Das Jahr 2022 startet mit der Vorbereitung einiger Gesetzesänderungen. Zum einen will die Bundesregierung ein Gesetzespaket zur Erreichung der Ausbaupfade für erneuerbare Energien beschließen, zum anderen wird derzeit über die EU-Taxonomie diskutiert. Eine Gesetzesreform bezüglich der Kündigung von Stromverträgen ist in Planung.

Robert Habeck legt die Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz vor

Bei der Eröffnungsbilanz des Ministeriums für Klimaschutz am 11. Januar 2022 leitete der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Rede wie folgt ein: „Wir starten mit einem drastischen Rückstand. Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden”. Deshalb ist eine Reihe von Maßnahmen notwendig, um dem entgegenzusteuern. Die dafür notwendigen Ausbaupfade für Wind und PV zeigt Abbildung 1. Das erste Gesetzespaket soll im Kabinett bereits im April verabschiedet werden (Quelle: BMWI).

Entwicklung und Ausblick auf die Ausbaupfade Wind auf Land, Wind auf See und Photovoltaik (Quelle: Energy Brainpool nach AGEE-Stat – Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistiken, 2022 [1] )

Abbildung 1: Entwicklung und Ausblick auf die Ausbaupfade Wind auf Land, Wind auf See und Photovoltaik (Quelle: Energy Brainpool nach AGEE-Stat – Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistiken, 2022 [1] )

Diese Sofortmaßnahmen möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeitnah durchsetzen (Quelle: BMWI):

  • EEG-Novelle: Die Ausschreibungsmengen werden erhöht, um das Ziel von 80 Prozent Grünstrom bis 2030 zu erreichen. Ausgangspunkt ist ein Bruttostromverbrauch von 715 TWh.
  • Solarenergie: Das Solarbeschleunigungspaket, ein Bündel aus Einzelmaßnahmen, soll dazu dienen, Solarenergie voranzutreiben. Mitinbegriffen sind unter anderem bessere Fördersätze für neue PV-Anlagen, höhere Ausschreibungsvolumina und eine Photovoltaik-Pflicht im Gewerbe, um in Zukunft so viele Dachflächen wie möglich für Solarenergie zu nutzen.
  • Windenergie: Bei der Windenergie ist vorgesehen, den Ausbauprozess mit einem Wind-an-Land-Gesetz zu beschleunigen. Hierfür ist eine Fläche von zwei Prozent ausschließlich für Windenergie angedacht. Dies entspricht dem Vierfachen der bisherigen Fläche.
  • Senkung des Strompreises: Ab 2023 soll die EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanziert werden. Ziel ist es, Verbraucher:innen mit den Stromkosten zu entlasten.
  • Klimaschutzverträge mit der Industrie: Fokus sind die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für sogenannte Klimaschutzdifferenzverträge („Carbon Contracts for Difference“). Verlässliche Förder- und Investitionsrahmen sollen die Planungssicherheit von Unternehmen erhöhen.
  • Wärmestrategie: Ziel ist es, 50 Prozent der Wärme bis 2030 klimaneutral zu erzeugen. Unter anderem wird dafür das Gebäudeneergiegesetz überarbeitet, sodass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben wird.
  • Wasserstoffstrategie: Die Ampelkoalition möchte das nationale Ausbauziel von Wasserstoff für 2030 von 5.000 auf 10.000 MW zu erhöhen. Um den Markthochlauf von Wasserstoff zu begünstigen, soll die nationale Wasserstoffstrategie noch in diesem Jahr angepasst und zusätzliche Förderprogramme eingerichtet werden.

Gespaltene Meinungen zur EU-Taxonomie

Am 31. Dezember 2021 stellte die EU-Kommission ein Konzept vor, welches Erdgas und Kernenergie künftig in der EU-Taxonomie als nachhaltige Investition einordnet. Damit wird sichergestellt, dass Anleger bei Investitionen in umweltfreundliche Projekte nun auch von der gleichen Grundlage ausgehen können (Quelle: EU-Kommission).

Die 27 EU-Mitgliedstaaten hatten zunächst bis zum 12. Januar, nach einer Verlängerung bis zum 21. Januar Zeit, auf den Entwurf zu reagieren und Stellung zu beziehen. Während Deutschland ein klares „Nein“ zur Atomkraft äußert, ist die Meinung zu Gas gespalten. Die Bundesregierung bezeichnet sie als „Brückentechnologie“, welche Übergangsweise und unter bestimmten Voraussetzungen der richtige Weg ist, um dem CO2-Ausstoß zu senken und den Kohleausstieg möglich zu machen. Zahlreiche Klimaschutzorganisationen in Deutschland appellierten an die Koalition, beide Energieträger als nicht umweltfreundlich einzustufen, da damit falsche Signale gesendet werden und die Energiewende somit bedroht wird (Quelle: tagesschau).

Da es sich um einen delegierten Rechtsakt handelt, tritt er ohne Widerspruch automatisch in Kraft. Das heißt, dass entweder das EU-Parlament oder der Ministerrat, das Gremium der Mitgliedstaaten, innerhalb von vier bis sechs Monaten Einspruch einlegen müssen. Das ist derzeit ziemlich unrealistisch, da von 27 Regierungen 20 gegen den Entwurf stimmen müssten. Elf europäische Staaten, darunter Frankreich und Polen, befürworten den Entwurf der EU-Kommission. Ein Scheitern im EU-Parlament ist nicht zu erwarten (Quelle: energate-messenger).

Lesen Sie mehr zu diesem Thema in dem Blogbeitrag „Kernkraft und Erdgas in der EU-Taxonomie: Worum geht es?“.

