Die Energiemärkte bleiben im Juli 2022 wegen dem anhaltenden Russland-Ukraine-Krieg in Aufruhr. Die Preise auf den Kurzfrist- und Terminmärkten schwanken durch die neuen Entwicklungen. Der Energiekonzern Gazprom drosselt die Lieferungen um die Hälfte. Um Deutschlands Abhängigkeit vom russischen Gas zu senken, ist die Marktrückkehr von Stein- und Ölkraftwerken, die in der Netzreserve warten, geplant. Der Bundestag hat eine neue EEG-Novelle in die Wege geleitet, welche die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien angehoben haben.

Gaskrise: Russland reduziert Gasfluss

Am 11. Juli starteten geplante Wartungsarbeiten an Nord Stream 1. Hierfür waren zehn Tage vorgesehen. Deshalb sind während den Wartungsarbeiten die Gasflüsse auf null gesenkt worden. Und schon vier Wochen vor der geplanten Wartung wurde die Kapazität auf 40 Prozent gedrosselt. Die rote Linie in Abbildung 1 zeigt den Import von Erdgas aus Russland über die Pipeline Nord Stream 1. Russland begründet die Senkung mit einer kaputten Gasturbine, die in Kanada repariert werden muss, wegen der Sanktionen aber wochenlang nicht mehr zurück geliefert wurde. Letztlich erteilte Kanada eine Ausnahmegenehmigung (Quelle: Handelsblatt).

Während den Wartungsarbeiten hatten viele Marktteilnehmer die Befürchtung, dass Russland die Gasflüsse ganz aussetzen wird. Das hat die Preise auf den Termin- und Kurzfristmärkten in die Höhe getrieben. Mehr dazu erfahren Sie in den nächsten Abschnitten (Quelle: Montel).

Ende Juli drohte der russische Energiekonzern Gazprom erneut mit weiteren Drosselungen. Ab dem 27. Juli werde die Kapazität auf unabsehbare Zeit auf 33 Mio. Kubikmeter/Tag runtergefahren, wenn eine weitere, sich in Kanada zur Reparatur befindende Turbine nicht rechtzeitig wieder zur Verfügung stehe. Das ist ungefähr die Hälfte der maximalen Kapazität. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) kritisiert, dass die Drosselung nicht auf technische Probleme zurückzuführen, sondern dass die Handlung politisch motiviert sei. Zudem betont er, dass der Gasverbrauch in Deutschland und Europa gesenkt werden muss, um einen Ausweg aus der Energiekrise zu finden (Quelle: Der Tagesspiegel).

Abbildung 1: Tägliche physische Gasflüsse von Februar 2022 bis Juli 2022 (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 1: Tägliche physische Gasflüsse von Februar 2022 bis Juli 2022 (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Marktrückkehr von 6 GW aus der Netzreserve

Die Bundesregierung hat am 13. Juli 2022 eine Verordnung erlassen, nach der knapp 6 GW Netzreservekraftwerke in den Strommarkt zurückkehren dürfen. Dieser Beschluss gilt zunächst bis April 2023. Darunter fallen zum einen Kraftwerke, die bereits in Reserve sind, zum anderem 2,1 GW Steinkohlekraftwerke, die dieses Jahr den Strommarkt hätten verlassen sollen. Durch die Verordnung ist geplant, im Sommer Gas einzusparen, um die Reserven für den Winter weiter aufzustocken. Insgesamt sollen in diesem Winter in Deutschland 5-10 TWh eingespart werden. Der Brennstoff soll insbesondere in der Fernwärme und in der Industrie Einsatz finden.

Sofern es absehbar wird, dass die Marktteilnahme der Steinkohle- und Ölkraftwerke nicht ausreicht, soll ebenfalls die Versorgungsreserve Braunkohle am Strommarkt teilnehmen können. Robert Habeck (Grüne) hatte bereits angekündigt, dies auch schon vor Ausrufen der höchsten Alarmstufe des Gasnotfallplanes tun zu wollen (Quelle: Montel).

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte, dass die Rückkehr der fossilen Kraftwerke eine befristete Notfallmaßnahme und damit nur von kurzer Natur sei (Quelle: energate-messenger). Gleichzeitig beschloss der Bundestag den Wind- und Solarausbau auf 360 GW für 2030 anzuheben. Damit würde die derzeit installierte Leistung von 117 MW verdreifacht werden (Quelle: Montel).

Bundestag beschließt neue EEG-Novelle

Der Bundesrat hat am 8. Juli 2022 das vom Bundestag am 7. Juli 2022 verabschiedete Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor durchgewunken.

Die Maßnahmen in der Novelle untermauern das Ziel, 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Allen voran wurden ambitioniertere Ausbauziele für erneuerbare Energien beschlossen. Im Jahr 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Um den Ausbau weiter zu verstärken, werden die Ausschreibungsmengen für PV und Wind erhöht. Insbesondere erhöht das Gesetz das Ausschreibungsvolumen für Freiflächenanlagen (Quelle: Euractiv).

