Die Anzahl negativer Preise steigt auf 103 in diesem Jahr. Am Sonntag, den 29. Oktober 2017 traf eine hohe Stromerzeugung aus Windkraftanlagen auf eine niedrige Nachfrage. Vom Samstag bis zum späten Sonntagnachmittag traten in 21 aufeinanderfolgenden Stunden negative Preise auf. Die Erzeugungsmengen sind deshalb vom §51 EEG 2017 betroffen.
Am letzten Oktoberwochenende 2017 lagen die Strompreise für Deutschland am Day-Ahead-Spotmarkt der EPEX Spot für insgesamt 31 Stunden unter 0 EUR/MWh. Der tiefste Wert war bei minus 83,06 EUR/MWh (siehe Abbildung 1).
Die Preise in Frankreich blieben während dieser Zeit positiv und fielen nur für eine Stunde unter 20 EUR/MWh. Windkraftanlagen erzeugten über 39 Gigawatt und deckten damit die Nachfrage mit knapp 68 Prozent. Das zeigen Daten von ENTSO-E Transparency. Dabei erzeugten Windkraftanlagen an Land circa 36 Gigawatt und Windkraftanlagen auf See 3 Gigawatt.
Die Erzeugung der steuerbaren, fossilen Kraftwerke verringerte sich deutlich. Steinkohlekraftwerke produzierten deutlich weniger Strom. Sie verringerten die Erzeugung um über 80 Prozent gegenüber der höchsten Erzeugung am Samstag. Braunkohlekraftwerke verringerten ihre Erzeugungsleistung von 15,7 Gigawatt auf 5,5 Gigawatt bis in den Montag und erhöhten die Produktion erst wieder am Montagabend.
Die Kernenergie verringerte die Leistung um über drei Gigawatt (minus 37 Prozent gegenüber dem Tageshöchstwert). Das entspricht der Leistung von drei Kernkraftwerken. Pumpspeicherkraftwerke nahmen zeitgleich etwa drei Gigawatt an Erzeugungsleistung zur Speicherung auf. Eine signifikante Reduktion der Erzeugung der Biomasseanlagen (minus zwei Prozent) ist in den Daten von ENTSOE Transparency nicht erkennbar, dafür verringerten Laufwasserkraftwerken (minus 15 Prozent, entspricht ca. 260 MW Leistung) und Müllkraftwerken (minus 59 Prozent, entspricht etwa zwei GW). Dies ist eine deutliche Steigerung gegenüber der Situation am 11. September 2017. Abbildung 2 zeigt das Erzeugungsverhalten und die Nachfrage für Samstag bis Montag.
An beiden Tagen exportierte Deutschland durchgängig Strom. Bis zu 11 Gigawatt konnten zeitweise an andere Länder verteilt werden. Abbildung 3 stellt den Verlauf des Saldos aus Im- und Exporten von Deutschland dar. Negative Werte repräsentieren Exporte. Physische Flüsse an den Grenzen sind tatsächliche Stromflüsse zwischen den Ländern. Sie entstehen durch die jeweilige Erzeugungs- und den Verbrauchssituation aller verknüpften Länder.
Was sind negative Strompreise? Die EPEX Spot definiert sie wie folgt: „Ein negativer Preis ist ein Preissignal auf dem Strommarkt, welches auftritt, wenn eine hohe unflexible Stromerzeugung auf eine schwache Nachfrage trifft. Unflexible Stromquellen können nicht kurzfristig und ohne hohen finanziellen Aufwand herunter- und wieder hochgefahren werden. Erneuerbare Energien zählen dazu, denn ihre Erzeugung ist von externen Faktoren abhängig (Wind und Sonne).“
Negative Strompreise haben also ihre Ursache nicht in einem Überschuss an Erneuerbaren Energien, sondern in der mangelnden Flexibilität von Kernkraftwerken, Braunkohle-Kraftwerken und KWK-Anlagen.
Anmerkung:
Erzeugung, Nachfrage und physische Flüsse basieren auf Echtzeit-Daten, während die Strompreise in Abbildung 1 Day-Ahead-Werte darstellen. Zwischen dem Day-Ahead-Handel und der tatsächlichen Stromerzeugung sowie dem Stromverbrauch liegen der Intraday-Handel, Regelenergie und unerwartete Ereignisse. Deshalb können die Daten des Stromsystems nicht allein zur Interpretation und Erklärung der Strompreise am Day-Ahead-Spotmarkt verwendet werden.
Erzeugungsdaten von ENTSO-E Transparency sind nur teilweise vollständig. Vor allem Steinkohle- und Gaserzeugung haben einen geringen Abdeckungsgrad verglichen mit anderen öffentlichen Quellen, welche jedoch nicht in stündlicher Auflösung zur Verfügung stehen.
