Das Ziel der Bundesregierung aus 2010, innerhalb von zehn Jahren, also bis 2020, eine Million Elektroautos auf den deutschen Straßen zu haben, wird aller Voraussicht nach nicht erreicht. Um das Thema E-Mobilität kommt insbesondere auch die Energiebranche nicht herum. Daher werden wir uns in den folgenden Wochen, verstärkt der E-Mobilität widmen und eine Reihe von Beiträgen dazu veröffentlichen.

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Heute starten wir mit dem Beitrag über den Bestand an Fahrzeugen, dem möglichen Hochlauf der E-Mobilität und den Auswirkungen auf den Strommarkt.

Trotz der verzögerten Entwicklung hat sich gerade in den vergangenen zwei Jahren viel getan bei der Verkehrswende, von Verbrennungsmotoren hin zu elektrischen Antrieben. Nicht nur in Deutschland, sondern auch global wurde viel Geld in die Entwicklung neuer Autotypen, sowie in Batteriefertigung und Ladeinfrastruktur gesteckt.

Neuzulassungen und Lagerbestände auf einen Blick

Die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts beweisen es: Die E-Mobilität hat in den vergangenen Jahren, insbesondere seit 2017 deutlich an Fahrt aufgenommen. Abbildung 1 zeigt den Anteil batterieelektrischer (BEV) und Plug-in hybrider Elektrofahrzeuge (PHEV)[1] an den Neuzulassungen jeweils bis zum 1. Januar des dargestellten Jahres- oder Halbjahreszeitraum. Für Abbildung 2 und 3 stellt der Stichtag für den Bestand, beziehungsweise dessen Anteil jeweils den 1. Januar der dargestellten Jahre oder den 30. Juni 2018 dar.

Anteil von BEV und PHEV an den Neuzulassungen aller Automobile in Deutschland, Quelle: Kraftfahrt Bundesamt

Abbildung 1: Anteil von BEV und PHEV an den Neuzulassungen aller Automobile in Deutschland, Quelle: Kraftfahrt Bundesamt

Sowohl bei den BEV als auch den PHEV lag der Anteil an den jährlichen Neuzulassungen bis zum 1. Januar 2017 bei etwa 0,2 Prozent. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 1. Januar 2018 stieg er auf etwa 0,5 Prozent. Und im ersten Halbjahr 2018 waren sogar schon beinahe ein Prozent der Neuzulassungen reine Elektrofahrzeuge oder Plug-in Hybride

Im Bestand schlagen sich die höheren Anteile in der Neuzulassung noch nicht stark durch. Das liegt daran, dass die Anzahl von BEV und PHEV gegenüber den bestehenden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor noch zu gering ist. Abbildung 2 zeigt die Anzahl von BEV und PHEV in Tausend, während Abbildung 3 deren Anteil an den gesamten PKW in Deutschland darstellt.

Anzahl von BEV und PHEV im deutschen Fahrzeugbestand (in Tausend), Datenquelle: Kraftfahrt Bundesamt

Abbildung 2: Anzahl von BEV und PHEV im deutschen Fahrzeugbestand (in Tausend), Datenquelle: Kraftfahrt Bundesamt

Die Anzahl von BEV und PHEV überstieg Anfang des Jahres 2018 die 100.000 Grenze. In beiden Fahrzeuggruppen ist ein starkes Wachstum erkennbar. Betrachten wir den Anteil am gesamten Fahrzeugbestand, haben elektrische Fahrzeuge allerdings noch nicht die 1-Prozent-Hürde überschritten.

Zum Juni 2018 waren 0,15 Prozent aller Fahrzeuge auf deutschen Straßen BEV und 0,13 Prozent PHEV. Umgerechnet bedeutet dies, dass von 1000 PKWs auf deutschen Straßen mindestens eines elektrisch fährt.

