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Blog by Energy Brainpool GmbH & Co. KG

EU Energy Outlook 2060: Wie entwickelt sich der europäische Strommarkt in den nächsten 37 Jahren?

Mit dem aktuellen „EU Energy Outlook 2060“ zeigt Energy Brainpool langfristige Trends in Europa auf. Das europäische Energiesystem wird sich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern. Neben dem Klimawandel und einem in die Jahre gekommenen Kraftwerkspark zwingen auch die aktuellen geopolitischen Spannungen die Europäische Union und viele Länder dazu, ihre Energiepolitik umzustellen. Was bedeuten diese Entwicklungen für die Strompreise, Erlöspotenziale und Risiken für Photovoltaik und Wind?

Spätestens seit dem Beginn der Invasion der Ukraine durch Russland am 24. Februar 2022 ist die Welt auch auf den Energiemärkten eine andere. Schon zuvor wandelten sich die Strommärkte ständig. Insbesondere durch die Evolution der energiepolitischen Planungen, um CO2-Emissionen zu reduzieren, entwickeln sich auch Strompreisszenarien kontinuierlich. Infolgedessen ändert sich permanent die Bewertung von Marktentwicklungen, Assets und Verträgen, Investitionsentscheidungen, Power Purchase Agreements (PPAs) oder Geschäftsmodellen.

Der „EU Energy Outlook 2060“ zeigt die Entwicklungen in Energy Brainpools Strompreisszenario „Central“ für die EU 27, inklusive Norwegen, der Schweiz und Großbritannien. Allgemein ist zu sagen, dass die tatsächlichen Entwicklungen in den Einzelländern deutlich variieren können. Um fundiert entscheiden zu können, sind detaillierte Modellierungen der einzelnen nationalen Märkte und der länderspezifischen Einflussfaktoren inklusive Sensitivitätsanalysen unerlässlich.

Energy Brainpools Strompreisszenarien

Energy Brainpool bietet aktuell drei Strompreisszenarien an. Abbildung 1 zeigt die unterschiedlichen Trends der Szenarien. Die Schwankungen betreffen die Annahmen zur Entwicklung der Commodity-Preise sowie des Kraftwerksparks und der flexiblen Stromnachfrage.

Abbildung 1: Trends in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 1: Trends in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Das „Central“-Szenario

Im „Central“-Szenario wird angenommen, dass Europa als Folge der aktuellen Spannungen mit Russland den Import von russischem Pipeline-Gas bis spätestens 2027 vollständig beendet. Der Erdgaspreis in Europa orientiert sich in der Folge am Weltmarktpreis für LNG. Langfristig wird fossiles Erdgas durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und insbesondere „grünem“ Wasserstoff ersetzt. Insofern Erdgas nach 2040 noch für die Stromerzeugung genutzt wird, muss der Preis entsprechend sinken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Szenario geht von einem künftig stark dezentralisierten Energiesystem mit einem deutlichen Ausbau der Erneuerbaren aus, um die allgemeine Importabhängigkeit bei den fossilen Energieträgern mittelfristig zu reduzieren und so schnell wie möglich zu beenden. Dies geht einher mit einem Anstieg der flexiblen Stromnachfrage: Neben der zunehmenden Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyseure ist bis 2060 der Wärmesektor über einen weiteren Ausbau der Wärmepumpen vollständig dekarbonisiert. Der Anteil der Elektromobilität in Europa bei Personen- und Lastkraftwagen steigt bis 2060 auf 95 Prozent.

Das „Tensions“-Szenario

Das Szenario „Tensions“ geht davon aus, dass sich die aktuellen Spannungen zwischen Russland und dem Westen in den kommenden Jahren fortsetzen und weiter verschärfen. Infolgedessen beendet Europa den Import von russischem Pipeline-Gas so früh wie möglich. Der Erdgaspreis orientiert sich anschließend am Weltmarktpreis für LNG. Dabei befinden sich die europäischen Verbraucher:innen in einem Wettbewerb um LNG mit den asiatischen Märkten, was auch mittelfristig zu einem hohen Erdgas-Preisniveau führt.

