde sich das auf deutsche Energieversorger auswirken? Dieser Blogbeitrag ordnet die Geschehnisse ein und erklärt die Hintergründe des Schritts der Bundesregierung vom 04.04.2022, die Gazprom Germania einer Treuhandverwaltung zu unterstellen.

Ausgangssituation: Welchen Hebel hat Russland bei den Erdgaslieferungen?

Seit Ausbruch des Ukrainekriegs ist zunehmend klar, dass die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von russischen Erdgaslieferungen kurzfristig nicht ohne erhebliche wirtschaftliche Schäden aufgehoben werden kann (vgl. Blogbeitrag Erdgas & Co.: Wird der nächste Winter kalt?). Dabei muss Deutschland nach aktuellem Stand mindestens einen, aller Voraussicht nach zwei Winter lang mit fehlenden Erdgasmengen rechnen (Fortschrittsbericht BMWK vom 25.03.22: Ziel der Unabhängigkeit bis Sommer 2024).[1]

Natürlich zöge ein sofortiger Stopp des Pipeline-gebundenen Erdgasverkaufs nach Europa auch für die russische Regierung beträchtliche wirtschaftliche Einbußen nach sich. Es fehlen für das betreffende Erdgas aus den europanahen Erdgasfeldern alternative Pipelinerouten in ähnlich großer Transportkapazität hin zu “freundlichen Staaten” wie China oder Indien.

Dennoch birgt die Kontrolle über die Erdgasliefermengen das Potenzial für Russland, diese als geopolitischen Hebel anzusetzen, um eigene Interessen umzusetzen. So kann bereits eine Reduktion der Liefermengen innerhalb des in den Bestandsverträgen definierten Mengengerüsts dazu beitragen, dass Erdgasmengen im Sommer nicht eingespeichert werden. Diese fehlen dann im nächsten Winter bei einem Lieferstopp-Szenario.

Zudem sind in so einer angespannten geopolitischen Situation kleine Mengenänderungen in den Importmengen marktpreisrelevant. Denn sie erhöhen die Preisvolatilität an den Erdgashandelsplätzen.

Gazproms Erdgasabsatz nach Europa: die Rolle der Gazprom-Töchter

Handelsseitig gelangt das Gazprom-Erdgas über langfristige Lieferverträge nach Europa. Europäische Versorger haben jedoch Erdgasabsatzverträge nicht direkt über die russische Gazprom-Exportgesellschaft „OOO Gazprom Export“ geschlossen. Konkret hat dies die in Deutschland ansässige, 100 %-ige Tochter Gazprom Germania GmbH realisiert. Über eigene Tochtergesellschaften verteilt Gazprom Germania die Erdgasmengen handelsseitig in Europa.

Gemäß den Geschäftsberichten der betreffenden Unternehmen sind für die deutsche Erdgasversorgung vor allem die WIEH GmbH und die Wingas GmbH relevant. Hinzu kommen weitere Tochtergesellschaften der Gazprom-Germania mit Bedeutung für die europäische Erdgasversorgung und -infrastruktur. Dazu zählen unter anderem die in London ansässige Gazprom Marketing & Trading Ltd und die Speicherbetreibergesellschaft Astora GmbH, wie die nachfolgende Abbildung zeigt.

der Gazpromkonzern und seine europäischen Tochtergesellschaften, Energy Brainpool

Abbildung 1: der Gazpromkonzern und seine europäischen Tochtergesellschaften [Quelle: https://www.gazprom-germania.de/home.html, Stand: 30.03.2022][2]

Rubel-Dekret, Razzia, Rückzug der Gazprom-Mutter: Die Insolvenzgefahr der Gazprom-Töchter ist gestiegen

In der letzten Woche häuften sich Ereignisse, die die Insolvenzgefahr der Gazprom-Töchter deutlich steigen ließen. Wenngleich diese Ereignisse auf den ersten Blick in keinem direkten Zusammenhang zu stehen schienen, so betrafen sie stets die Gazprom Germania.

Rubel-Dekret

Nach einem einwöchigen Verwirrspiel teils widersprüchlicher, öffentlicher Ankündigungen legte die russische Regierung am 31.03.22 per Dekret neue Zahlungsweisen fest. Konkret verlangten sie, dass westliche Staaten für Gaslieferungen zumindest teilweise in Rubel statt in den vertraglich definierten EUR bzw. Dollar aufkommen sollen. Dabei sollen westliche Kunden Zahlungen in EUR bei der Gazprom Bank leisten, die diese dann in Rubel umtauscht.[3]

Die Gazprom Bank ist explizit nicht von den EU-Sanktionen bezüglich des Ukraine-Krieges betroffen und weiterhin Teil des SWIFT-Systems. Gemäß Handelsblatt[4] hat die russische Regierung jedoch schon Mitte März der PAO Gazprom angeordnet, 80 Prozent der Einnahmen aus Energiegeschäften zur Stützung der Landeswährung in Rubel umzutauschen. Dies ist nur noch durch die Gazprom-Bank möglich.