Anteil von BEV und PHEV am gesamten Fahrzeugbestand in Deutschland, Quelle: Kraftfahrt Bundesamt

Abbildung 3: Anteil von BEV und PHEV am gesamten Fahrzeugbestand in Deutschland, Quelle: Kraftfahrt Bundesamt

So ist leicht erkennbar, dass trotz der zunehmenden Neuzulassungen in 2017 und in 2018 das 1-Millionen-Ziel für 2020 noch in weiter Ferne liegt. Zum 1. Januar 2018 wiesen BEV und PHEV erst einen Bestand von knapp 100.000 Fahrzeugen auf. Ende Juni 2018 lag dieser allerdings bei 132.000 E-Autos. Laut der Nationalen Plattform Elektromobilität waren es zum 31. August 2018 allerdings schon 177.000 elektrische Fahrzeuge (BEV und PHEV) (Quelle: Nationale Plattform Elektromobilität).

Markthochlauf der E-Mobilität

Die Regierung hat das Ziel, von einer Million Elektroautos (BEV und PHEV) bis 2020 nach einem kurzen Aussetzen in 2017 nun doch noch nicht aufgegeben. Eine Reihe von Studien prognostiziert, dass das Millionenziel erst in den Anfangsjahren der 2020erJahre erreicht werden kann (Quelle: Nationale Plattform Elektromobilität, Horvath & Partners).

Sollte das Ziel bis 2023 erreicht werden, müssten hierfür ab 2019 jedes Jahr im Schnitt über 150.000 E-Fahrzeuge zugelassen werden. Der Anteil an den Neuzulassungen müsste dann etwa 25 Prozent betragen.

Eine Prognose für den Markthochlauf der E-Mobilität ist aufgrund vieler einwirkender Faktoren immer mit Unsicherheiten behaftet. Die Nationale Plattform Elektromobilität geht davon aus, dass die Nachfrage nach Elektroautos exponentiell wachsen wird.

Der Marktanteil läge in 2025 bei vier bis fünf Prozent. Dies entspräche zwei bis drei Millionen Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen. Bis 2030 solle sich der Marktanteil sogar auf 10 bis 15 Prozent gegenüber 2025 mehr als verdoppeln (Quelle: Nationale Plattform Elektromobilität).

Die Übertragungsnetzbetreiber haben im aktuellen Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2019-2030 ebenfalls Annahmen getroffen, wie viele Elektrofahrzeuge es bis 2030 in Deutschland geben kann. Die Bandweite reicht hier von konservativ “einer Million” Elektrofahrzeugen bis zu progressiveren Annahmen von zehn Millionen Elektrofahrzeugen (Quelle: Bundesnetzagentur). Steigt die Anzahl der Elektrofahrzeugen, wirkt sich das auch auf das Stromsystem aus.

Auswirkungen der E-Mobilität auf das Stromsystem

Welche Auswirkungen hätte ein Markthochlauf der E-Mobilität bis 2030 auf den Strommarkt? Hier gibt es zwei Punkte zu betrachten: die insgesamt steigende Nachfrage nach Strom und die lokalen und temporären Lastspitzen in den Verteilnetzen.

In einer europäischen Modellierung mit dem Fundamentalmodell Power2Sim hat Energy Brainpool die Auswirkungen einer verstärkten Verkehrswende auf die Nachfrage betrachtet. Hierbei gehen die Analysten, wenn auch unwahrscheinlich, von einem kompletten Umstieg bei den privaten Automobilen in Europa bis 2050 aus.

Dies würde für Deutschland bis 2030 einen Anteil von 40 Prozent und etwas über 20 Millionen Elektrofahrzeugen bedeuten. Einher damit ginge ein Anstieg der deutschen Stromnachfrage um 55 TWh. Abbildung 4 verdeutlicht die zusätzliche Nachfrage in verschiedenen europäischen Ländern für das Jahr 2030.

Zusätzliche Stromnachfrage bei Hochlauf der E-Mobilität in europäischen Ländern (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 4: Zusätzliche Stromnachfrage bei Hochlauf der E-Mobilität in europäischen Ländern (Quelle: Energy Brainpool)

Das obige Szenario ist sehr optimistisch in Bezug auf die Anzahl der E-Fahrzeuge ist. Trotzdem zeigt es die Veränderung auf der Nachfrageseite besonders eindrücklich. Andere Szenarien, die von weniger Elektrofahrzeugen ausgehen, rechnen dennoch mit einem nicht vernachlässigbaren Anstieg der Stromnachfrage.