Gleichzeitig kommt es im Vergleich zum „Central“-Szenario zu einem Anstieg der CO2-Preise. Dieser soll zusätzliche Einnahmen zur Refinanzierung von Staatsschulden generieren und die technologische Entwicklung beim Einsatz von Wasserstoff zu fördern. In einzelnen Ländern, beispielsweise in Deutschland, geht der Ausbau von Erneuerbaren unter anderem durch einen Fachkräftemangel und unzureichende politische Förderung langsamer voran als im „Central“-Szenario.

Das „Relief“-Szenario

Das Szenario „Relief“ nimmt an, dass sich das Verhältnis zwischen Europa und Russland in den kommenden Jahren wieder entspannt. Dadurch wird auch mittelfristig weiterhin das russische Pipeline-Gas bezogen. Dennoch besteht in Europa ein politischer Wille, die Rohstoffabhängigkeit von Russland zu begrenzen und langfristig zu reduzieren. Aus diesem Grund wird weniger russisches Gas importiert als vor dem Beginn des Ukraine-Krieges. Außerdem werden die während der aktuellen Krise beschlossenen Ausbauziele bei den Erneuerbaren aufrechterhalten.

Erweiterung der Strompreisszenarien bis 2060

Für das aktuelle Szenarien-Update wurden die Szenarien vom bisherigen Endpunkt 2050 bis ins Jahr 2060 erweitert. Der Entwicklung der Szenarioannahmen bis 2060 liegt die Annahme zugrunde, dass der komplette Energiesektor in Europa bis 2060 vollständig dekarbonisiert wird. In den Szenarien „Central“ und „Relief“ wird die europäische Klimaneutralität bis 2060 erreicht, während das Szenario „Tensions“ mit einem langsameren Ausbau der Erneuerbaren ein „Falling Short“-Szenario darstellt. Die Klimaneutralität wird nicht nur mit einem verstärkten Ausbau der Erneuerbaren erzielt, sondern erfordert einen strukturellen Wandel in den Hauptverbrauchssektoren Industrie, Transport und Gebäude. Dabei spielen zwei Megatrends eine wesentliche Rolle.

Als erster Megatrend werden in allen drei Sektoren Effizienzsteigerungsmaßnahmen angenommen, sodass der Endenergieverbrauch bis 2060 signifikant reduziert wird. Zu den Maßnahmen zählen zum Beispiel:

  • eine effizientere Logistik und Nutzung von Carsharing im Transportsektor,
  • Sanierung zur stärkeren Dämmung im Gebäudesektor und
  • höhere Effizienz bei der Bereitstellung von Prozessenergie im Industriesektor.

Den zweiten Megatrend stellt die Transformation von einer fossilen hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung dar. Um den Endenergieverbrauch abzudecken, wird heutzutage noch sehr viel auf Anwendungen zurückgegriffen, welche mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe verbunden sind. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Verbrennungsmotoren im Transportsektor,
  • Gas- und Heizölheizungen im Gebäudesektor und
  • die Verwendung von Erdgas bei der Herstellung von Ammoniak in der chemischen Industrie.

Diese fossilen Energieträger werden im Laufe der Jahre bis 2060 durch emissionsneutrale Energieträger ersetzt. Unter anderem gehören grüner Strom, grüner Wasserstoff, synthetische Biokraftstoffe sowie fossile Brennstoffe mit Carbon Capture Utilisation and Storage (kurz CCUS) dazu. Die daraufhin steigende Nachfrage der Energieträger Strom und Wasserstoff wird durch den verstärkten Ausbau erneuerbarer Erzeugungsanlagen ausgeglichen.

Die Entwicklung der Rohstoffpreise

Kurzfristig werden für die Brennstoff- und CO2-Preise die aktuellen Entwicklungen auf den Terminmärkten berücksichtigt. Insbesondere die Gaspreise sind momentan noch immer auf einem sehr hohen Niveau. Umso ausgeprägter ist daher der Gaspreis-Rückgang in den kommenden Jahren, wie im Folgenden in Abbildung 3 sichtbar wird.