So hat sich unter anderem die deutsche Bundesregierung im Zuge dieser öffentlichen Äußerungen am 30.03.2022 dazu entschieden, die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas auszurufen. Ziel ist es damit, die Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich eines drohenden Gaslieferstopps zu intensivieren.

Razzia

Am 30.03.22 haben die EU-Wettbewerbsbehörden bei mehreren europäischen Gazprom-Tochtergesellschaften eine Razzia vorgenommen. Grund hierfür waren Untersuchungen der EU-Kommission aufgrund eines möglichen wettbewerbswidrigen Verhaltens Gazproms.[5]

Rückzug der Gazprom-Mutter

Am 31.03.22 ließ die russische Gazprom-Muttergesellschaft verlauten, dass sie sich aus ihrer 100 %-igen Beteiligung an der für die europäische Gasbelieferung zentralen Tochtergesellschaft Gazprom Germania GmbH zurückzieht.[6] Über die Gründe kann zum Redaktionszeitpunkt nur spekuliert werden.

Denkbar ist dieser Schritt sowohl als Reaktion auf die Razzia als auch als strategisches Element der Verunsicherung. Ferner erscheint auch das Ziel einer Neugestaltung bestehender Vertragsstrukturen denkbar, um mehr Spielraum beim Mengen- und Preisgerüst für zukünftige Gasabsatzverträge nach Europa zu erhalten. Zusätzlich könnte auch dem Druckmittel „Lieferstopp“ noch mehr Gewicht verliehen werden.

Auch ist es möglich, so ein klares Signal in Richtung des Rubeldekretes zu bekommen. Denn für die europäischen Geschäftspartner der Gazprom Germania änderte sich bisher nichts. Weder durch das Rubel-Dekret noch vorerst durch den Rückzug der Gazprom-Mutter. Mit Blick auf die Gazprom-Töchter ist angesichts dieser Ereignisse jedoch festzuhalten: Ihre vertragliche wie finanzielle Situation wurde durch diesen Schritt völlig unklar, ihr Ausfallrisiko ist angesichts dieser Unsicherheit deutlich gestiegen.

Welche Unternehmen wären direkt von einem Ausfall der Gazprom-Töchter betroffen?

Gegenwärtig macht russisches Erdgas rund 40 % des deutschen Erdgasverbrauches aus. Die Wingas GmbH deckt nach eigenen Aussagen bereits alleine rund 20 % des deutschen Erdgasabsatzes ab [Quelle: Geschäftsbericht der Wingas GmbH, Stand: 04.04.2022][7]. Sie tritt als Vertragspartner für eine Vielzahl deutscher Energieversorger und Stadtwerke auf.

Die WIEH GmbH beliefert demgegenüber vorrangig zwei große deutsche Erdgasimportgesellschaften, könnte jedoch auch andere große Handelspartner haben. Es lässt sich vermuten, dass die Wingas sich auf die kleinen und mittleren Kunden fokussiert, wohingegen die WIEH GmbH ausschließlich Großkunden bedient.

Ein Leak des Tagesspiegel Background vom 29.03.22 weist darauf hin, dass die drei deutschen Firmen Uniper Global Commodities, Wintershall Dea und VNG im Jahr 2020 Langfristverträge für russisches Erdgas von Gazprom hielten. Wenngleich es denkbar erscheint, dass mindestens zwei dieser Unternehmen ihr russisches Gas von der WIEH GmbH beziehen. So ist es zum gegebenen Zeitpunkt unklar, ob nicht doch ein deutscher Erdgasgroßabnehmer einen direkten Vertrag mit der 000 Gazprom-Export hält.

Schaubild der OTC-Handelslieferkette für russisches Erdgas in Deutschland, Energy Brainpool

Abbildung 2: Schaubild der OTC-Handelslieferkette für russisches Erdgas in Deutschland (Quelle: Energy Brainpool)

Welche Auswirkungen wären bei einem Ausfall der Gazprom Germania auf die Erdgashandelskette und -versorgung zu erwarten?

