Sowohl die Deutsche Energiagentur (dena) als auch die Bundesnetzagnetur (BNetzA) zeigen in Veröffentlichungen, dass erneuerbare Energien verstärkt ausgebaut werden müssen für eine Energiewende mit Sektorkopplung. Neues aus der Gaswirtschaft: weniger Gas aus den Niederlanden und Zusammenlegung der Marktgebiete. Preise stabilisieren sich im Juni 2018 am langen Ende und weniger Wind hebt Spotniveau.

Energiemarkt Review Juni 2018

dena-Leitstudie und neuer Szenariorahmen der BNetzA

In der Leitstudie „Integrierte Energiewende“ hat die dena das deutsche Energiesystem bis 2050 unter die Lupe genommen. Grundlage ist eine stärkere Sektorkopplung mit Elektroautos, Wärmepumpen und synthetischen Kraftstoffen. Ein Technologiemix ist günstiger, als den Bedarf an Energie weitestgehend mit Strom zu decken. Eine Reduktion der Emissionen um 95 Prozent sei nur durch die umstrittenen CCS/CCU (Carbon Capture & Storage/Carbon Capture & Utilisation)-Technologien zu erreichen, so die Ergebnisse der Studie. Weiterhin geht die dena davon aus, dass der Bedarf an synthetischen Brenn- und Kraftstoffen zwischen 150 und 900 TWh schwankt. Ein Großteil davon müsste aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden. Dennoch sollten für die Erprobung und die Entwicklung des Power-to-X-Marktes bis zu 15 Gigawatt an Power-to-Gas-Anlagen installiert werden. Die Autoren plädieren auch  dafür,  den Ausbaukorridor für erneuerbare Energien anzuheben, um etwa 180 GW Onshore Wind, 33 GW Offshore Wind und 160 GW Photovoltaik bis 2050 zu erreichen. Die Studie finden Sie hier.

Auch die Ergebnisse des neuen Szenariorahmens für die Netzentwicklungsplanung 2030 der Bundesnetzagentur zeigen: Ein verstärkter Ausbau von Erneuerbaren ist notwendig, wenn das 65-Prozent-Ziel für 2030 erreicht werden soll. Der Rahmen beschreibt die wahrscheinlichen Entwicklungen des Stromsektors. Er dient auch als Grundlage für die Übertragungsnetzbetreiber, um den Netzausbaubedarf zu ermitteln. Im progressivsten Szenario (C 2030) geht die BNetzA von 10 Millionen Elektrofahrzeugen in 2030 aus mit einem Jahresverbrauch von 25 TWh und 4,1 Millionen Wärmepumpen mit einem Jahresverbrauch von 29 TWh. Weiterhin seien 16 GW großtechnische Power-to-Heat-Anlagen mit einem Verbauch von 19 TWh zu installieren. Für Power-to-Gas ermittelte die BNetzA einen zusätzlichen Strombedarf von 9 TWh bei einer installierten Leistung von 3 GW. Für den Nettozubaubedarf für Wind und Solar ergeben sich somit etwa 4 bis5 GW pro Jahr bis 2030.

All diesen Szenarien zum Trotz kommt das sogenannte 100-Tage-Gesetz mit Sonderausschreibungen für Wind und Solar erst nach der parlamentarischen Sommerpause. Gleiches gelte auch für das Netzausbau-Beschleunigungsgesetz. Auf dem BDEW-Kongress bat Wirtschaftsminister Altmaier daher um eine Denkpause, um im zweiten Halbjahr dann eine Gesetz zu verabschieden, dass nicht mehr „angefasst“ werden müsse (Quelle: Energate).

Die politischen Rahmenbedingungen stehen derzeit zumindest weit hinter dem, was in den Szenarien gefordert wird.

Kohlekommission nimmt Arbeit auf

Offiziell nahm die Kohlekommission am 26. Juni 2018 ihre Arbeit auf. So sollen die Experten bis Ende des Jahres erste Ergebnisse, inklusive Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung erarbeiten, so Umweltministerien Schulz. Demgegenüber sprach Wirtschaftsminister Altmaier direkt vom doppelten Auftrag der Kommission: „Es geht um den Klimaschutz, aber auch und zwar prominent um Arbeitsplätze“ (Quelle: Energate).

So ist es auch wenig verwunderlich, wenn die Erwartungen an die Kommission stark auseinandergehen. Für die Umweltverbände ist ein schneller Ausstieg aus der Kohleverstromung oberstes Ziel. Demgegenüber sprechen die Wirtschaftsverbände von der Notwendigkeit einer realistischen Politik. Es sollen zwei Arbeitsgruppen gegründet werden: eine für den Strukturwandel und eine für den Klimaschutz/Kohleausstieg.

