Der CO2-Preis wird immer wichtiger für den Strommarkt. Deshalb beleuchten wir den CO2-Markt genauer und die diskutierten Änderungen im europäischen Emissionshandelssystem (EU ETS). In diesem ersten Beitrag betrachten wir die aktuellen Entwicklungen und die angedachten Änderungen im Zuge des neuen EU-Klimaschutzpakets „Fit for 55“.
Zusammengefasst ist das EU ETS das zentrale Instrument der EU, um die Treibhausgasemissionen kosteneffizient zu reduzieren. Das EU ETS stellt dabei einen der weltweit größten CO2-Märkte dar. Es begrenzt die Emissionen von etwa 10.000 Anlagen des Stromsektors, der Industrie und Luftfahrtunternehmen aus allen EU-Ländern sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz.
Dabei deckt es ungefähr 40 Prozent der Treibhausgasemissionen dieser Länder ab (Quelle: Europäische Kommission). Wie sich die verifizierten CO2-Emissionen innerhalb des EU ETS seit 2005 entwickelt haben, ist in Abbildung 1 dargestellt (Datenquelle: European Environment Agency).
Das EU-Emissionshandelssystem im Überblick
Das EU-ETS ist ein Handelssystem für CO2-Zertifikate, welches nach dem „Cap and Trade“-Prinzip funktioniert. Es gibt eine feste systemweite Obergrenze, innerhalb derer die Anlagenbetreiber Emissionszertifikate erwerben oder erhalten. Die Obergrenze wird im Laufe der Zeit verringert, damit die Gesamtemissionen zurückgehen.
Derzeit befindet sich das EU ETS in der vierten Phase (2021-2030). Im Mittelpunkt dieser Phase steht die Verringerung der Gesamtzahl der Emissionszertifikate und zwar konkret jährlich um 2,2 Prozent statt der bisherigen 1,74 Prozent (linearer Reduktionsfaktor). Des Weiteren wird in dieser Phase auch die Marktstabilitätsreserve (MSR) weiter ausgebaut, in welche überschüssige Zertifikate zur Preisstabilisierung verschoben werden.
Auswirkungen der Corona-Pandemieauf das EU ETS
Aufgrund der Corona-Pandemie in 2020 sind die CO2-Emissionen um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gefallen. Aus dieser sinkenden Nachfrage heraus folgte der Preis für die gehandelten CO2-Zertifikate nicht, sondern stieg zuletzt deutlich an.
Grund für die Preisentwicklung war unter anderem die Ankündigung, das europäische Klimaziel bis 2030 anzuheben. Nachdem die EU-Verhandlungen über eine Verschärfung des CO2-Minderungsziels im Oktober 2020 starteten, stiegen die Preise für CO2-Zertifikate stark an.
Entsprechend ging es dann auch in 2021 weiter. Mit Phase 4 des EU ETS, der Aussicht auf das neue Klimaziel sowie auch eine verbesserte mittelfristige Wirtschaftslage und spekulativen Marktteilnehmern stiegen die Preise bis Mitte Mai 2021 weiter auf ein Rekordhoch von über 56 EUR/Tonne CO2 an. Die Preisentwicklung ist in Abbildung 2 dargestellt.
Im April 2021 hat die EU das neue EU-Klimaziel bekannt gegeben: Emissionen sollen um 55 Prozent verringert werden im Vergleich zu 1990 anstatt auf wie bisher vereinbart auf nur 40 Prozent.
Damit einhergehend werden die Akteure zwangsweise auch das EU ETS anpassen müssen. In dem „Fit for 55“-Paket, welche die EU im Juli 2021 präsentieren wird, sollen insgesamt 13 Vorschläge zu Änderungen des EU ETS und anderen Maßnahmen enthalten sein.
So soll das EU ETS angepasst werden
Zu den Vorschlägen, die im Juli diskutiert werden könnten, zählen unter anderem „Deeper Cuts“.
Diese bezeichnen die Reduzierung der Anzahl der ausgegebenen Emissionsgenehmigungen im Zehnjahreszeitraum bis 2030. Konkret kann dies erreicht werden durch Maßnahmen wie angepasste Obergrenzen („Cap“), der MSR oder des linearen Reduktionsfaktors (LRF).
- Erstens: Die Obergrenze (Cap) legt die Gesamtzahl der Emissionszertifikate fest. Sie könnte in den nächsten Jahren reduziert oder neu ausgerichtet werden.
- Zweitens: Die Höhe der Rate, mit der die Gesamtemissionsobergrenze jedes Jahr schrumpft, wird durch den LRF bestimmt. So wäre es eine Option, den LRF zu erhöhen.