Der Großteil der direkten Vertragspartner der Gazprom-Töchter agiert als Zwischenhändler. Diese müssten im Falle wegfallender Erdgasbezugsmengen zunächst ihren Lieferverpflichtungen aus den Weiterverkaufsgeschäften durch die Beschaffung von Ersatzmengen nachkommen.

Diese Ersatzmengen würden zu heutigen Marktpreisen beschafft werden. Das sogenannte Wiederbeschaffungsrisiko ist dann ein Problem für die Zwischenhändler, wenn der Marktpreis zum Zeitpunkt der Wiederbeschaffung höher ist als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. In den meisten Fällen dürfte dies angesichts der aktuellen Höchstpreise gegeben sein.

Zudem ist es denkbar, dass bei einem Ausfall der Gazprom-Töchter die Preise für Erdgas an den Spot- und Terminmärkten deutlich ansteigen. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die russische Gazprom-Mutter die durch den Ausfall der Gazprom-Töchter frei gewordenen Erdgasmengen – die zuvor in den Verträgen der Töchter gebundenen waren – an europäischen Märkten zum Verkauf anbietet.

Das heutige Erdgaspreisniveau kann die Zwischenhändler vor erhebliche finanzielle Probleme stellen, wenn es um die Wiederbeschaffung und Erfüllung bestehender Lieferverpflichtungen geht. Dies kann teilweise dazu führen, dass der Fortbestand des Unternehmens gefährdet ist. Daher stellt sich die Frage der “wirtschaftlichen Zumutbarkeit” für die Zwischenhändler.

Grundsätzlich dürfen Lieferverpflichtungen nur angepasst werden, wenn die Wiederbeschaffungskosten für den Zwischenhändler, der auch oft Versorger ist, „wirtschaftlich unzumutbar“ ist. Sollte dies jedoch der Fall sein, so würden die Preise der Endkundenverträge entsprechend angepasst. Und das Problem der hohen Erdgaspreise wird auf das nächste Glied in der Handelskette bis hin zum Endkunden übertragen. Dies wären dann alle Haushalts- und Gewerbekunden, Kraftwerke und Industriekunden.

Analog zum russischen Anteil am deutschen Erdgasverbrauch könnten rein rechnerisch rund 40 % der deutschen Erdgasabsatzmengen davon betroffen sein. Diese Erdgasmengen lassen sich aber nicht auf 40 % der Endkunden verteilen. Stattdessen ist es durchaus möglich, dass fast alle Erdgasendkunden von dieser einen Vertragsauflösung betroffen sind. Denn wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, liefern die Erdgashändler und -versorger das Erdgas über mehrere Zwischenhandelsstufen an Endverbraucher weiter und handeln auch untereinander.

So wird eine Megawattstunde Erdgas heute an deutschen Handelsplätzen mindestens einmal ver- und wiedergekauft, bevor sie letztendlich von Endkunden verbraucht wird. In 2020 betrug das Verhältnis aus Gashandelsmenge und -verbrauchsmenge („Turnover Ratio“) beispielsweise rund 2,8. Das heißt, eine in Deutschland im betreffenden Jahr verbrauchte Megawattstunde Erdgas wurde zuvor im Schnitt 2,8-Mal gehandelt.[8]

Zudem ist auch nicht anzunehmen, dass ein Zwischenhändler von Erdgas seinen eigenen Erdgasbezugsvertrag direkt an einen oder mehrere Kunden verteilt. Stattdessen ist es üblich, alle Bezugsverträge zu mischen und diesen Portfoliomix dann an alle seine Kunden, Endkunden wie andere Zwischenhändler, weiter zu verkaufen. Dieses Vorgehen wird Portfoliohedging genannt und ist in Abbildung 3 im Vergleich zu einer möglichen direkten Lieferung dargestellt, bei der eine Nachvollziehbarkeit gegeben ist.

Im Fall der branchenüblichen Portfoliohedges dürfte der Ursprung der Erdgasimportmengen bereits nach der ersten Zwischenhandelsstufe der Handelskette nicht mehr nachvollziehbar sein. Aus der Turnover Ratio des deutschen Gashandels von 2,8 lässt sich ableiten, dass im Schnitt knapp zwei Zwischenhandelsstufen bis zum Endverbraucher vorliegen.

Kurz: Ein Endabnehmer kann von seinem Vorlieferanten nicht nach dem Ursprung des Erdgases fragen, weil er es selber nicht weiß.