Ob die sich verfestigende Klimaschutzlücke für 2020 eine Rolle bei den Diskussionen innerhalb der 31-köpfigen Kommission spielen wird, sei dahingestellt. Zumindest musste die Bundesregierung auf dem Petersberger Klimadialog vor internationalem Publikum eingestehen, dass die Ziele für 2020 nicht erreicht werden und man „alle Hände voll zu tun“ habe (Quelle: SZ). Nach derzeitigem Stand wird nur ein Rückgang der CO2-Emissionen von 32 Prozent erreicht, anstatt von 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990.

Ausschreibungen für KWK und Solar senken Preise weniger

Die Anzahl der Gebote bei der Ausschreibung für KWK-Anlagen ging zurück. So haben nur 14 Gebote mit einer Erzeugungskapazität von 91 MW einen Zuschlag erhalten. Das Ausschreibungsvolumen von insgesamt 93 MW wurde nicht ganz ausgeschöpft. Mit einem durchschnittlichen Zuschlagswert von 4,31 ct/kWh lag das Preisniveau über dem der Ausschreibung im Dezember 2017, aber dennoch deutlich unter dem zulässigen Höchstwert von 7 ct/kWh. Homann, Präsident der BNetzA erklärt: „Die Ausschreibungen haben sich als wettbewerbliches Instrument zur Festlegung der KWK-Förderung bewährt.“ Die meisten Zuschläge haben sich Stadtwerke gesichert.

Bei den Solaranlagen scheint der Preisverfall in den Ausschreibungen erst einmal gestoppt. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag in der letzten Ausschreibung bei 4,59 ct/kWh und somit um 0,26 ct/kWh über dem der Februarrunde. Dennoch war die PV-Ausschreibung mit einem Eingangsvolumen von 360 MW, aber nur 183 MW an Zuschlägen deutlich überzeichnet. Das Preisniveau hat sich seit 2015 von 9 ct/kWh auf nun gut unter 5 ct/kWh etwa halbiert. Der Hamburger Projektierer Enerparc war mit 15 der 28 erfolgreichen Gebote Gewinner dieser Ausschreibung. Abbildung 1 zeigt den durchschnittlichen Zuschlagswert für PV-Ausschreibungen seit April 2015.

Ausschreibungsergebnisse für PV in Deutschland (Quelle: BNetzA/Energy Brainpool)

Abbildung 1: Ausschreibungsergebnisse für PV in Deutschland (Quelle: BNetzA/Energy Brainpool)

Weltweite Gasnachfrage steigt, Gasförderung in den Niederlanden stärker reduziert

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht weltweit davon aus, dass die Gasnachfrage um 1,6 Prozent pro Jahr steigen wird. Dies ist dem aktuellen Gasmarktbericht „Gas 2018“ zu entnehmen. Die größte zusätzliche Nachfrage wird aus China kommen. Das Land der aufgehenden Sonne wird im Jahr 2019 Japan als größten Gasimporteur ablösen. So soll sich die weltweite Gasnachfrage bis 2027 auf 4100 Mrd. Kubikmeter erhöhen. Die IEA sieht auch LNG weiter auf dem Vormarsch und prognostiziert einen LNG-Anteil am Weltmarkt von 40 Prozent bis 2023 (Quelle: IEA).

Demgegenüber wird die Regierung in den Niederlanden keine weiteren Gasfelder genehmigen. Dies hat Wirtschaftsminister Wiebes erklärt. Neben dem großen Feld in Groningen verfügt die Niederlande noch über etwa 240 weitere kleine Gasfelder. Die Förderung aus diesen Feldern soll spätestens 2030 unter die Marke von 10 Mrd. Kubikmetern fallen. Auch für die Förderung von L-Gas aus dem Feld nahe bei Groningen hat die Regierung verfügt: Die Sicherheit der Anwohner geht vor die Versorgungsicherheit der Allgemeinheit geht (Quelle: Energate).

Somit wird im größten niederländischen Gasfeld die Produktion wohl stärker zurückgefahren als vorher geplant. Bisher war die Rede davon, die Förderung von 21,6 Mrd. Kubikmeter heute auf rund 12 Mrd. Kubikmeter im Jahr 2022 zu reduzieren. Nun erläuterte Wiebes, dass die Fördermenge von 12 Mrd. Kubikmeter voraussichtlich schon im Jahr 2020 erreicht wird. Damit stehe auch der Weg offen für 2022, ein Förderniveau von nur noch 4 Mrd. Kubikmeter zu erreichen. Am 14. November 2018 soll die endgültige Version des Förderbeschlusses veröffentlicht werden. Um die starke Reduktion der L-Gasförderung zu ermöglichen, werden industrielle und gewerbliche L-Gaskunden in den Niederlanden derzeit auf H-Gas oder eine alternative Energieversorgung umgestellt. Auch die schnelle Umstellung von L- auf H-Gas in Deutschland trage einen wichtigen Teil bei (Quelle: Energate).

