Anfang Juli 2020 hat die Regierung sowohl das Gesetz zum Kohleausstieg, als auch das Strukturhilfegesetz final abgesegnet. Beide Gesetze wurden vorab kontrovers diskutiert. In diesem Beitrag werden die Kernpunkte der beiden neuen Gesetze beleuchtet.
Zwei Gesetze regeln den deutschen Kohleausstieg
Es ist tatsächlich vollbracht. Der Bundesrat hat am 3. Juli 2020 sowohl dem Kohleausstiegsgesetz als auch dem zugehörigen Strukturstärkungsgesetz zugestimmt. Damit ist nun klar, dass Deutschland spätestens bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen wird. Was im Juni 2018 offiziell mit der Experten-Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung begann, hat nun ein Ende gefunden.
In zwei Gesetzen ist der Ausstieg aus der Kohle und die damit verbundene Unterstützung für die betroffenen Regionen geregelt. Das Gesetz zur Reduzierung und zu Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze, also das Kohleausstiegsgesetz, regelt den Fahrplan des Kohleausstiegs, sowie die damit verbundenen Bedingungen und Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber. Das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen hingegen regelt die finanzielle Unterstützung für den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen und Bundesländern.
Ausstieg bis spätestens 2038
Der schrittweise Ausstieg aus der Verstromung von Stein- und Braunkohle wird durch das Kohleausstiegsgesetz geregelt. Der Zeitplan für die Abschaltung bedeutet, dass sich die installierte Leistung von Stein- und Braunkohlekraftwerken bis Ende 2022 auf jeweils 15 GW reduziert und anschließend bis Ende 2030 auf 8, beziehungsweise 9 GW sinkt. Abbildung 1 stellt die Kapazitäten der Kohlekraftwerke, die sich zum April 2020 noch am Strommarkt befanden (Quelle: Bundesnetzagentur) und den Abschaltungsplan laut neuem Gesetz dar.
Die Abschaltung des letzten Kraftwerks könnte laut Gesetz allerdings auch um drei Jahre und somit 2035 vorgezogen werden. Sollten höhere CO2-Preise oder erneuerbare Energien Kohlekraftwerke noch früher unwirtschaftlich machen, würde die letzteren auch keine Entschädigung erhalten (Quelle: Erneuerbare Energien). Dies führt uns zum nächsten Thema, nämlich der finanziellen Entschädigung.
Ausschreibung für Abschaltung und Entschädigung
Die Stilllegung der Steinkohleblöcke wird bis 2027 über ein Ausschreibungsverfahren geregelt. Ab 2031 erfolgt die Abschaltung dann per Gesetz. Je früher die Betreiber in die Ausschreibung gehen, desto höher ist der zulässige Höchstwert in der Ausschreibung. Abbildung 2 zeigt die Höchstwerte pro Kilowatt Nettonennleistung. Die erste Ausschreibung über 4 GW soll am 1. September 2020 stattfinden, wobei die bezuschlagten Anlagen bis Ende 2020 abgeschaltet werden müssen.
Die Änderung des Kohleersatzbonus, um Kraftwärmekopplungsanlagen (KWK) auf flexiblere und klimafreundlichere Stromerzeugung umzurüsten, wurde ebenfalls mit dem Kohleausstiegsgesetz verabschiedet. Ältere Anlagen sollen hier keinen Bonus mehr erhalten, während der Bonus für jüngere Kraftwerke erhöht wurde. Dadurch könnte für Betreiber eine Umrüstung auf innovative oder klimafreundliche KWK gegenüber der Abschaltungsausschreibung interessant sein.
Für Braunkohlekraftwerke hat die Bundesregierung konkrete und blockscharfe Abschaltungszeitpunkte mit den Betreibern vertraglich vereinbart. Die finanzielle Entschädigung für diese Abschaltungen summiert sich auf 4,35 Mrd. EUR, wobei 2,6 Mrd EUR für den RWE-Konzern und 1,75 Mrd. EUR für die LEAG bestimmt sind.
Weitere gesetzliche Änderungen
In den Jahren 2022, 2026 und 2029 wird das Gesetz überprüft und kann gegebenenfalls angepasst werden. Indikatoren, die hierfür betrachtet werden sollen, sind die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, die installierte Leistung von Anlagen, die von Kohle auf Gas umgerüstet wurden, die Wärmeversorgung, die Strompreise und die Klimaziele.
Das Ziel, einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Bruttorstromverbrauch im Jahr 2030 zu erreichen, wurde ebenfalls festgesetzt. Allerdings gibt es bislang keine Hinweise auf eine Erhöhung der Ausbauzahlen für Wind oder PV, um diesen Anteil auch zu erreichen.
Weiterhin wurde bestimmt, dass die Emissionszertifikate, die bei Stilllegung der Kohlekraftwerke frei werden, gelöscht werden sollen. Hierdurch soll der deutsche Kohleausstieg auch gesamteuropäische Wirkung entfalten.
Das Strukturstärkungsgesetz
Um den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen abzufedern und zu gestalten, sieht das Strukturstärkungsgesetz finanzielle Unterstützung von bis zu 40 Mrd. EUR vor. Der Verlust von Arbeitsplätzen soll damit kompensiert werden, und gleichzeitig den Aufbau einer nachhaltigeren Wirtschaft ermöglichen.
Der Bund unterstützt die betroffenen Regionen durch den Ausbau der Infrastruktur und dem Aufbau neuer Forschungseinrichtungen direkt mit 26 Mrd. EUR, während die verbleibenden 14 Mrd. EUR an die Braunkohlereviere, beziehungsweise die betroffenen Bundesländer gehen sollen (Quelle: Bundesrat). Die Bundesländer können das Geld nutzen, um in wirtschaftsnahe Infrastruktur, öffentlichen Nahverkehr, Breitband- und Mobilitätsinfrastruktur, Umweltschutz und Landschaftspflege zu investieren. Abbildung 3 stellt die Aufteilung der Finanzhilfen nach Revieren und auch nach Bundesländern dar.
Weitere knapp 1,1 Mrd. EUR gehen an strukturschwache Standorte von Steinkohlekraftwerken in ganz Deutschland.
Resonanz auf Kohleausstieg
Während die Bundesregierung den Kohleausstieg endlich in ein Gesetz gegossen hat, protestierten Umweltverbände gegen den zu langsamen und für die Betreiber von Kohlekraftwerken vergoldeten Ausstieg. Die wirtschaftlichen Bedingungen am Strommarkt, insbesondere die gesunkenen Strompreise, die höheren Margen aus der Gasverstromung und die Konkurrenz durch erneuerbare Energien, hätte einen Teil der Kohlekraftwerke ebenso aus dem Markt gedrängt und derart hohe Entschädigung nicht notwendig gemacht. Der Markt hat die Politik hier überholt.
Stark kritisiert wurde auch die Inbetriebnahme des neuen Steinkohlekraftwerks Datteln 4 im Mai 2020. Die Kohleausstiegs-Kommission hatte hier für eine Lösung ohne Inbetriebnahme geworben.
Klima- und Energiewissenschaftler sind sich zumindest einig: Der Kohleausstieg wie in Deutschland derzeit vorsieht, ist nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Übereinkommens vereinbar (Quelle: DIW). Will Deutschland seinen Klimazielen also gerecht werden, müsste der Ausstiegsplan in den 2020er Jahren verschärft werden.
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