Schema verschiedener Hedgingstrategien am Gasmarkt – 1:1 und 1:n-Beziehungen sowie Portfoliohedging (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 3: Schema verschiedener Hedgingstrategien am Gasmarkt – 1:1 und 1:n-Beziehungen sowie Portfoliohedging (Quelle: Energy Brainpool)

Treuhandverwaltung statt Pleitewelle – der einzig logische Schritt?

Angesichts der beschriebenen Marktstrukturen dürfte nun klar sein, dass ein Ausfall der Gazprom Germania das Energiehandelssystem einem enormen Stresstest mit unsicherem Ausgang unterziehen würde. Insofern erscheint die Ankündigung der Bundesregierung vom 04.04.2022, die Bundesnetzagentur bis vorerst Ende September 2022 als Treuhänderin der Gazprom Germania GmbH einzusetzen, ein sinnvoller Schritt zur Reduktion der Marktverunsicherung. Demzufolge wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich des Unternehmensvermögens beschränkt und steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Bundesnetzagentur.

Die Treuhänderin ist zudem umfassend weisungsbefugt und erhält sämtliche Stimmrechte der GmbH. [9] Damit dürften deutsche und europäische Erdgashändler und -lieferanten der Willkür russischer Politik zumindest ein Stück weit weniger ausgesetzt sein. Doch hätte es noch andere Möglichkeiten gegeben, um die Gefahr eines Zusammenbruchs des Energiehandels zu entschärfen?

Warum der Bundeslastverteiler alleine nicht ausreicht

Wie bei einer Gefährdung der Versorgungssicherheit in Deutschland vorzugehen ist, hat das damalige Kabinett Schmidt in Deutschland schon zu Zeiten der Ölkrise der 1970er-Jahre geregelt :  mit dem Energiesicherungsgesetz 1975 sowie der Gas- und Elektrizitätssicherungsverordnung 1982 (letztes Update 2005). Die Umsetzung von EU-Regularien mündete außerdem in einen Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2019 ( In diesem sind drei Warnstufen vorgesehen. Am 30.03.2022 hat die Bundesregierung die erste Frühwarnstufe aktiviert, um Vorsorgemaßnahmen zu intensivieren.

Eine weiterhin erhöhte Gefahr eines russischen Lieferstopps würde die Aktivierung der höchsten Notfallstufe nach sich ziehen. In diesem Fall ist vorgesehen, dass die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler hoheitliche Maßnahmen der Lastflussverteilung vornimmt.

Besonders geschützte Kundengruppen (zum Beispiel soziale Einrichtungen, Privathaushalte), die nicht von einer Lastabschaltung betroffen sind, sind in diesem Fall klar definiert. Für die restlichen Kundengruppen sind entsprechende physische Abschaltpläne zur Priorisierung der restlichen Erdgasverbraucher Deutschlands entweder vorhanden oder werden aktuell erarbeitet.

Der zentrale Lastverteiler ordnet Erdgasbezüge zu. Zudem kann er, gemäß Energiesicherungsgesetz, auch Verfügungen für betroffene Unternehmen aussprechen, die eine Aufhebung oder Anpassung von Verträgen oder den Abschluss neuer Verträge betreffen. Hierbei seien „angemessene“ Preise anzusetzen. Darüber hinaus finden sich jedoch kaum weiterführende Anweisungen darüber, wie mit den Handelsverträgen umgegangen werden kann.

Da Wiederbeschaffungs- und Ausfallrisiken vorrangig entstehen durch den Unterschied zwischen aktuell hohen Marktpreisen und „alten“, niedrigeren Vertragspreisen, ist insbesondere klar zu regeln, wer die Finanzierung dieses Deltas übernimmt. Ohne eine solche Regelung ist durchaus denkbar, dass in der Notlage alle Verträge obsolet würden. Entsprechend bieten die bestehenden Regelungen zum Bundeslastverteiler im Falle eines Ausfalls der Gazprom-Töchter keine vollends verlässliche Absicherung des Handelssystems.

Welche Schritte sind nun von der Treuhänderin zu erwarten? Ein Blick nach UK

Im Hinblick auf ausfallende Kontrahenten hat die britische Regierung schon 2009 eine mögliche Strategie zur Problemlösung gesetzlich verankert, die der Treuhandverwaltung in Deutschland sehr ähnelt – das sogenannte Special Administration Regime (SAR). Im Falle des drohenden Ausfalls eines Energiehändlers übernimmt ein von der Staatsregierung bestimmter Verwalter (Administrator) dessen Leitung.