Die Entwicklung der mittel- und langfristigen Commodity-Preise für Steinkohle, Erdöl und EUAs von 2030 bis 2060 basiert auf dem „Announced Pledges Scenario“ (APS) des World Energy Outlooks (WEO) 2022 der IEA (IEA, 2022) [1]. Dieses Szenario wurde 2022 neu eingeführt und ersetzt in unseren Strompreisszenarien das ab diesem Jahr nicht mehr fortgeführte „Sustainable Development Scenario“ (SDS). Im Gegensatz zum SDS werden im APS nur die Emissionsreduktionen realisiert, zu denen sich die Regierungen in Form von „Pledges“ bereits verpflichtet haben.

Seit dem letzten Update des World Energy Outlooks vor einem Jahr sind die Preispfade für EUAs und Öl leicht gestiegen, für Kohle ist nach 2040 ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Die EUA-Preise sind neben allgemeinen Markteinflüssen vor allem durch das Policy-Design des EU ETS bedingt.

Für Erdgas wird mittelfristig angenommen, dass sich der europäische Erdgaspreis am Weltmarktpreis für LNG orientiert. Als voraussichtlich wichtigste Importquelle für Europa kann dafür US-amerikanisches LNG als preissetzend angenommen werden. Der Exportpreis für US-LNG entspricht historisch dem amerikanischen Erdgas-Benchmark-Preis (Henry Hub). Hinzu kommt ein nachfragebedingter Aufschlag für den Transport innerhalb der USA sowie für die Verflüssigung von Erdgas zum Transport als LNG.

Um den Preis für US-LNG auf dem europäischen Markt zu schätzen, müssen zudem Kosten für Fracht und Regasifizierung in Europa berücksichtigt werden. Abbildung 2 zeigt die Zusammensetzung der Kostenkomponenten auf Basis der Henry Hub Price Forward Curve sowie die mittleren Annahmen zu Verflüssigungs-, Fracht- und Regasifizierungskosten. Unter Berücksichtigung von Wechselkurs- und Inflationsannahmen ergibt sich ein Erdgaspreis von 22,60 EUR2021/MWh. Dieser Preis wird im Szenario für die Jahre 2030 bis 2040 angenommen. Er entspricht nahezu dem Niveau, von dem der World Energy Outlook 2022 für den Erdgaspreis in Europa für das Jahr 2030 ausgeht.

Abbildung 2: Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG (Quellen: US Office of Fossil Energy and Carbon Management; IEA World Energy Outlook, 2022)

Abbildung 2: Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG (Quellen: US Office of Fossil Energy and Carbon Management; IEA World Energy Outlook, 2022)

Langfristig wird fossiles Erdgas in seinen Endanwendungen durch Wasserstoff ersetzt. Konkret wird dieser entweder mittels Elektrolyse aus Strom produziert oder importiert. Wir nehmen an, dass solch „grüner“ Wasserstoff auf dem Weltmarkt gehandelt wird und spätestens ab 2040 den „Clean Gas Price“ unterbietet. Der „Clean Gas Price“ setzt sich zusammen aus dem Preis für Erdgas plus dem EUA-Preis, multipliziert mit dem Erdgas-Emissionsfaktor von 0,2 tCO2/MWhth. Dies erhöht den Preisdruck auf Erdgas nach 2040. Eine sukzessive Verdrängung von Erdgas findet statt.

Damit ergeben sich die in Abbildung 3 gezeigten Commodity-Preispfade. Im Vergleich zum heutigen Niveau sinken in diesem Szenario die Preise für Gas und Steinkohle kontinuierlich bis 2030. Der Kohlepreis verharrt anschließend auf einem nahezu konstanten Niveau bis 2060, während der Gaspreis nach 2040 stetig sinkt. Der CO2-Preis steigt auf knapp 180 EUR/tCO2 in 2060.

Abbildung 3: Commodity-Preise (Quellen: IEA World Energy Outlook, 2022, „Announced Pledges Scenario“; Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 3: Commodity-Preise (Quellen: IEA World Energy Outlook, 2022, „Announced Pledges Scenario“; Energy Brainpool, 2022)

Wie sieht der europäische Kraftwerkspark der Zukunft aus?

