Der Energiemarkt zeigt im August 2022 Preisrekorde im Kurzfristhandel aufgrund von Neuigkeiten zur Nordstream 1 Pipeline. Auch am Terminmarkt werden Preisrekorde erreicht. Die Ampel-Koalition schnürt ein drittes Entlastungspaket. Die Einführung der Gasbeschaffungsumlage führt zu einer hitzigen Diskussion.

Darüber hinaus soll eine grundlegende EU-Strommarkt-Reform auf den Weg gebracht werden. Die Ausschreibungen für Solaranlagen des zweiten Segments wurden erneut deutlich unterzeichnet. Erdgas hat einen hohen Anteil am deutschen Strommix.

Das dritte Entlastungspaket der Ampel-Koalition

Ende August hat sich bereits abgezeichnet, dass ein drittes Entlastungspaket der deutschen Regierung kommen wird. Das Paket wurde in der ersten Septemberwoche 2022 vorgestellt und bringt einige wichtige Neuerungen auch für den Energiemarkt mit sich.

Zum einen soll eine Strompreisbremse sowohl Bürger:innen als auch kleine und mittelständische Unternehmen mit Versorgertarif entlasten. Angedacht sind hier niedrigere Preise in der Basisversorgung. Somit soll der Anreiz zum Energiesparen weiterhin erhalten bleiben, die Strompreise insgesamt aber sollen sinken. Außerdem soll der Anstieg der Netzentgelte, welche von den Stromkund:innen bezahlt werden, reduziert werden. Die Finanzierung der zuvor genannten Strompreisbremse soll teilweise über Zufallsgewinne von Stromproduzenten gesichert werden.

Zum anderen wird die anstehende Erhöhung des CO2-Preises für den nationalen Brennstoffemissionshandel um ein Jahr nach hinten verschoben auf den 1. Januar 2024. Regulär würde der CO2-Preis für fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas bereits zum 1. Januar 2023 um fünf EUR/t steigen. (Quelle: Bundesregierung, tagesschau)

Das Auf und Ab der Gasbeschaffungsumlage

Bereits Ende Juli 2022 haben sich die Meldungen im Hinblick auf eine geplante Umlage für Gaskunden verdichtet. Am 5. August trat die Verordnung der zeitlich befristeten Gasumlage in Kraft. Der Kerngedanke der Umlage ist es, die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Gasimporteure, die aufgrund der Drosselung russischer Lieferungen kurzfristig teure Ersatzbeschaffungen tätigen müssen, sollen dabei entlastet werden. Die anfallenden Extrakosten der Importeure werden dabei an alle Verbraucher weitergegeben (Quelle: tagesschau).

In der Verordnung der zeitlich befristeten Gasumlage bis 1. April 2024 können Gasimporteure ab dem 1. Oktober ihre Zusatzkosten weiterreichen. Der Eigenanteil der Gasimporteure an den zu tragenden Mehrkosten liegt bei 10 Prozent (Quelle: Bundesministerium der Justiz). Die Mehrkosten der Gasimporteure wurden bis zum 15. August an die Trading Hub Europe (THE) gemeldet, um die Gasumlage zu berechnen und entsprechend zu veröffentlichen. Unter Berücksichtigung der prognostizierten Kosten und Erlöse sowie der prognostizierten Ausspeisemenge hat die THE die Gasbeschaffungsumlage auf 2,419 ct/kWh festgelegt (Quelle: BNetzA).

Aufgrund von scharfer Kritik aus FDP und SPD soll die Verordnung nun überarbeitet werden. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte zu, die Gasumlage bis Ende August zu ändern. Die Änderung soll verhindern, dass Unternehmen ohne wirtschaftliche Not durch die Zusatzzahlungen der Gaskunden profitieren (Quelle: tagesschau).

Das europäische Strommarktmodell im Wandel?

Eine Entkopplung von Gas- und Strompreisen könnte den anhaltenden Anstieg der Strompreise dämpfen. Daher hat die deutsche Bundesregierung am 26. August 2022 kundgetan, diese Koppleung zu prüfen – unterstützt von der Europäischen Kommission und Österreich . Ziel der Reform sei eine Entkoppelung der Endkundenpreise für Strom vom steigenden Gaspreis.