Der Administrator führt die Beschaffung auch zu teuren Großhandelsmarktpreisen durch, ohne dass diese an den Endkunden weitergegeben werden. Die Finanzierung des Deltas aus hohen Markt- und niedrigen Endkundenpreisen wird also vonseiten der Regierung bereitgestellt. Sollte die Gazprom Germania von ihrer Ex-Muttergesellschaft im Laufe der nächsten Monate nicht mehr mit Erdgas beliefert werden, ist ein solcher Schritt auch von der Treuhänderin Bundesnetzagentur zu erwarten. Die Finanzierung dieses Schritts ist hierzulande im Gegensatz zu UK allerdings noch zu klären.

Die Rolle des Verwalters im britischen SAR ist es dabei, die Lieferungen an die Kunden unter der Voraussetzung sicher zu stellen, dass die Kosten auf einem möglichst niedrigen umsetzbaren Stand gehalten werden. Abgesehen davon ist das Endergebnis der SAR offen, und kann resultieren in:

  • Eine Rettung des ausfallenden Unternehmens,
  • Den Verkauf eben dieses Unternehmens, oder
  • Die Übertragung der Kunden des Unternehmens auf andere Händler/Lieferanten.

Da in Deutschland zwischenzeitlich auch über eine mögliche Enteignung und Verstaatlichung der deutschen Konzerntöchter von Gazprom und Rosneft diskutiert wurde [10], erscheint auch hierzulande vorerst kein Weg ausgeschlossen.

Abbildung 4 fasst die Marktrolle eines SAR oder Treuhandregimes zusammen, sollte die Handelsbeziehung zwischen 000 Gazprom Export und der Gazprom Germania beendet und eine staatliche Übernahme aller Handelsbeziehungen inklusive der Ersatzmengenbeschaffung notwendig werden.

staatlicher Eingriff in den Gasmarkt (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 4: staatlicher Eingriff in den Gasmarkt (Quelle: Energy Brainpool)

Fazit: Womit ist nun zu rechnen?

Die Gefahr eines Zusammenbruchs der Energiehandelsbeziehungen in Deutschland ist durch die Treuhandverwaltung zumindest teilweise gesenkt. Für den Fall eines Abbruchs der Handelsbeziehungen zwischen der Gazprom Germania und ihrer Ex-Muttergesellschaft müssen nun Fragen der Finanzierung einer Ersatzmengenbeschaffung zügig geklärt werden, um den Markt ausreichend gegen Ausfallrisiken abzusichern.

Aus politischer Sicht erscheint dieser Fall durchaus denkbar, denn er würde der russischen Regierung aufgrund der dann anstehenden Neuverhandlung von Erdgaslieferverträgen in die Hände spielen. Schließlich könnten so nicht nur das Liefermengengerüst, sondern auch die Währungsvorgaben für die Zahlungen neu festgelegt werden.

Der finanzielle Aufwand einer teuren Wiederbeschaffung ist auf Basis der aktuellen Marktpreise mit sehr hohen Kosten verbunden. Angesichts der drohenden wirtschaftlichen Schäden im Falle eines Zusammenbruchs des Energiehandels erscheint dieser finanzielle Aufwand aus heutiger Sicht vermutlich vertretbar und könnte sowohl über eine Umlage oder den Staatshaushalt finanziert werden.

Autoren: Tobias Federico, Michael Claußner

Quellen:

[1] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/0325_fortschrittsbericht_energiesicherheit.pdf?__blob=publicationFile&v=10

[2] https://www.gazprom-germania.de/unternehmen/struktur.html

[3] https://www.handelsblatt.com/politik/international/russland-putin-unterschreibt-gas-dekret-westliche-kunden-muessen-kauf-ueber-russische-bank-abwickeln/28217422.html

[5] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-kommission-razzia-bei-gazprom-1.5557938

[6] https://www.reuters.com/business/energy/russias-gazprom-exits-german-business-amid-row-over-pricing-2022-04-01/

[7] https://www.wingas.com/fileadmin/Wingas/content/04_Unternehmen/2020-01-31-Factsheet_DE_WEB-1seitig-RZ-vro.pdf

[8] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/169809/umfrage/handelsvolumen-an-der-eex-am-spot-und-terminmarkt-fuer-erdgas/#professional
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/41033/umfrage/deutschland—erdgasverbrauch-in-milliarden-kubikmeter/

[9] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/04/20220404-bmwk-setzt-bundesnetzagentur-als-treuhanderin-fur-gazprom-germania-ein-erwerb-der-gazprom-germania-gmbh-durch-jsc-palmary-schwebend-unwirksam.html

[10] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ukraine-krieg-energieversorgung-bedroht-berlin-spielt-die-verstaatlichung-russischer-tochterfirmen-durch/28217476.html