Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister hat die zweite von drei Warnstufen des Notfallplans Gas ausgerufen. Das EU-Parlament hat sich auf die Reform des Emissionshandels geeinigt. Die Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land waren erstmalig seit drei Ausschreibungsrunden wieder unterzeichnet. Auf den Kurzfristmärkten sowie auf den Terminmärkten herrscht bullishe Stimmung.

Seit dem 15. Juni hat Russland die Gasversorgung über die Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent gesenkt.

Notfallplan Gas: Alarmstufe wurde ausgerufen

Wirtschafts- und Klimaschutzminister, Robert Habeck, (Grüne) hat angesichts niedriger Gasflüsse aus Russland die zweite Warnstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Damit wird die bislang geltende Frühwarnstufe abgelöst. Das bedeutet, dass der Markt weiterhin selbstständig die Versorgung aufrechterhalten kann. Aber die Bundesregierung ist ermächtigt, mit Maßnahmen ins Marktgeschehen einzugreifen (Quelle: energate-messenger).

Unter anderem hat die Bundesregierung dem deutschen Gasmarktgebietsbetreiber Trading Hub Europe (THE) 15 Mrd. Euro freigegeben, um Gas zu beschaffen. THE hat die Zielsetzung bis Oktober 80 Prozent und bis November 90 Prozent der Erdgasspeicher zu befüllen. Schlussendlich ist die Bundesnetzagentur dafür verantwortlich, zu prüfen, ob die Speicherziele erreicht werden. Gegebenenfalls kann sie eingreifen. Wenn Nord Stream 1 weiterhin auf dem aktuell niedrigen Niveau verharrt, wird es nicht möglich sein die Ziele für die Speicherfüllstände zu erreichen. Unklar ist zudem, ob Gazprom nach der Wartung im Juli 2022 den Betrieb von Nord Stream 1 wieder aufnehmen wird (Quelle: ndr).

Um die Energieversorgung zu sichern und unabhängiger von russischen Energielieferungen zu werden, wurden Kohlekraftwerke, die im Oktober dieses Jahr aus dem Netz gehen müssen, nun aufgefordert den Betrieb fortzusetzen (Quelle: Montel). Weiterhin sind die LNG-Importe nach Europa und in die Türkei um ein Drittel gewachsen. Im Schnitt wurden im Juni pro Woche 2,3 Mrd. m3 LNG importiert (Quelle: Montel).

EU-Parlament stimmt für Emissionshandel-Reform

Nach langer Diskussion hat das EU-Parlament sich auf eine Reform für den Emissionshandel geeinigt. In der Gesetzesänderung ist festgelegt, dass der jährliche CO2-Reduktionspfad auf 4,2 Prozent angehoben werden soll. Der derzeitige Reduktionsfaktor liegt bei 2,2 Prozent. Außerdem ist im Entwurf festgehalten, dass einmalig 117 Mio. Zertifikate aus dem Emissionshandel entzogen werden. Damit sollen Anreize für CO2-mindernde Maßnahmen geschaffen werden.

Es wird angestrebt, dass die CO2-Emissionen der Industrie 2030 gegenüber 2005 um 63 Prozent sinken. Damit wurde das Ziel um zwei Prozent angehoben (Quelle: Montel). Zu den Neuregelungen gehört auch, einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus für Importe in die EU (CBAM) einzuführen und einen EU-Klimasozialfond einzurichten. Der CBAM verhindert, dass sich die Produktion verlagert oder die Einfuhr von CO₂-intensiven Erzeugnissen. Ab 2027 bis 2032 gilt der CBAM zunächst für Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Strom. Danach erweitert sich die Regelung auch auf andere Waren. Ab 2032 laufen auch die kostenlosen Emissionszertifikate für die Industrie aus (Quelle: energate-messenger).

Trotz der hohen CO2-Preise ist der Treibhausgas-Emissionsausstoß in Deutschland 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent gestiegen. Das ist größtenteils auf die wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Pandemie zurückzuführen. Auf Aussage des Umweltbundesamtes gab es zudem eine geringe Windeinspeisung. Darüber hinaus führte der Anstieg vom Erdgaspreis dazu, dass immer mehr Stein- und Braunkohlekraftwerke genutzt wurden, um Strom zu erzeugen (Quelle: energate-messenger). Wie sich die Treibhausgase seit 1990 entwickelt haben, ist in Abbildung 1 dargestellt.

Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen seit 1990 nach Gasen (Quelle: Umweltbundesamt), Energiemarkt-Review Juni, Energy Brainpool

Abbildung 1: Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen seit 1990 nach Gasen (Quelle: Umweltbundesamt)

Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land deutlich unterzeichnet

Im Juni hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Ergebnisse der Ausschreibung veröffentlicht für Onshore-Windenergie-Anlagen vom 1. Mai 2022. Dabei hat die Bundesbehörde  für die ausgeschriebene Menge von 1,3 GW 114 Gebote über knapp 931 MW bezuschlagt. Erstmals war die Ausschreibung nach zwei überzeichneten Runden um 28 Prozent der ausgeschriebenen Menge unterzeichnet.

Die letzte Ausschreibungsrunde im Februar 2022 hingegen war mit 147 eingereichten Geboten leicht überzeichnet. Die Ausschreibungsmengen, wie auch die eingereichten Mengen aller Ausschreibungen für Onshore-Wind, sind in Abbildung 2 zu erkennen.