5. November 2017
Da hat EPEXspot aber im dritten Satz etwas Unsinn verbreitet, den Sie hier zitieren:
“Ein negativer Preis ist ein Preissignal auf dem Strommarkt, welches auftritt, wenn eine hohe unflexible Stromerzeugung auf eine schwache Nachfrage trifft. Unflexible Stromquellen können nicht kurzfristig und ohne hohen finanziellen Aufwand herunter- und wieder hochgefahren werden. Erneuerbare Energien zählen dazu, denn ihre Erzeugung ist von externen Faktoren abhängig (Wind und Sonne).”
Die Stromerzeugung mit Wind und Sonne ist äußerst flexibel, sie können sehr leicht zurückgefahren werden, wenigstens bei großen Einheiten. Dies erfolgt u.a. deshalb nur zurückhaltend, weil man dann ja die Marktprämie verlieren würde. Es ist auch energiepolitisch gewollt, dass mit negativen Strompreisen zusätzlicher Druck auf die fossil betriebenen Kraftwerke erzeugt wird, ihre Erzeugung zu reduzieren.
Im übrigen sind die Stromexporte bei negativen Preisen mit hohen Gewinnbeiträgen der Stromnetzbetreiber verbunden, die an der Preisdifferenz zwischen In- und Ausland verdienen.
7. November 2017
Guten Tag Herr Falken,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Für jede Technologie lassen sich Beispiele für sehr flexibles und inflexibles Verhalten finden. So zeigen manche französische Kernkraftwerke ein Erzeugungsverhalten, welches täglich zwischen z. B. 75 % und 100 % pendelt, in Abhängigkeit der Nachfrage- und Netzsituation. Zeitgleich sind deutsche Kernkraftwerke sehr inflexibel bzw. die genutzte Flexibilität führt zu Schäden am Kraftwerke (siehe Kraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein).
Es bleibt damit immer die Frage, für welche Flexibilität die Kraftwerke gebaut wurden und welche Anreize es gibt, die vorhandene Flexibilität zu nutzen.
Mit Hilfe der Preisdifferenzen („Engpassrente“) müssen die Netzbetreiber unter anderem den Netzausbau an den Grenzen finanzieren. Außerdem werden in Zeiten hoher Winderzeugung auf Grund der Netzsituation die möglichen Austauschmengen zwischen den Länder reduziert, so dass die Einnahmen geringer ausfallen können.
Mit freundlichen Grüßen
Das Team von Energy Brainpool
22. November 2017
Hallo,
also Stromnetzbetreiber unterliegen seit 2010 einem regulierten Markt, überwacht durch die Bundesnetzagentur. Netzbetreiber stellen nur die Infrastruktur zur Verfügung und verdienen keinen Cent am börsennotierten Stromverkauf.
Sie sprechen von den Vertrieben, den sogenannten Lieferanten. Klar in den Momenten wo der Börsenpreis negativ ist kann Geld verdient werden, aber was ist mit den Spitzenzeiten, die auch abgedeckt werden, zur Zeit verkauft ein Lieferant zwischen 35 und 50 € die Megawattstunde. Wenn der Preis an der Börse höher wird trotzdem für den vertraglichen Preis verkauft. Hier liegt das Risiko und da muss Gewinn überbleiben, allein um zu überleben, siehe DelDaFax und Co. …
22. November 2017
In der Tat unterliegen die Übertragungsnetzbetreiber einer strengen Regulierung. Die Grenzübergangskapazitäten zwischen den Ländern stehen aber im Gegensatz zu den inländischen Netzen dem Handel zur Verfügung. Diese Übergangskapazitäten werden entweder implizit (Market-Coupling) oder explizit (per Auktion) dem Markt und damit dem Handel bereit gestellt. Die Einnahmen (im Market-Coupling ist dies die Engpassrente) verbleiben bei den Übertragungsnetzbetreibern. Dabei haben sie in der Tat keinen Strom verkauft, sondern nutzen nur die Übertragungskapazitäten für einen bestimmten Zeitraum.
Gewinne und Verluste ergeben sich für die Vertriebe/Lieferanten auf komplexen Weg. In der Regel wird der Großteil der Mengen für die Kunden am Terminmarkt vorab eingekauft, als Preisabsicherung gegen den volatilen Spotmarkt. Sollte die Beschaffung stattdessen risikoreicher sein (dies ermöglicht die Chance auf höhere Margen) und die Preise dann steigen, hat das natürlich negative Auswirkungen auf die Unternehmensbilanz. Bei den von ihnen genannten Energieversorgern sollt man sich eher das Geschäftsmodell anschauen als die volatilen Spotmarktpreise.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team von Energy Brainpool