Ökostrom ist mittlerweile ein etabliertes Produkt am Strommarkt und wird häufig auch als „grüner Strom“ bezeichnet. Mittels Herkunftsnachweisen (HKN, englisch: Guarantees of Origin, GoO/GO) kann diese „grüne“ Eigenschaft nachgewiesen werden, also die Erzeugung des Stroms aus einer Anlage mit erneuerbaren Energien (EE-Anlage). Nach aktuellen Regeln muss dieses Grünstrom-Zertifikat innerhalb eines Jahres entwertet werden.  Ein nächster großer Schritt in der Transformation der Energiewirtschaft ist die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff.

Dieser könnte als Ersatz für Erdgas in industriellen Prozessen oder Gaskraftwerken eingesetzt werden. Dieser Wasserstoff sollte natürlich auch so klimafreundlich wie möglich erzeugt werden, also „grün“. Im Grundsatz wird grüner Wasserstoff durch die Elektrolyse von grünem Strom, also mit Strom aus EE-Anlagen, hergestellt. Ein Elektrolyseur spaltet Wasser mithilfe von elektrischer Energie in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Der dafür eingesetzte Strom muss allerdings nach den Vorstellungen der EU strengere Anforderungen erfüllen als für herkömmlichen Ökostrom.

Die Europäische Kommission hat im Februar 2023 die Delegiertenverordnung (DelVO) für erneuerbare Treibstoffe nicht-biogenen Ursprungs (Delegated Act for Renewable Fuels of Non-Biological Origin, RFNBO) verabschiedet. Die DelVO gehört regulatorisch zu Artikel 27 der Erneuerbare-Energien-Direktive II (Renewable Energy Directive, RED II) der Europäischen Kommission. Sie legt die Kriterien fest, nach denen Wasserstoff als 100 Prozent erneuerbar bezeichnet werden darf und auf die Ziele der RED II angerechnet werden kann. Diese DelVO bezieht sich zwar auf Wasserstoff für den Verkehrssektor, dürfte aber als Vorlage für Wasserstoff in allen anderen Sektoren dienen.

Was für den Wasserstoff-PPA zu beachten ist

In der DelVO sind fünf Anwendungsfälle hinsichtlich des Strombezugs für den Elektrolyseur beschrieben. In drei der fünf Anwendungsfälle ist es erforderlich, einen direkten Stromliefervertrag (also ein Power Purchase Agreement, PPA) zwischen dem EE-Anlagenbetreiber und dem Elektrolyseur-Betreiber abzuschließen. Für die Wasserstoff-PPAs (H2-PPAs) wurden vier Kriterien aufgestellt. Diese sind je nach Anwendungsfall zu erfüllen, um den Wasserstoff als „erneuerbar“ bezeichnen zu dürfen (siehe Abbildung…eit (Additionality): Die Inbetriebnahme der EE-Anlage liegt maximal 36 Monate vor der Inbetriebnahme des Elektrolyseurs. Eine Erweiterung des Elektrolyseurs ist 36 Monate nach Inbetriebnahme erlaubt.

  • Zusätzlichkeit Plus (Additionality Plus): Es existiert keine finanzielle Förderung für die EE-Anlage, weder in der Investition noch im Betrieb.
  • Zeitliche Korrelation, Gleichzeitigkeit: bis zum 31.12.2029 müssen Stromerzeugung und Stromverbrauch innerhalb des gleichen Monats identisch sein, ab dem 01.01.2030 müssen Erzeugung und Verbrauch sogar stündlich übereinstimmen. (Ausnahmen gelten)
  • Geografische Korrelation, Regionalität: Die EE-Anlage und der Elektrolyseur müssen in der gleichen Gebotszone stehen. Es gibt keine Beschränkung in Bezug auf die tatsächliche Entfernung zwischen den Anlagen. Deutschland besteht aktuell (noch) aus einer Gebotszone. (Ausnahmen gelten)
Regulatorik Wasserstoff PPA, Energy Brainpool

Abbildung 1: Regulatorik Wasserstoff PPA (Quelle: Energy Brainpool)

Keine Regel ohne Ausnahme

Die Gleichzeitigkeit von Stromerzeugung und -verbrauch muss, unter bestimmten Voraussetzungen, nicht erfüllt sein. Wenn der Strompreis unterhalb von 20 EUR/MWh in der Gebotszone liegt, oder wenn er niedriger ist als das 0,36-Fache des ETS-Zertifikatspreises (auch als CO2-Preis bezeichnet), darf der Elektrolyseur betrieben werden, ohne dass in derselben Stunde die EE-Anlage in Betrieb ist.

