Das lange Warten hat ein Ende: Die Große Koalition hat sich auf die wichtigsten Punkte ihres Corona-Konjunkturpakets geeinigt. Es scheint, als ob erst die Pandemie und die folgende wirtschaftliche Krise der Politik Beine machen konnten. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und Punkte des Corona-Konjunkturpakets für die Energiewirtschaft wie beispielsweise für die E-Mobilität.
Die Krise als Chance
Das umfangreiche Konjunktur- und Zukunftspaket welches die Bundesregierung am Abend des 3. Juni 2020 verkündet hat, verfolgt zwei Ziele: Erstens geht es insbesondere darum, Arbeitsplätze zu sichern. Und an zweiter Stelle sollen die Maßnahmen den wirtschaftlichen Abschwung stoppen und bestenfalls umkehren.
„Angesichts der Folgen der Corona-Pandemie brauche es eine mutige Antwort“, so Bundeskanzlerin Merkel (Quelle: Bundesregierung). Das 130 Mrd. EUR schwere Programm enthält sowohl Hilfen für Kommunen, Zuschüsse für Familien, die Senkung der Mehrwertsteuer und ebenso wie die Förderung von Zukunftstechnologien. Es brauchte also erst eine große Krise, dass die Politik entschiedene Maßnahmen trifft.
Welche Ableitungen sind relevant für die Energiebranche?
Das Paket soll insbesondere klimafreundliche Technologien unterstützen und fördern. Viele der Punkte, die unter der Unterschrift „Zukunftspaket“ zu finden sind, fordern Wissenschaftler:innen und Akteure der Energiebranche schon seit Monaten oder gar Jahren.
Im Mittelpunkt der Maßnahmen für Klimaschutz und Energiewirtschaft stehen folgende Themen:
- die Senkung oder besser Stabilisierung der EEG-Umlage
- diverse Förderungen zur E-Mobilität und alternativen Antrieben
- die Wasserstoffstrategie und
- ein CO2-Gebäudesanierungsprogramm.
Fast im gleichen Atemzug wurden die Ausbauziele für Wind auf See angehoben. Unmittelbar abgeschafft werden soll endlich auch der PV-Deckel von 52 Gigawatt, um welchen sich die Koalitionäre monatelang stritten (Quelle: X2E).
Die Maßnahmen im Überblick
Die Streichung des PV-Deckels und auch die Anhebung der Ausbauziele für Windenergieanlagen auf See verlangen keine spezielle finanzielle Förderung. Trotzdem sollen beide Maßnahmen dazu beitragen, dass im Jahr 2030 ein Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch erreicht wird.
Demgegenüber hat das Kabinett die Offshore-Ausbauziele von 15 GW auf 20 GW bis 2030 erhöht, wobei eine installierte Leistung von 40 GW im Jahr 2040 angestrebt wird (Quelle: Montel). Abbildung 1 stellt die installierte Leistung von Windenergie auf See im Jahr 2010 und 2020 sowie die Ziele für die zwei nächsten Dekaden dar.
Aufgrund der in der Vergangenheit aufgetretenen Null-Cent-Gebote will die Regierung das Ausschreibungsdesign ändern. Sollten solche Nuller-Gebote abgegeben werden, kommt es zu einer zweiten Gebotsrunde (Quelle: Erneuerbare Energien).
Hingegen sind für die weiteren Maßnahmen des Corona-Konjunkturpakets finanzielle Förderungen notwendig. Zusammengenommen stellt die Finanzierung für Klimaschutz und Energiewirtschaft jedoch weniger als ein Viertel der Gesamtsumme des Pakets von 130 Mrd. EUR dar.
Die Ergebnisse des Koalitionsausschuss sind auf den Seiten des Bundesfinanzministeriums zu finden (Quelle: BMF). Abbildung 2 stellt die Finanzierungsbedarfe für die einzelnen Posten im Bereich der Energiewirtschaft dar.
Fokus 1: die EEG-Umlage
Die Absenkung oder Deckelung der EGG-Umlage im Jahr 2021 auf 6,5 ct/kWh und auf 6 ct/kWh im Jahr 2022 ist der größte Posten im Bereich der Energiewirtschaft. Durch diese Deckelung sollen Stromverbraucher finanziell entlastet werden. Für das Jahr 2020 liegt die EEG-Umlage bei 6,756 ct/kWh. Für das Jahr 2021 gehen Schätzungen bislang von einer EEG-Umlage von mehr als 8 ct/kWh aus.