Um diesen Wandel in der Region um Groningen zu ermöglichen, stellen Shell und Exxon Mobile, die zusammen das Feld in Groningen explorieren, 500 Mio. EUR zur Verfügung (Quelle: Energate). Durch den vorzeitigen Ausstieg aus der L-Gasförderung bleibt eine Gasmenge von etwa 450 Mrd. Kubikmetern mit einem Wert von 70 Mrd. EUR im Boden.

Eine weiter Neuigkeit aus dem Gasmarkt: Die beiden deutschen Marktgebiete werden am 1. Oktober 2021 fusionieren. Darauf haben sich die Fernleitungsnetzbetreiber zusammen mit der BNetzA geeinigt. Es gelte nun, offen mit den Marktteilnehmern zu sprechen, wie diese Zusammenlegung umgesetzt wird. (Quelle: ZfK).

Kosten für Netzeingriffe auf Rekordhoch

Die Kosten für Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen für das Jahr 2017 sind auf ein Rekordhoch von 1,4 Mrd. EUR gestiegen. Somit wurde auch das Rekordjahr von 2015 mit Kosten von 1,1 Mrd. EUR übertroffen. Insbesondere die Wetterverhältnisse als auch der hohe Zubau von Windenergie im vergangenen Jahr waren Ursache für den Anstieg.

Auf der anderen Seite erlaubt die Bundesregierung nun, Reststrommengen aus Kernkraftwerken auf andere Kernkraftwerke im Netzausbaugebiet in Norddeutschland zu übertragen. So können insbesondere die Kernkraftwerke Brokdorf und Emsland mehr Strom produzieren. Dass die Erzeugung aus diesen Grundlastkraftwerken allerdings die Nutzung von Ökostrom blockiert (unsere Analyse dazu hier) und noch höhere Erzeugungsmengen dieses Problem verschärfen, hat die Bundesregierung nicht gelten lassen.

Sicher ist: Durch die Übertragung von Reststrommengen auf Kernkraftwerke im Netzausbaugebiet werden die Kosten für Netzeingriffe tendenziell steigen als fallen.

Preise stabilisieren sich

Nach den großen Preissprüngen im April und Mai 2018 haben sowohl die Kohl, als auch die CO2-Zertifikatspreise Anfang Juni 2018 nach unten nachgegeben. CO2 fiel bis auf unter 14,5 EUR/Tonne, während Kohle um einen Verlust um mehr als 15 USD/Tonne auf unter 85 USD/Tonne hinnehmen musste. Dementsprechend waren auch die Preise für das Jahresband Grundlaststrom für Deutschland eher stabil und pendelten im Juni 2018 zwischen 40 und 42,5 EUR/MWh. Nur zum Ende Juni stieg insbesondere durch die Ergebnisse des OPEC-Gipfels (nur eine geringe Erhöhung der Fördermenge) von 71 USD/Barrel auf 77 USD/Barrel. Im Zuge dessen zogen auch die anderen Commodities mit und erreichten Ende Juni ähnliche Werte wie Ende Mai. Abbildung 2 zeigt den Preisverlauf für Öl (Candle Charts) und für das Kalenderjahr 2019 Baseload Deutschland im Vergleich.

Relative Preisentwicklung von Öl (Brent; Candle Sticks) und Baseload Strom Deutschland für 2019 (gelbe Linie) im Mai und Juni 2018, (Quelle: Montel)

Abbildung 2: Relative Preisentwicklung von Öl (Brent; Candle Sticks) und Baseload Strom Deutschland für 2019 (gelbe Linie) im Mai und Juni 2018, (Quelle: Montel)

Auf der kurzfristigen Seite war vor allem die geringe Windeinspeisung bemerkbar. So sorgte diese für ein insgesamt hohes Niveau im Spotmarkt für Strom und kratzte mehrmals beinahe an der Schwelle zur 50 EUR/MWh. Diese wurde durch die hohe PV-Einspeisung allerdings nicht erreicht.

Einzig die Tage vom 21.6.2018 bis 25.6.2018 waren auch durch höhere Windeinspeisung und somit auch tiefere Spotmarktpreise geprägt. Abbildung 3 verdeutlicht dies. Außerdem wird die Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Emsland am 12. Juni nach der jährlichen Revision deutlich. Diese schlägt sich dann insbesondere nieder auf die geringere Erzeugung aus Stein- und Braunkohlekraftwerken. Negative Preise traten im Juni 2018 nicht auf.

Stromerzeugung und Spotpreise im Juni 2018 in Deutschland, (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 3: Stromerzeugung und Spotpreise im Juni 2018 in Deutschland, (Quelle: Energy Brainpool)