Gesetzesreform zum Schutz von Stromkunden in Planung

Die Bundesregierung plant derzeit eine Gesetzesreform des Energiewirtschaftsgesetzes, um Verbraucher:innen vor kurzfristigen Kündigungen von Strom- und Gasverträgen durch „Billiganbieter“ zu schützen. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, ist der Strompreis 2021 besonders gegen Ende des Jahres gestiegen und liegt momentan bei 40,46 ct/kWh. Infolge der gestiegenen Strompreise haben einige Billiganbieter tausende Verträge kündigen müssen, da sie ihre Verträge mit der Spekulation nach niedrigen Preisen an der Strombörse ausgerichtet haben. Somit sind die gekündigten Strom- und Gaskunden in die Grundversorgung gefallen, die um einiges teurer ist als ein regulärer Vertrag. Mit der Gesetzesreform sollen Verbraucher:innen durch klare Ankündigungsfristen geschützt und die Grundversorgung besser geregelt werden (Quelle: Handelsblatt).

Das Bundeswirtschaftsministerium plant neben einer längeren Kündigungsfrist einen einheitlichen Tarif in der Grundversorgung. Neukund:innen sollen im Vergleich zu Bestandskund:innen mehr zahlen. Einer Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) nach müssen Neukund:innen derzeit zwischen 889 und 1654 Euro im Jahr mehr zahlen (Quelle: Handelsblatt).

Durchschnittlicher Strompreis bei einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh in ct/kWh (Quelle: Energy Brainpool nach Verivox- Verbraucherpreisindex, 2022 [2])

Abbildung 2: Durchschnittlicher Strompreis bei einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh in ct/kWh (Quelle: Energy Brainpool nach Verivox- Verbraucherpreisindex, 2022 [2] )

Gemischte Bewegungen auf dem Gasmarkt

Nachdem der Gaspreis Ende letzten Jahres auf einem Abwärtstrend war, hat er sich Anfang des Monats erholt. Aufgrund einer verbesserten LNG-Versorgung ist der Preis jedoch kurz darauf eingebrochen. Die LNG-Ausspeicherungen markieren diese Woche ein neues Allzeithoch bei knapp 4.400 GWh/Tag (im Vormonat 2.500 GWh/Tag). Das extrem hohe LNG-Angebot sorgt für etwas Entspannung an den Gashandelsmärkten. Doch die drohenden Versorgungsunterbrechungen durch den Grenzkonflikt zwischen Ukraine und Russland beflügeln den Gaspreis, der sich auf einem Aufwärtstrend befindet (Quelle: Montel).

Das Strom Frontjahr hat Mitte des Monats auf den Preisrückgang der anderen Commodities reagiert, doch der feste Gaspreis gibt dem Strompreis gegen Ende des Monats entsprechend Auftrieb und der Strom Frontmonat konnte die 200-Euro-Marke wieder zurückerobern. Der Frontmonat war seit November erstmalig unter die Marke gefallen (Quelle: energate-messenger).

Nach einem Preisrückgang des EUA-Leitkontrakts bis auf 77,55 EUR/t CO2 erzielte der EUA-Preis Ende Januar 90 Euro/t CO2 und steuert derzeit auf ein Allzeithoch zu. Das Rekordhoch wurde erst letzten Monat am 8. Dezember 2021 erzielt mit 91,19 Euro/t CO2 (Quelle: Montel).

Der Preis für die Rohölsorte Brent hat den höchsten Stand seit drei Jahren erreicht. Ein Grund hierfür ist unter anderem, dass die Omikron-Variante mildere Auswirkungen hat, als bisher befürchtet. Der Frontmonat handelte bei ungefähr 90 USD/bbl und liegt damit ungefähr auf dem Niveau vor der Pandemie (Quelle: Montel).

Prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (orangenfarbene Linie), des Frontjahres Gas am TTF (rote Linie) und des Frontjahrs Kohle (grüne Linie) von Ende Dezember 2021 bis Anfang Februar 2022 (Quelle: Montel, 2022 [3])

Abbildung 3: Prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (orangenfarbene Linie), des Frontjahres Gas am TTF (rote Linie) und des Frontjahrs Kohle (grüne Linie) von Ende Dezember 2021 bis Anfang Februar 2022 (Quelle: Montel, 2022 [3] )

Wenige Sonnenstunden, dafür viel Wind

Der Anteil an erneuerbaren Energien lag im Januar 2022 mit durchschnittlich 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (37 Prozent) höher. Für den Rest des Winters sind eher mildere Temperaturen und windigeres Wetter angekündigt, was den Druck auf die Gaspreise senken sollte (Quelle: Montel). Über den Monat hinweg gab es eine geringe Solareinspeisung, sodass sich die Solarenergie mit 0,84 TWh im Januar auf niedrigstem Niveau bewegte. Die Windeinspeisung fluktuierte über den Monat stark. Sie bewegte sich zwischen 1,44 GW und 43, 47 GW. Generell lag die Windeinspeisung mit 12,34 TWh auf einem hohen Niveau und entspricht ungefähr der Windeinspeisung der vergangenen Monate (Quelle: Energy-Charts).

Stromerzeugung und Verbrauch im Januar 2022 in Deutschland (Quelle: Energy Charts, 2022 [4] )

Abbildung 4: Stromerzeugung und Verbrauch im Januar 2022 in Deutschland (Quelle: Energy Charts, 2022 [4] )

Abbildungs-Quellen:

[1] https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Navigation/DE/Service/Erneuerbare_Energien_in_Zahlen/Arbeitsgruppe/arbeitsgruppe_ee.html

[2] https://www.verivox.de/strom/verbraucheratlas/strompreise-deutschland/

[3] https://www.montelnews.com/

[4] https://energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&stacking=stacked_absolute_area&interval=month&download-format=image%2Fpng

 

Hier geht es zum >> Energiemarkt Rückblick Dezember 2021