Der Kraftwerkspark in Europa war in der Vergangenheit besonders von fossilen Erzeugungskapazitäten dominiert. Vielfach haben die im Markt befindlichen Kraftwerke bereits ein hohes Alter erreicht und müssen bis 2050 ersetzt werden. Ausgenommen hiervon sind nur die bereits im Bau befindlichen Kraftwerke.

Gleichzeitig fließen auch die Ergebnisse der europäischen Klimapolitik in die Entwicklung des europäischen Kraftwerkparks ein. Mittlerweile haben sich fast alle EU-Staaten, in denen heute noch Strom aus Kohle erzeugt wird, zu einem Kohleausstieg entschlossen. So wollen sie negative Auswirkungen der hohen CO2-Emissionen begrenzen. Für die Zukunft stehen bekannte wie auch erprobte Technologien bereit: Gaskraftwerke, erneuerbare Energien und in einigen Märkten Kernkraftwerke.

Vor allem Windkraft und Photovoltaik haben weiterhin ein großes Wachstumspotenzial. Diese Technologien sind heute dank der stark gesunkenen Kosten wettbewerbsfähig. Dies ist auch ersichtlich durch die ansteigende Anzahl PPA-basierter Projekte, insbesondere für Solaranlagen. Dieser Trend gerät durch den zunehmenden Kannibalisierungseffekt der Anlagen untereinander zunehmend unter Druck.

Im „Central“-Szenario steigt der Anteil dieser fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis in das Jahr 2050 auf rund 76 Prozent der gesamten Angebotsleistung (vgl. Abbildung 4). Zudem senkt ihre oft gleichzeitige Stromerzeugung den stündlichen Strompreis immer öfter und immer stärker. Alle erneuerbaren Technologien zusammen haben einen Anteil von 85 Prozent am Kraftwerkspark.

Abbildung 4: Installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2022; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

Abbildung 4: Installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2022; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

An steuerbaren, fossilen Erzeugungskapazitäten werden auf europäischer Ebene in Zukunft vor allem Gaskraftwerke zugebaut. Sie weisen geringere Emissionen im Vergleich zu Kohlekraftwerken auf. Letztere verlieren selbst mit Carbon-Capture-Storage (CCS) weiter an Bedeutung. Allerdings bleibt abzuwarten, ob der bis spätestens 2027 geplante vollständige Importstopp für russisches Pipeline-Gas und der Bezug von teurerem LNG-Gas zumindest zeitweise zu einem geringeren Zubau von Gaskapazitäten führt.

Gleichzeitig können in modernen, „H2-fähigen“ Gasturbinenkraftwerken statt fossilem Erdgas auch Wasserstoff und andere synthetische Kraftstoffe verbrannt werden. Durch diesen Wechsel gelten Gasturbinen und GuD-Kraftwerke langfristig nicht mehr als fossile Stromerzeuger, sondern werden zumindest in Teilen zu den „emissionsfreien“ Kraftwerken gerechnet. Mit Gas erhöht sich der Anteil der emissionsfreien Erzeugung in 2050 auf 96 Prozent. Daher ist davon auszugehen, dass Gaskraftwerke auch auf lange Sicht eine wichtige Technologie bei der Stromerzeugung bleiben.

Die Kapazitäten von Kohlekraftwerken verringern sich um mehr als 80 Prozent bis 2050, und um über 90 Prozent bis 2060. Bei der Kernkraft ist ein Rückgang der aktuell installierten Leistung um rund 25 Prozent bis zum Jahr 2050 zu beobachten. In der Gesamtbetrachtung reduziert sich der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke (inklusive Gas) von aktuell rund 43 Prozent auf etwa 15 Prozent bis zum Jahr 2050. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Struktur der Strompreise, welche zunehmend durch feE geprägt sind.

Warum steigt die Stromnachfrage bis 2060?