Die Preise am Großhandelsmarkt für Strom werden durch die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke – die Merit-Order – ermittelt. Das letzte Kraftwerk, das benötigt wird, um die Nachfrage zu decken, setzt mit seinem Gebot den Marktpreis fest. Da das häufig Gaskraftwerke sind, führt das bei den aktuell hohen Gaspreisen zu deutlich höheren Strompreisen.

Ein möglicher Eingriff, der zur Debatte steht, ist die Einführung einer Übergewinnsteuer, auf die Mehrgewinne, die die Stromkonzerne durch die steigenden Strompreise erzielt haben. Hier kann ein Blick über den Tellerrand nicht schaden. In Spanien und Italien gibt es bereits Steuern auf Übergewinne und Belgien, Österreich und Frankreich ziehen einen solchen Schritt ebenfalls in Betracht (Quelle: tagesschau, zdf).

Als Reaktion auf Kritik von verschiedenen Seiten wies das Bundeswirtschaftsministerium darauf hin, dass das Konzept der Merit-Order unverändert bleibt. Jedoch sollen problematische Auswirkungen der Merit-Order für die Stromkunden geändert werden.

Die hohe Komplexität dieser Reform erfordert eine mittelfristige Zeitspanne, da auch europäische Partner und die Europäische Kommission mit einbezogen werden müssen (Quelle: zdf).

Erneut deutliche Unterzeichnung des Ausschreibungsverfahrens

Zum zweiten Mal fand in diesem Jahr das Ausschreibungsverfahren für Solaranlagen des zweiten Segments statt. Um an dem Ausschreibungsverfahren teilnehmen zu können, gelten für die Solaranlagen folgende Bedingungen. Sie müssen:

  • auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand errichtet werden,
  • eine installierte Leistung von mehr als 300 kWp haben und
  • ihren Standort in Deutschland haben.

Es sind 115 Gebote mit einem Volumen von 214 MW eingegangen. Die ausgeschriebene Menge wurde wie in der ersten Ausschreibung auf 767 MW festgelegt und erneut deutlich unterzeichnet. Der durchschnittliche, mengengewichtete Zuschlagswert ist um 0,31 Cent auf 8,84 ct/kWh angestiegen.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Ausschreibungsmenge, der eingereichten Menge, der Zuschlagsmenge und des durchschnittlichen mengengewichteten Zuschlagswerts der vergangenen Ausschreibungen.

Entwicklung der Ausschreibungsmenge, der eingereichten Menge der Zuschlagsmenge und des durchschnittlichen mengengewichteten Zuschlagswertes für Solaranlagen des zweiten Segments von Juni 2021 bis August 22 (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 1: Entwicklung der Ausschreibungsmenge, der eingereichten Menge der Zuschlagsmenge und des durchschnittlichen mengengewichteten Zuschlagswertes für Solaranlagen des zweiten Segments von Juni 2021 bis August 22 (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Unschwer zu erkennen ist, dass sich an der eingereichten und dementsprechend auch an der bezuschlagten Menge im Vergleich zum April nahezu nichts verändert hat. Es bleibt also mit Spannung abzuwarten, ob sich in der zusätzlichen dritten Ausschreibungsrunde im Dezember 2022 eine stärkere Abweichung zeigt (Quelle: BNetzA).

Der zweite Gebotstermin der Innovationsausschreibungen des Jahres 2022 hat sich hingegen von 1. August auf den 1. Dezember 2022 verschoben (Quelle: BNetzA).

Die unerwartete Wende am Terminmarkt?

Die Ankündigung von weiteren Wartungsarbeiten an der Nordstream 1 Pipeline hat zunächst für weitere drastische Sprünge im Gaspreis gesorgt. Gazprom überprüft und wartet erneut eine Turbine, und zwar vom 31. August bis zum 2. September. Nach Ankündigung der Wartung schossen die Preise am Terminmarkt am 22. August zunächst um 10 Prozent nach oben. Bis zum Ende des Monats hat sich eine ähnliche Entwicklung aufgrund der Unsicherheiten gezeigt und in den Preisen widergespiegelt. Mit einem Allzeithoch schloss das Frontjahr 2023 für TTF am 26. August mit 310,60 EUR/MWh (Quelle: Montel).

Seit 29. August bewegt sich der Gaspreis jedoch stark abwärts. Grund hierfür sind auch die bereits gut gefüllten Gasspeicher (Quelle: Spiegel).