Ausschreibungsmengen und einreichte Mengen der Onshore-Windausschreibungen seit 2017 (Quelle: Energy Brainpool), Juni-Energiemarkt-Review

Abbildung 2: Ausschreibungsmengen und einreichte Mengen der Onshore-Windausschreibungen seit 2017 (Quelle: Energy Brainpool)

Der durchschnittliche, mengengewichtete Zuschlagswert lag in dieser Ausschreibungsrunde bei 5,85 ct/kWh. Dabei betrug der höchste Gebotswert 5,88 ct/kWh und der niedrigste Gebotswert 5,44 ct/kWh (Quelle: Bundesnetzagentur). Im Vergleich zur Ausschreibungsrunde im Februar mit 5,76 ct/kWh ist der durchschnittliche, mengengewichtete Zuschlagswert gestiegen. Die meisten Zuschläge erhielten mit insgesamt Projekte aus Schleswig-Holstein (224 MW) und Nordrhein-Westfalen (198 MW) und Niedersachsen (178 MW).

Dieses Jahr möchte die BNetzA insgesamt vier Gigawatt ausschreiben. Zu den drei geplanten Ausschreibungsrunden soll zudem eine weitere im Dezember stattfinden. Derzeit sind knapp 60 GW Onshore-Windkapazität installiert. Unter anderem möchte die Bundesregierung mittels der Ausschreibungen die Kapazität bis 2030 verdoppeln. Damit soll das angestrebte Ziel von 80 Prozent erneuerbarer Energien erreicht werden (Quelle: Montel).

Frontjahr Strom erzielt innerhalb einer Woche zwei Allzeithochs

Der stark wachsende Gaspreis wird durch die niedrigen Gasflüsse über Nord Stream 1 und die Angst vor einem Lieferstopp gestützt. Damit bewegt sich der Gaspreis derzeit auf dem dreifachen Niveau im Vergleich zum Vorjahr.

Über den Monat hinweg hat der Strompreis, getrieben durch die hohen Gaspreise, zugenommen. Nachdem der Deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, die zweite Warnstufe für Gas ausgerufen hat, ist der Cal 23 auf ein Rekordhoch von 262 EUR/MWh gestiegen (Quelle: Montel). Aufgrund der niedrigen Handelsliquidität und der Angst vor einer Angebotsverknappung hat er kurz danach ein neues Allzeithoch von 282 EUR/MWh erreicht. Der kurze Rückgang zur Monatsmitte ist darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung zu dem Zeitpunkt den Plan für die Markteingliederung von Kohlekraftwerken vorgelegt hat (Quelle: energate-messenger).

In naher Zukunft werden damit Kraftwerke, die in Reserve waren, wieder an das Stromnetz angeschlossen. Das hat wiederum die Kohlepreise beflügelt, die über den Monat hinweg um 12 Prozent gewachsen sind. Zudem stützte der Preisanstieg am Gasmarkt CO2-Notierungen und den Kohlepreis. Die Kohlelagerbestände in den nordwesteuropäischen Terminals befinden sich auf einem 2,5 Jahreshoch – aufgrund der Befürchtung, zukünftig nicht genug Gas zur Verfügung zu haben (Quelle: Montel). Die Sorge um die Füllstände der Erdgasspeicher beflügeln die Preise auf den Terminmärkten weiterhin.

prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (rote Linie), des Frontjahres Gas am TTF (orangenfarbene Linie) und des Frontjahrs Kohle (gelbe Linie) von Anfang Juni bis Ende Juni (Quelle: Montel),Juni-Energiemarktreview, Energy Brainpool

Abbildung 3: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (rote Linie), des Frontjahres Gas am TTF (orangenfarbene Linie) und des Frontjahrs Kohle (gelbe Linie) von Anfang Juni bis Ende Juni (Quelle: Montel)

Viel Sonne und wenig Wind

Der Anteil an erneuerbaren Energien lag im Juni 2022 mit durchschnittlich 49,8 Prozent unter dem Wert der letzten zwei Monate, jedoch im Vergleich zum Vorjahr (46,2 Prozent) etwas höher. Über den Monat hinweg gab es eine geringe Windeinspeisung, sodass sich die Windenergie mit 5,2 TWh im Juni auf niedrigstem Niveau seit einem Jahr bewegte (Quelle: Energy-Charts). Die Solareinspeisung liegt mit 7,8 TWh auf den saisonalen Durchschnittswerten. Die niedrige Windeinspeisung hat die hohen Preise auf den Kurzfristmärkten gestützt.

Der Day-Ahead ist auf das höchste Niveau seit März gestiegen (Quelle: Montel). Die Preise auf den Kurzfristmärkten bewegen sich aufgrund der niedrigen Windeinspeisung und der allgemein hohen Brennstoffkosten auf hohem Niveau. Gaspreise notierten bis zu 140 EUR/MWh – dem höchsten Niveau seit Anfang März (Quelle: Montel).

In Abbildung 4 sind die Stromerzeugung und der Verbrauch im Juni 2022 dargestellt.

Stromerzeugung und Verbrauch im Juni 2022 in Deutschland (Quelle: Energy-Charts), Juni-Energiemarkt-Review, Energy Brainpool

Abbildung 4: Stromerzeugung und Verbrauch im Juni 2022 in Deutschland (Quelle: Energy-Charts)

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