Abbildung 3 zeigt, wie sich die EEG-Umlage seit dem Jahr 2010 entwickelt hat und wie sich diese ohne die Deckelung in den Jahren 2021 und 2022 aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich entwickelt hätte (Quellen: Agora Energiewende, PV Magazine).
Sinkende Börsenstrompreise aufgrund der geringeren Nachfrage während der Corona-Pandemie erhöhen die Differenzkosten für die Förderung der erneuerbaren Energien. Ein Teil des Finanzierungsbedarfs wird aus den Einnahmen des Bundesemissionshandelsgesetzes getragen, während der Rest von 11 Mrd. EUR durch Haushaltsmittel des Bundes finanziert werden soll.
Fokus 2: die Wasserstoffstrategie
Der zweitgrößte Punkt betrifft die Wasserstoffstrategie. Auch wenn die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung noch nicht final veröffentlicht ist, gibt es schon Hinweise auf die Inhalte. Bis 2030 sollen industrielle Wasserstoffproduktionsanlagen von bis zu 5 GW Leistung gebaut sein. Bis 2040 sollen weitere 5 GW an Elektrolyseuren hinzukommen.
Ebenfalls wird angestrebt, dass Produzenten von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage befreit werden, laut Corona-Konjunkturprogramm. Eine Förderung in Höhe von 7 Mrd. EUR soll für Finanzierung von Wasserstoffproduktionsanlagen und dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur im Inland zukommen. Für außenwirtschaftliche Partnerschaften, also der Umsetzung von Wasserstoffproduktion im Ausland für den späteren Import nach Deutschland, stehen weitere 2 Mrd. EUR zur Verfügung.
Fokus 3: die E-Mobilität
Die Entwicklung der E-Mobilität soll rascher vorangehen. Aus dem Corona-Konjunkturpaket stehen für unterschiedliche Maßnahmen insgesamt etwa 7 Mrd. EUR zur Verfügung. Die Kfz-Steuer soll für CO2-intensive Fahrzeuge ab dem 01.01.2021 weiter angehoben werden.
Die bereits geltende Befreiung von Elektrofahrzeugen von der Kfz-Steuer will die Regierung bis zum 31.12.2030 verlängern. Bis zum 31.12.2021 wird die Kaufprämie künftig statt 3.000 EUR nun 6.000 EUR betragen (Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs: 40000 EUR). Der Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur und die Förderung der Forschung und Entwicklung im Bereich der Batteriezellfertigung werden ebenfalls mitfinanziert.
Fokus 4: das CO2-Gebäudesanierungsprogramm
Für die Jahre 2020 und 2021 will das Kabinett das CO2-Gebäudesanierungsprogramm um eine Milliarde EUR auf 2,5 Mrd. EUR aufstocken. Darüber hinaus werden die Förderprogramme zur energetischen Sanierung kommunaler Gebäude und zur Förderung von Klimaanpassungsmaßnahmen ebenfalls mit einer Milliarde EUR unterstützt.
Bewertung des Corona-Pakets
Generell nahm die Energiebranche das Corona-Konjunkturpaket positiv auf. Zumindest hat sich die Regierung auf Maßnahmen einigen können. Plus: Eine von der Automobilindustrie geforderte Kaufprämie für Fahrzeuge mit Verbrennermotor hat seinen Weg nicht in das Paket gefunden.
Dennoch gibt es auch Kritik: „Zu wenige Gelder fließen in die klimagerechte Gebäudesanierung“, so der BUND. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer (Finanzierungsbedarf von 20 Mrd. EUR), also der Versuch die Wirtschaft mit dem Gießkannenprinzip wieder auf die Beine zu bringen, anstatt gezielte ökologische Anreize zu setzen, machen das Paket „bestenfalls blassgrün“, so Greenpeace-Klimaexperte Austrup. Der verstärkte Ausbau von Wind an Land und PV ist bislang auch nicht Teil der Diskussion (Quelle: PV Magazine).
Womöglich sind die Bestandteile des Pakets für den Klimaschutz und die Energiewirtschaft in der jetzigen Form der bestmögliche Kompromiss zwischen den Koalitionsparteien. Zumindest hat die Regierung den Fahrplan für die Finanzierung wichtiger Bereiche der Energiewirtschaft durch das Paket klarer umrissen und trotz der Corona-Pandemie zeitnah veröffentlicht. Allerdings wird auf mittelfristige Sicht eine größere Reform des EEGs und der Strombepreisung unumgänglich sein.
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