Die gesamte Stromnachfrage steigt bis 2050 um circa 65 Prozent und bis 2060 um circa 71 Prozent, wie in Abbildung 5 dargestellt ist. Der Strombedarf erhöht sich vor allem durch:

  • die nationalen Wasserstoffstrategien und die Ausweitung der Wasserstoffanwendungen (Verbreitung der Brennstoffzellentechnologie im Transportbereich und vermehrte Nutzung von Wasserstoff in der Stahlerzeugung und in der chemischen Industrie),
  • die vermehrte Elektrifizierung von diversen Energiedienstleistungen in den Haushalten (insbesondere durch die Verbreitung von Wärmepumpen und sonstigen elektrischen Wärmeanwendungen für die Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme),
  • sowie den Anstieg der Elektromobilität.
Abbildung 5: Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2022; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

Abbildung 5: Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2022; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

Der Großteil des Wirtschaftswachstums findet laut Plänen der Europäischen Kommission im tertiären Dienstleistungssektor statt, welcher ebenfalls mehr Strom benötigt. Im Industriesektor kann durch eine höhere Effizienz verhindert werden, dass der Stromverbrauch deutlich steigt.

Die produzierte Strommenge aus Kohlekraftwerken ist stark rückläufig. Ebenso nimmt sie bis 2030 um rund 72 Prozent und bis 2050 um rund 91 Prozent ab. Die Produktion aus Gaskraftwerken erhöht sich indes sogar um rund 7 Prozent bis zum Jahr 2050.

Im Jahr 2050 beträgt der Anteil erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 76 Prozent. Dabei machen Wind- und Solaranlagen mit rund 61 Prozent den größten Anteil aus. Die restlichen Strommengen werden durch steuerbare, erneuerbare Energien produziert, wie zum Beispiel Biomassekraftwerke oder Speicherseen.

Weitere 23 Prozent des erzeugten Stroms werden ebenfalls emissionsfrei produziert, entweder in Kernkraftwerken (11 Prozent) oder in Gaskraftwerken durch die Verbrennung von grünem Wasserstoff (12 Prozent). Damit beträgt der Anteil der emissionsfreien Erzeugung in 2050 knapp 99 Prozent.

Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise

Welche Faktoren beeinflussen, wie sich die durchschnittlichen, ungewichteten Baseload-Preise der Jahre 2023 bis 2050 entwickeln werden? Besonders relevant dafür sind die Rohstoff- und CO2-Preise sowie der Ausbau der erneuerbaren Energie.

In den kommenden Jahren sind die Strompreise vom aktuell hohen Preisniveau an den Terminmärkten geprägt. Ab 2030 wirken die steigenden CO2-Preise und die zunehmende – insbesondere flexible – Stromnachfrage preissteigernd auf die Strompreise. Allerdings wird diese Entwicklung gedämpft durch die immer höheren Einspeisungen aus Wind- und Photovoltaik-Kraftwerken. Hierdurch gibt es zunehmend Stunden mit geringen und häufig auch negativen Strompreisen. Im Ergebnis verändern sich die realen Strompreise zwischen 2030 und 2060 nahezu nicht, sondern verbleiben auf einem Niveau von circa 76 EUR/MWh.

Im Vergleich zur letzten Ausgabe des EU Energy Outlooks vom April 2022 ist der Durchschnitt der Strompreise zwischen 2030 und 2050 leicht gestiegen. Während insbesondere der Anstieg der Rohstoffpreise zu höheren Strompreisen zwischen 2030 und 2035 führt, bedingt der Zubau von Wind- und PV-Anlagen in vielen Ländern niedrigere Preise nach 2040.

Zwischen den einzelnen europäischen Ländern sind große Abweichungen sichtbar. Dies zeigen die dargestellten Schwankungsbreiten in Abbildung 6. Aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise verzeichnen insbesondere Länder mit einem geringen Ausbau von erneuerbaren Energien einen stärkeren Anstieg der Strompreise.

Abbildung 6: Jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 6: jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Betrachten wir die Strompreise auf monatlicher Basis, ist die Saisonalität und Volatilität des Strommarktes erkennbar (siehe Abbildung 7). Für den Winter zeigen die Analysen steigende Preise, bedingt durch die Temperatursensitivität der Stromnachfrage. Die Strompreise im Sommer liegen meist deutlich niedriger. Dieser Effekt wird durch den steigenden Anteil solarer Stromerzeugung verstärkt.