Die Szenarien für die Netzentwicklungsplanung (Quelle: Bundesnetzagentur) gehen wie oben angesprochen von einer Million bis zehn Millionen elektrisch betriebenen Fahrzeugen bis 2030 aus. Dementsprechend würde der deutsche Jahresstromverbrauch aufgrund der E-Mobilität um 2,5 bis 25 TWh steigen.

Bei einem angenommenem durchschnittlichen Verbrauch von 25 kWh pro 100 km und einer jährlichen Fahrleistung von 10.000 km pro Elektrofahrzeug würde ein Hochlauf der E-Mobilität in Abhängigkeit der Anzahl der Fahrzeuge zu einem zusätzlichen Stromverbrauch führen. Dies zeigt die Abbildung 5.

Zusätzlicher Strombedarf durch E-Mobilität in Abhängigkeit der Anzahl von E-Fahrzeugen pro Jahr in TWh, Datenquelle: Kraftfahrt Bundesamt

Abbildung 5: Zusätzlicher Strombedarf durch E-Mobilität in Abhängigkeit der Anzahl von E-Fahrzeugen pro Jahr in TWh, Datenquelle: Kraftfahrt Bundesamt

Ein denkbares Szenario: Werden mehr als die Hälfte der deutschen PKW elektrisch betrieben, umfasst das etwa 25 Millionen elektrischen Fahrzeugen auf unseren Straßen. Das bedeutet eine zusätzliche Nachfrage mit 62,5 TWh. Dies macht „nur“ ein Zehntel der derzeitigen deutschen Stromerzeugung aus. Es handelt sich also um eine überschaubare Menge und sollte zu keinen Verwerfungen am Strommarkt führen.

Was die Abbildungen und Ausführungen oben allerdings nicht zeigen, ist die Verteilung der Ladezeiten  und damit der Lastspitzen in den Verteilnetzen. Häufig wird schon von sogenannten „Zahnarzt-Alleen“ gesprochen. Gemeint sind Straßenzüge, in denen die Elektroautos von Gutsituierten das lokale Verteilnetz an die Grenzen bringen könnte (Quelle: Tagesspiegel).

Weitere Auffassungen, wie stark sich die E-Mobilität auf Verteilnetze auswirken wird, sind hier zu finden: Oliver Wyman und TU München, IFEU und Fraunhofer.

Lastverschiebungen durch netzoptimierendes Laden über einen längeren Zeitraum könnten notwendig werden. Im Alltag bedeutet dies ein Laden die gesamte Nacht, anstatt nur von 18 bis 21 Uhr nach Feierabend. Das kann zumindest in Regionen und örtlichen Verteilnetzen mit hoher Dichte von E-Fahrzeugen der Fall sein.

Genau dies können aber auch findige Akteure aus dem Bereich der Energiewirtschaft nutzen, um neue Tarife für Elektrofahrzeuge aufsetzen. Flexible Tarife oder auch die Möglichkeit der Steuerung des Ladevorgangs durch den örtlichen Netzbetreiber sollten netzdienliches Verhalten anreizen und gleichzeitig geringere Ausgaben für den Verbraucher bedeuten.

Zusammenfassung und Ausblick

Die E-Mobilität nimmt in Deutschland an Fahrt auf. Ein Markthochlauf würde die Stromnachfrage um bis zu zehn Prozent erhöhen. Die Lastspitzenproblematik in manchen Verteilnetzen kann durch geeignete Geschäftsmodelle zumindest teilweise behoben werden. Im nächsten Beitrag widmen wir uns besonders der Thematik, beziehungsweise der Problematik der Ladesäulen(-verfügbarkeit) und der unterschiedlichen Tarife für das Laden von E-Fahrzeugen.

[1]: Reine Hybride Elektrofahrzeuge werden nicht betrachtet, also solche, deren Batterie/Elektromotor nicht durch externe Stromzufuhr geladen/betrieben werden können, sondern durch den Verbrennungsmotor. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die Anzahl von reinen Hybridfahrzeugen abzüglich der PHEV zum Juni 2018 auf deutschen Straßen über 230.000 betrug.