- Drittens: Die MSR ist ein Mechanismus, der die Bereitstellung von CO2-Zertifikaten automatisch steuert. Dabei reagiert die MSR auf die geänderte Nachfrage mit einem flexiblen Angebot. Und zwar indem überschüssige CO2-Zertifikate reduziert werden. Dass bedeutet: Eine weitere Maßnahme für „Deeper Cuts“ wäre ein Ausbau der MSR.
In Abbildung 3 ist die bisher erwartete Entwicklung der TNAC (Total Number of Allowances in Circulation), des Caps, der Zertifikate in der Marktstabilitätsreserve (MSR) und der verifizierten Emissionen bis 2030 dargestellt (Quelle: European Environment Agency).
Weitere Maßnahmen im Detail
Ebenso müssen die Politiker Maßnahmen zu „Carbon Leakage“ diskutieren. Derzeit gibt es Vorschläge, die Gesamtzahl der kostenlosen Berechtigungen für Unternehmen in Branchen zu verringern, die dazu neigen bei hohen CO2-Preisen ihre Produktion außerhalb Europas zu verlagern.
Weiterhin sind Carbon Border Adjustment Mechanisms (CO2-Grenzausgleichsmechanismen) im Gespräch. Bei denen geht es um erhöhte Abgaben auf Importe emissionsintensiver Produkte. Diese haben hier das konkrete Ziel, das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen zu verringern. Gleichzeitig sollen sie durch einheitliche Wettbewerbsbedingungen EU-Partner zu ermutigen, ihre Klimaziele zu erhöhen.
Ein weiterer Vorschlag betrifft die Einführung von Carbon Contracts for Difference. Hier würde die Differenz zu einem festen Kohlenstoffpreis für saubere Technologien an Industrien gezahlt werden, die ihre Prozesse dekarbonisieren, solange der ETS-Preis zu niedrig ist. Die Entwicklung von Rahmenbedingungen für Carbon Removal Credits, also Zertifikaten für die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre, ist ebenfalls angedacht.
Darüber hinaus gibt es zunehmend Diskussionen, den EU ETS sektoral zu erweitern, beispielsweise auf Sektoren wie Gebäude, Straßenverkehr und den maritimen Sektor (Quelle: EURAKTIV). Ein weiteres wichtiges Thema ist die Einführung eines CO2-Mindestpreises. Damit kann man die Planungssicherheit für Investitionen in klimafreundliche Technologien erhalten.
Das „Fit for 55“-Paket: Was sind die wichtigen Themen?
Am 14. Juli 2021 wird die Europäische Kommission das Legislativpaket „Fit for 55“ vorlegen. Darin enthalten sind Maßnahmen, mit denen die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden sollen (Quelle: Europäische Kommission).
Von den oben diskutierten möglichen Maßnahmen zur Anpassung des EU ETS liegen einige Optionen schon auf dem Tisch und sind Teil des neuen ambitionierteren Klimaschutzprogramms „Fit for 55“. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Themen des „Fit-for-55“ Legislativpakets (Quelle: EU Parlament, IHK Karlsruhe).
Konkret werden die EU-Politiker darüber verhandeln, wie das EU ETS überarbeitet und wie Treibhausgasemissionen und -abbau erfasst werden sollen, die durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft entstehen (LULUCF).
Auch steht eine Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie zur Umsetzung der Ambition des neuen 2030-Klimaziels im Raum.
Weitere Themen, die das EU-Parlament im Juli diskutieren wird, drehen sich rund um das Thema alternative und nachhaltige Treibstoffe. Hier geht es um die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe sowie vor allem auch der Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe im Flug- und Schiffverkehr. Darüber hinaus steht auch an, die Verordnung zu ändern, die CO2-Emissionsstandards für Pkws und Kleintransporter festlegt.
MSR wahrscheinlich erst später wirksam
Einige der oben erwähnten Themen zur Anpassung des EU ETS könnten allerdings, selbst bei Beschluss im Juli, sowieso erst später wirksam werden. Dies betrifft beispielsweise die MSR. Da die 24-prozentige Entnahmerate der MSR bis 2023 festgeschrieben ist, könnte eine Anpassung der MSR wohl erst nach 2023 in Kraft treten.
Die kommenden Wochen dürften zu spannenden politischen Diskussionen auf EU-Ebene führen. Wir halten Sie auf dem Laufenden, was die Diskussion auf EU-Ebene angeht. In einem zweiten Beitrag werden wir zeitnah die Ergebnisse zum EU ETS vorstellen.
Weitere Details zum europäischen Emissionshandelssystem erhalten Sie in unserem Live-Online-Training „Der europäische CO2-Markt: Ein- und Ausblicke“. Es findet im September dieses Jahres stattfinden.
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