Abbildung 7: Monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 7: monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Die dazugehörige Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise in den jeweiligen Szenarien ist in der Abbildung 8 ersichtlich.

Abbildung 8: Entwicklung der Strompreise in den jeweiligen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 8: Entwicklung der Strompreise in den jeweiligen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Welche Erlöse können Windkraftanlagen erzielen?

Der Vermarktungswert ist der durchschnittliche mengengewichtete Strompreis, den Wind- und PV-Anlagen über das Jahr gerechnet am Spotmarkt erzielen können. Bei der Berechnung werden nur Erzeugungsstunden mit nicht-negativen Strompreisen berücksichtigt (inklusive 0 EUR/MWh).

Demgegenüber gibt die Vermarktungsmenge den Anteil der erzeugten Strommengen in diesen Stunden an der gesamten Erzeugungsmenge an. Das Produkt aus Vermarktungswert und Vermarktungsmenge ergibt den Capture-Preis. Im Gegensatz zum Vermarktungswert ist der Capture-Preis der durchschnittliche Jahreserlös am Strommarkt für die gesamte Erzeugungsmenge, also auch in Stunden mit negativen Strompreisen.

Wie Abbildung 9 zeigt, bleiben sowohl Vermarktungswert als auch Capture-Preis für Windanlagen ab dem Jahr 2030 nahezu konstant und nehmen erst am Ende des betrachteten Zeitraums leicht zu. Der Grund dafür sind steigende Kapazitäten. Die parallele Erzeugung durch eine höhere Anzahl von Anlagen verringert die Strompreise in diesen Stunden (Kannibalisierungseffekt). Die Vermarktungsmengen gehen im EU-Durchschnitt nahezu gar nicht zurück, in einzelnen Ländern wie beispielsweise Deutschland teilweise aber sehr deutlich.

Abbildung 9: Vermarktungswerte und -mengen für Wind in ausgewählten EU-Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 9: Vermarktungswerte und -mengen für Wind in ausgewählten EU-Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Die vielen Stunden, in denen steuerbare, fossile Kraftwerke den Preis setzen trotz des hohen Anteils von erneuerbaren Energien, ermöglichen positive Erlösströme. Die Schwankungsbreite der Märkte zeigt, wie unterschiedlich die landesspezifischen durchschnittlichen Erlösmöglichkeiten von Windenergieanlagen sind.

Im White Paper „Bewertung der Strommarkterlöse von Anlagen fluktuierender erneuerbarer Energien“ definiert Energy Brainpool unter anderem die Indizes Vermarktungswert und
-mengen. Diese Indizes ermöglichen es, die Erlöspotenziale von fluktuierenden, erneuerbaren Energien am Strommarkt realistisch einzuschätzen.

Welche Erlöse können Photovoltaik-Anlagen (Solar) erzielen?

Die Entwicklung des durchschnittlichen Vermarktungswerts und Capture-Preises von Photovoltaik-Anlagen fällt im Vergleich zu Wind ab 2035 stärker ab (vgl. Abbildung 10). Grund hierfür ist der deutliche Zubau von PV-Kapazitäten, unter anderem in Deutschland, in Verbindung mit dem stark ausgeprägten Kannibalisierungseffekt bei PV. Denn der Großteil des Stroms wird in den Tagesstunden im Sommer erzeugt. In Stunden, in denen viel Solarstrom erzeugt wird, sinken die Strompreise und damit die Erlöse.

Abbildung 10: Vermarktungswerte und -mengen für Solar ausgewählter EU-Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 10: Vermarktungswerte und -mengen für Solar ausgewählter EU-Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Auch bei PV bleiben die Vermarktungsmengen im EU-Durchschnitt nahezu konstant. Währenddessen gehen sie in einzelnen Ländern zeitweise deutlich zurück. Die große Schwankungsbreite der Solar-Vermarktungswerte in den Einzelstaaten zeigt, wie stark die Erlösmöglichkeiten variieren. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass in einem sonnenreichen Land auch mit geringen Vermarktungswerten hohe Erlöse möglich sind. Das liegt daran, dass die Anlagen besser ausgelastet sind.