Ausschreibungen für Anlagen zur Produktion von Strom aus grünem Wasserstoff in das EEG wurden ebenfalls eingefügt. Die Bundesnetzagentur versteigert im Jahr 2023 Förderungen für 800 MW Leistung zur Rückverstromung von grünem Wasserstoff. In den darauffolgenden Jahren steigt das Ausschreibungsvolumen um jeweils 200 MW.

Zusätzlich erhalten sogenannte Volleinspeiser mehr Vergütung. Das sind Anlagen, welche ihren Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Auch Überschussstrom aus neuen Eigenverbrauchsanlagen soll wieder deutlich besser vergütet werden. Zudem gelten die Vergütungssätze nicht erst ab 2023, sondern ab dem Tag der Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Abbildung 2 bildet die Erhöhung der Vergütungsmengen ab. Die EEG-Umlage, die bereits auf null gesenkt worden war, wurde nun endgültig abgeschafft. Die Änderungen treten zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft, spätestens jedoch zum 01.01.2023 (Quelle: Bundesrat).

Abbildung 2: Fördersätze nach Anlagentyp und –größe in ct/kWh (Quelle: Ökozentrum, 2022)

Abbildung 2: Fördersätze nach Anlagentyp und –größe in ct/kWh (Quelle: Ökozentrum, 2022)

Nord Stream 1 schürt Unsicherheit und treibt Preise

Die Gasversorgung von Nord Stream 1 hält den Terminmarkt weiter in Atem. Zu Beginn des Monats drosselte Russland die Gasflüsse durch Nord Stream 1. Die darauffolgenden zehn Tage Wartungsarbeiten trugen dazu bei, dass der Gaspreis stark anstieg. Am 15. Juli sind die Gaspreise mit Rückkehr norwegischer Gasflüsse gefallen. Diese konnten aufgrund von ungeplanten Reparaturen kurzzeitig nicht verwendet werden.

Gegen Ende des Monats stieg der Gaspreis mit der Ankündigung Gazproms, ab Mittwoch nur noch 20 Prozent der vollen Kapazität zu liefern. Die Marktteilnehmer befürchten einen Gasmangel im Winter und das treibt deutlich die Preise.

Der Strompreis orientiert sich am Gaspreis und erzielte Anfang des Monats ein erstes Allzeithoch bei 350 EUR/MWh. Am Ende des Monats stieg das Cal 23 Base Prozent auf ein bis dahin neues Allzeithoch bei 380 Euro/MWh (Quelle: energate-messenger).

Angesichts der sich weiter verschärfenden Gaskrise und damit verbundenen Rezessionssorgen sinkt der EUA-Leitkontrakt über den Monat um zwölf Prozent. Am 20. Juli fiel der CO2 Dezember-Future auf 79,01 Euro/t CO2 ab auf den tiefsten Stand seit Mitte Mai. Die volatilen Notierungen werden weiter durch Unsicherheiten am Gasmarkt gestützt (Quelle: energate-messenger).

Die prozentuale Preisentwicklung der Commodities ist in Abbildung 3 zu sehen.

Abbildung 3: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (orangefarbene Linie), des Frontjahres Gas am TTF (grünee Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) von Anfang Juni bis Ende Juli (Quelle: Montel, 2022)

Abbildung 3: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (orangefarbene Linie), des Frontjahres Gas am TTF (grünee Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) von Anfang Juni bis Ende Juli (Quelle: Montel, 2022)

Wenig Wind und hohe Temperaturen

Der Anteil an erneuerbare Energien an der Nettostromerzeugung war mit 51,5 Prozent im Juli etwa vier Prozent höher als im Vorjahr und liegt auf dem Jahresdurchschnitt. Die Nettostromerzeugungsmenge von den erneuerbaren Energieträgern betrug knapp 35,5 TWh. Genauer gesagt, bewegte sich die Solareinspeisung auf normalem Niveau, dahingegen lag die Windeinspeisung unter dem Durchschnitt. Die Temperaturen bewegen sich auf einem ungewöhnlich hohen Niveau und liegen etwa drei Grad über der Norm. Die Hitzewelle in Deutschland stützt die Preise auf den Kurzfristmärkten (Quelle: Montel).

Der Day-Ahead-Preis überstieg die Hürde von 400 Euro/MWh. Für den Baseload-Kontrakt am 27. Juli wurden im Handel der EPEX SPOT 424,49 Euro/MWh fällig. Der Grund für das hohe Niveau sind neben geringer Winderzeugung auch die Unsicherheit über die Entwicklung von Nord Stream 1 und die geringe Erzeugung von französischer Kernkraftwerke. Der Spotpreis hatte im März diesen Jahres das erste Mal so ein hohes Niveau erreicht und stieg auf das Rekordniveau von 485,57 Euro/MWh (Quelle: energate-messenger).

In Abbildung 4 sind die Stromerzeugung und der Verbrauch im Juli 2022 dargestellt.

Abbildung 4: Stromerzeugung und Verbrauch im Juli 2022 in Deutschland (Quelle: Energy-Charts, 2022)

Abbildung 4: Stromerzeugung und Verbrauch im Juli 2022 in Deutschland (Quelle: Energy-Charts, 2022)

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Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 3: https://www.montelnews.com/

Abbildung  4: https://energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&stacking=stacked_absolute_area&interval=month&year=2022&month=07&download-format=image%2Fjpeg