Stark beeinflusst durch den Gaspreis hat der Strompreis auch exorbitante Höhen erreicht. Am 26. August schloss das Frontjahr 2023 mit einem Allzeithoch bei 985 EUR/MWh. Jedoch haben die Preise durch die Ankündigung der Europäischen Kommission, ein Notfallinstrument zur Stabilisierung des Strommarktes einzusetzen, stark abgegeben.

Der EUA-Leitkontrakt Dezember 22 hat zunächst an Fahrt aufgenommen und am 19. August ein Allzeithoch von 98,01 EUR/t CO2 erreicht. Anhaltende Rezessionssorgen, ein schwächerer Euro und der insgesamt schlechtere Ausblick für die Wirtschaft haben jedoch erneut für einen starken Verlust bis zum Ende des Monats gesorgt (Quelle: Montel).

Die prozentuale Preisentwicklung der Commodities ist in Abbildung 2 zu sehen.

prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (orangefarbene Linie), des Frontjahres Gas am TTF (grüne Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) von Anfang Juni bis Ende Juli (Quelle: Montel, 2022), Energy Brainpool

Abbildung 2: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2022 (orangefarbene Linie), des Frontjahres Gas am TTF (grüne Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) von Anfang Juni bis Ende Juli (Quelle: Montel, 2022)

Hoher Anteil an Erdgas am Strommix

Der Anteil an erneuerbaren Energieträgern an der Nettostromerzeugung lag mit 44,8 Prozent im August 2022 etwa sechs Prozent unter dem bisherigen Jahresdurchschnitt. Im Vergleich zum Vorjahreswert von 53,7 Prozent lag der Anteil jedoch um 8,9 Prozentpunkte deutlich niedriger. Der niedrigere Anteil im August dieses Jahres ist vor allem auf eine schwächere Windeinspeisung zurückzuführen. Folglich betrug die Nettostromerzeugungsmenge erneuerbarer Energieträger im August 2022 knapp 17,6 TWh im Vergleich zu 19,1 TWh im Vorjahr.

Der relativ hohe Anteil an Erdgas im deutschen Strommix im August von 11 Prozent liegt deutlich über dem Wert von 2 Prozent im Vorjahresmonat. Am Spotmarkt erreichte der Gaspreis für THE am 26. August einen Rekordwert in Höhe von 314 EUR/MWh. Zum 31. August ist dieser jedoch wieder auf knapp 200 EUR/MWh gefallen.

Bedingt durch die hohen Gaspreise, haben sich auch die Strompreise am Spotmarkt stark nach oben bewegt. Am 29. August erreichten die Day-Ahead-Strompreise für Deutschland das erste Mal 871 EUR/MWh und somit das Vierzehnfache des Durchschnitts seit 01. Januar 2015.

Abbildung 3 zeigt die Stromerzeugung, den Verbrauch und die entsprechenden Spotpreise im August 2022.

Stromerzeugung, Verbrauch und Spotpreis im August 2022 in Deutschland, Energy Brainpool

Abbildung 3: Stromerzeugung, Verbrauch und Spotpreis im August 2022 in Deutschland

(eigene Darstellung; Quelle: Entso-e transparency)

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Und was ist noch gleich im Juli 2022 auf dem Energiemarkt passiert? Hier geht es zum vorherigen Blogbeitrag.

Weitere Quellen:

Zusätzliche Kosten für Verbraucher: Gasumlage wohl ab Oktober bis 2024 | tagesschau.de

GasPrAnpV – nichtamtliches Inhaltsverzeichnis (gesetze-im-internet.de)

THE_FAQ_Speicher_Gasumlage.pdf (bundesnetzagentur.de)

Bundesregierung: Habeck sagt Änderung der Gasumlage zu | tagesschau.de

Übergewinnsteuer für Konzerne: Andere EU-Staaten machen es vor | tagesschau.de

Übergewinnsteuer: Was Italien zum Vorbild macht – ZDF heute

Preise sollen sinken: Habeck will Strommarkt reformieren – ZDFheute

Bundesnetzagentur – Gebotstermin 1. August 2022

Bundesnetzagentur – Ausschreibungsverfahren

Robert Habeck: Gasspeicher füllen sich in Rekordtempo – DER SPIEGEL

Drittes Entlastungspaket über 65 Milliarden Euro | Bundesregierung

Drittes Entlastungspaket: Die Maßnahmen im Überblick | tagesschau.de