Zunahme der Preisvolatilität im Detail

Im Szenario führen viele Faktoren zu einem deutlichen Anstieg der Preisvolatilität. In der Abbildung 11 wird die Preisvolatilität mithilfe von Boxplots dargestellt. Konkret beschreiben sie die jährlichen Baseload-Preise und die Quantile der Stundenpreise im jeweiligen Jahr.

Abbildung 11: Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 11: Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Auf der einen Seite nehmen die Erzeugungskosten der steuerbaren, fossilen Kraftwerke aufgrund der steigenden Erdgas- und CO2-Preise zu. Auf der anderen Seite hat der Ausbau fluktuierender, erneuerbarer Energien einen preissenkenden Effekt. Im Ergebnis treten extreme Preise häufiger auf und werden zu einem normalen Bestandteil der Strompreisstruktur des Day-Ahead-Marktes.

Ausblick: „GoHydrogen”-Szenario

Mit dem europäischen Green Deal wurde das ambitionierte Ziel für die EU gesetzt, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein. Im Zuge des Q4-Updates 2022 wurde entsprechend dieser Zielvorstellung ein neues Szenario „GoHydrogen“ entwickelt. Dieses skizziert einen möglichen Entwicklungspfad der europäischen Energieversorgung zur Umsetzung der Vision mithilfe der Wasserstofftechnologien. Hierfür wurde eine sektorale Verbrauchsanalyse durchgeführt, um das Potenzial der Nutzung von grünem Wasserstoff in den Sektoren Industrie, Transport und Gebäude zu bestimmen. Abbildung 12 zeigt die wichtigsten Teilbereiche der Hauptenergiesektoren, welche bei der Verbrauchsanalyse detailliert untersucht wurden.

Abbildung 12: Die Hauptsektoren mit den Teilbereichen bei der sektoralen Verbrauchsanalyse (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 12: Die Hauptsektoren mit den Teilbereichen bei der sektoralen Verbrauchsanalyse (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Durch die Verbrauchsanalyse wurde insbesondere die zukünftige Nutzung von grünem Wasserstoff für folgende Anwendungen identifiziert:

  • Transportsektor:
    • Verbreitung der Brennstoffzellentechnologien in Bereichen des Personen- und Güterverkehrs
  • Gebäudesektor:
    • Substitution von Erdgas durch Wasserstoff bei der Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme
  • Industriesektor:
    • Bei der Stahlherstellung substituiert das Direktreduktionsverfahren auf Wasserstoffbasis den Hochofenprozess
    • Substitution von Erdöl und Erdgas durch Wasserstoff / Methanol in der chemischen Industrie

Der daraus resultierende Wasserstoffverbrauch wird vor allem durch die Wasserstoffherstellung mithilfe von Elektrolyseuren gedeckt. Die Elektrolyseure werden 2050 und in den nachfolgenden Jahren europaweit ausschließlich durch Strom aus erneuerbaren und/oder emissionsfreien Erzeugungsanlagen betrieben. Abbildung 13 zeigt den Modellierungsansatz einer detaillierten Berücksichtigung der Sektorkopplung zwischen Strom und Wasserstoff im Szenario „GoHydrogen“.

Abbildung 13: Detaillierte Modellierung der Sektorkopplung von Strom und Wasserstoff im „GoHydrogen“-Szenario (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

Abbildung 13: Detaillierte Modellierung der Sektorkopplung von Strom und Wasserstoff im „GoHydrogen“-Szenario (Quelle: Energy Brainpool, 2022)

 

Autoren

Dr. Alex Schmitt & Huangluolun Zhou

Quellen

[1] EU, 2021: EU reference scenario 2020: Energy, transport and GHG emissions – trends to 2050 [online]
https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/96c2ca82-e85e-11eb-93a8-01aa75ed71a1/language-en/format-PDF/source-219903975 [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

[2] IEA, 2022: World Energy Outlook [online] https://www.iea.org/reports/world-energy-outlook-2022 [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

[3] entso-e, 2022 [online] https://tyndp.entsoe.eu/ [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

[4] US Office of Fossil Energy and Carbon Management, 2022 [online] https://www.energy.gov/fecm/listings/lng-reports [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

 

Fußnoten

[1] Der World Energy Outlook enthält nur Preisannahmen bis 2050. Diese werden in unseren Szenarien zwischen 2050 und 2060 mit halber Steigung der vorangegangenen zehn Jahre fortgeschrieben.