Bei einem ETS-Preis von z. B. 60 EUR/tCO2 wären das 21,60 EUR/MWh, bei 80 EUR/tCO2 wären es 28,80 EUR/MWh. Hier geht man davon aus, dass diese Preise auf einen Erzeugungsüberschuss hindeuten, der durch die Elektrolyseure als flexible Verbraucher genutzt werden soll.

Darüber hinaus dürfen Mitgliedsstaaten das Erfordernis der stundenscharfen Gleichzeitigkeit auf das Jahr 2027 vorziehen.

Für die Regionalität gilt die Ausnahme, dass die EE-Anlage auch in einer benachbarten Gebotszone liegen darf. Dies gilt nur, sofern der Strompreis am Day-Ahead-Markt im betreffenden Zeitraum dort höher ist als in der Gebotszone des Elektrolyseurs.

Unterschiedliche Anwendungsfälle – unterschiedliche Kriterien

Ist der Elektrolyseur mit einer direkten Stromleitung an die EE-Anlage angeschlossen (keine Durchleitung durch das öffentliche Stromnetz), so ist lediglich das Kriterium „Zusätzlichkeit“ zu erfüllen. Es ist ein PPA zwischen den Betreibern abzuschließen. Die Gleichzeitigkeit und Regionalität wird aus technischen Gründen ohnehin erfüllt.

Befindet sich der Elektrolyseur in einem Marktgebiet, indem die Stromerzeugung insgesamt eine CO2-Intensität von unter 18 g CO2-eq/MJ aufweist, so sind die Kriterien „Zeitgleichheit“ und „Regionalität“ zu erfüllen. Auf die „Zusätzlichkeit“ wird hier verzichtet, sodass auch Altanlagen in solchen Marktgebieten als PPA-Vertragspartner in Betracht kommen.

In allen anderen Netzgebieten müssen die PPAs alle vier aufgelisteten Kriterien erfüllen. Dieser Fall wäre für Deutschland mittelfristig zutreffend.

Wann braucht ein Elektrolyseur gar keinen PPA?

Wenn in einer Gebotszone der Anteil der Erzeugung aus EE-Anlagen mindestens 90 Prozent beträgt, ist ein Wasserstoff-PPA gar nicht erforderlich. Diese 90-Prozent-Schwelle ist für mindestens eines der letzten fünf Jahre zu überschreiten. Jedoch darf der Elektrolyseur eine maximale Anzahl von Betriebsstunden, welche sich aus Multiplikation des EE-Anteils im Strommix mit der Anzahl der Stunden im Jahr ergibt, nicht überschreiten.

Wenn der Elektrolyseur dazu genutzt werden kann, Maßnahmen im Sinne des Redispatch 2.0 zu verhindern, dann ist für diesen Betriebsfall kein PPA erforderlich, um die „grünen“ Anforderungen zu erfüllen. Diese Verhinderung entsteht, indem der Elektrolyseur im Falle von Netzengpässen eingeschaltet wird, um einen zusätzlichen Verbrauch vor dem Netzengpass zu schaffen. So kann der ansonsten überschüssige Strom aus erneuerbaren Energien genutzt werden anstatt dass die EE-Anlage abgeschaltet werden würde.

Was bedeutet all das für die H2-PPAs?

Aus diesen Kriterien und Anwendungsfällen ergeben sich zahlreiche Implikationen für etwaige Wasserstoff-PPAs. Mehr Informationen dazu bekommen Sie im Live-Online-Training „Energy BrainSession: Wasserstoff-PPAs“ Wasserstoff-PPA in Deutschland und Europa | Energy Brainpool