Last but not least

Sie interessieren sich für die Ergebnisse unseres letzten EU Energy Outlook vom April 2022? Diese finden Sie hier: Update: EU Energy Outlook 2050 – Wie entwickelt sich Europa in den nächsten 30 Jahren?

Alle Informationen rund um unsere Strompreisszenarien für EU 27, UK, Schweiz und Norwegen finden Sie hier unter Energy BrainReports.

Kommentare

  1. Höchst interessanter Artikel! Sehr aufklärend. Danke dafür

    • Lydia Bischof

      28. November 2022

      Hallo Herr Hube,

      vielen Dank für Ihre Lob und Ihr Interesse an unserem Blog.

      Viele Grüße

      Das Team von Energy Brainpool

  2. Sebastian

    23. März 2023

    Vielen Dank für den spannenden Artikel!
    Verstehe ich das richtig, dass es sich bei allen hier prognostizierten Strompreisen um reale Strompreise
    (Basis 2021) handelt und die tatsächlichen nominalen Strompreise dementsprechend um die allgemeine Inflation höher ausfallen werden?
    Oder gibt es hier noch Effekte zu beachten warum man nicht einfach die allgemeinen Inflation (z.B. 2% p.a.) auf diese Preise aufschlagen kann um ein Gefühl für die nominalen zukünftigen Preise zu erhalten?

    • Lydia Bischof

      4. April 2023

      Hallo Sebastian,

      Vielen Dank für Ihr Feedback! Genau, die dargestellten Preise sind die realen Werte mit dem Basisjahr 2021. Um die nominalen Preise zu erhalten, muss man zunächst für die Jahre 2021 und 2022 die historische Inflation berücksichtigen. Für die Folgejahre können dann beliebige Inflationserwartungen (z.B. die von Ihnen erwähnten 2 %, oder die etwas höheren Erwartungen des IMF für den Euroraum) aufgeschlagen werden.

      Viele Grüße

      Das Team von Energy Brainpool

  3. Migo Schmitt

    31. Oktober 2023

    Guten Tag,

    Was ist der Unterschied zwischen Bruttostromnachfrage fix und gesamt? Und warum entwickeln sie sich so unterschiedlich?

    Die Einheit in Abbildung 5 ist übrigens nicht GW, sondern TWh/a.

    Beste Dank und viele Grüsse

    • Lydia Bischof

      29. November 2023

      Hallo Migo,

      Die fixe Bruttostromnachfrage ist der starre Anteil des gesamten Stromverbrauchs, welcher preisinsensitiv, also sich kaum auf Preissignale ändert. Sie beinhaltet einen wesentlichen Teil des Stromverbrauchs der kritischen Infrastruktur und der Industrie. Die flexible Bruttostromnachfrage hingegen ist preissensitiv und reagiert mit einer gewissen Flexibilität auf die Preissignale. In der Zukunft zählen vor allem die Stromverbräuche für die Anwendungen Elektrolyseure zur Herstellung von (grünem) Wasserstoff, Elektromobilität und elektrischen Wärmepumpen zu dieser Kategorie. Mit einer zunehmenden Elektrifizierung in den Sektoren Gebäude und Verkehr und einer engeren Vernetzung des Strom- und Gassektors wird langfristig ein steigender Trend der flexiblen Bruttostromnachfrage erwartet. Die fixe Bruttostromnachfrage wird aufgrund der steigenden Energieeffizienz auf einem konstanten Niveau bleiben. Für den Hinweis zur Einheit bedanken wir uns sehr und die Grafik wird schnellstmöglich korrigiert.

      Viele Grüße

      Das Team von Energy Brainpool

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