Ende März 2019 gab das Europäische Parlament grünes Licht für die letzten Verordnungen und Richtlinien des „Saubere-Energien-Pakets“. Sowohl in Berlin als auch in Hamburg steht die Rekommunalisierung von Energieinfrastrukturen bevor. Während die erneuerbaren Energien im März neue Rekorde vorweisen können, geht es bei den Speichern erst los. Am langen und am kurzen Ende der Strompreise ging es im März nach unten.

EU-Parlament segnet „Saubere-Energien-Paket“ ab

Die im November 2016 als Winterpaket bekannt gewordenen Vorschriften aus der Feder der EU-Kommission sind nun auch durch das EU-Parlament gekommen. Am 26. März 2019 haben sich 90 Prozent der Abgeordneten für den Beschluss der verbleibenden vier Vorschriften ausgesprochen. Dies umfasst die Elektrizitätsmarkt-Richtlinie und -Verordnung, die Acer-Verordnung und die Verordnung über Risikovorsorge im Stromsektor. Damit kommt die EU dem Ziel einer „Energie-Union“ einen großen Schritt näher, so Energie- und Klimakommissar Canete (Quelle: EU Kommission).

Die verabschiedeten Regeln sollen auf Risiken für die Versorgungssicherheit vorbereiten, indem Mitgliedsstaaten nationale Notfallpläne für den Fall von Engpässen erarbeiten. Die Acer-Verordnung soll dem Zusammenschluss der nationalen Regulierungsbehörden mehr Handlungsspielraum geben.

Die Strommarktrichtlinie und -verordnung betrifft den grenzüberschreitenden Handel, Preisregulierungen und Regeln für Kapazitätsmärkte. So sollen die Übertragungsnetzbetreiber auf den Interkonnektoren zwischen Ländern 70 Prozent der Übertragungsleistung für den Stromhandel öffnen. Neue Regeln gibt es auch für die Kapazitätsmärkte: Hier gelten nun strengere CO2-Grenzwerte für teilnehmende Kraftwerke.

Neue Kraftwerke, die in Kapazitätsmärkten tätig sind, dürfen maximal 550 g/kWh ausstoßen, während dieser Emissionsgrenzwert für existierende Kraftwerte in solchen Märkten ab 2025 gilt. Kapazitätsverträge, die vor dem Ende 2019 abgeschlossen werden, sind von den neuen Regeln nicht betroffen (Quelle: Montel).

Abbildung 1 zeigt den Stand der Dinge der Verordnungen und Richtlinien des Pakets (Quelle: EU Kommission).

Stand der Dinge beim „Saubere-Energie-Paket“

Abbildung 1: Stand der Dinge beim „Saubere-Energie-Paket“ (Quelle: EU Kommission)

Das „Saubere-Energie-Paket“ muss jetzt noch von den EU-Ministern abgesegnet werden. Dann treten die Verordnungen zu Acer und der Risikovorsorge direkt in Kraft, während die Strommarktverordnung ab dem 1. Januar 2020 gilt. Die Mitgliedsstaaten der EU müssen die Richtlinie zum Strommarkt innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umsetzen (Quelle: PV Magazine).

Rekommunalisierungen in Berlin und Hamburg

Vattenfall verliert das Berliner Stromnetz. Die Entscheidung des Berliner Senats am 4. März 2019, den Betrieb des Stromnetzes der deutschen Hauptstadt an „Berlin Energie“ zu vergeben, markiert das Ende einen jahrelangen Streit um diese wichtige Infrastruktur. Der neue Konzessionär des über 36.000 Kilometer langen Verteilnetzes ist der im Jahr 2012 gegründete Landesbetrieb. Durch mehrere Klagen hat der Altkonzessionär „Stromnetz Berlin“, eine Tochter des Konzerns Vattenfall, versucht das Vergabeverfahren für sich zu entscheiden (Quelle: Erneuerbare Energien). Dies ist nicht gelungen.

Berlin liegt hier im Trend. So wurden zwischen 2005 und 2016 über 150 neue Stadt, Gemeinde- oder Regionalwerke gegründet. So auch in Hamburg, wo nach einem Bürgerentscheid im Jahr 2013, das Strom- und Gasnetz zurück in das Eigentum der Stadt ging (Quelle: TAZ). Nach vier Jahren zahlt sich die Übernahme nun auch finanziell aus (Quelle: ZfK).

Weniger glatt verläuft allerdings die Rekommunalisierung der Hamburger Fernwärmegesellschaft, ebenfalls von Vattenfall. Hier soll der bereits vor fünf Jahren vereinbarte Mindestpreis von 950 Mio. EUR laut eines neuen Gutachtens um bis zu 300 Mio. EUR zu hoch sein. Dies könnte sich auf die Übernahmepläne auswirken, da die Überzahlung eine unerlaubte Beihilfe Hamburgs an den Energiekonzern Vattenfall darstellen könnte. Derzeit prüft die EU-Kommission rückwirkend den zum 1. Januar 2019 geltenden Kauf des Hamburger Fernwärmenetzes. Deren Entscheidung wurde vom 19. März auf Ende April 2019 vertagt (Quelle: Montel).

Netzbooster gegen Störungen: Batterien

Im aktuellen Netzentwicklungsplan haben die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) nicht nur den Ausbau der Netze definiert, sondern ebenfalls Pläne für die Netzoptimierung veröffentlicht. Hierunter fallen auch die sogenannten Netzbooster mit denen sich die ÜNBs gegen Störungen wappen wollen. So plant TransnetBW einen 500 MW-Batteriespeicher in der Region Heilbronn und einen weiteren 300 MW-Speicher bei Ludwigsburg.

Auch in Niedersachsen soll ein 300 MW Batteriesystem gebaut werden, während zwei weitere 100 MW-Speicher, einer in der Nähe von München, ein weiterer bei Rendsburg in Schleswig-Holstein geplagt sind. Mit 1.3 GW an Kapazität liegt die finanzielle Dimension dieser Projekte im Milliardenbereich (Quelle: Montel).

Währenddessen zeigt eine Marktanalyse im Auftrag des Bundesverbands Energiespeicher die Möglichkeit von einem GW installierter Batteriespeicherkapazität bis Ende 2019 in Deutschland. Hierunter fallen 600 MW an PV-Heimspeichern und knapp 400 MW an Großspeichern, um das Netz zu stabilisieren (Quelle: PV Magazine).

Power-to-Gas: Speichermarkt zieht an

Im Bereich von Power-to-Gas tummeln sich die ÜNBs ebenfalls. So gab Amprion bekannt, dass das Unternehmen zusammen mit dem Fernleitungsnetzbetreiber für Gas „Open Grid Europe“ den Bau einer 100 MW Power-to-Gas-Anlage in Nordwestdeutschland plant. Die Anlage soll bis zum Jahr 2023 in Betrieb gehen (Quelle: Montel). Vielen Händlern und Energiekonzernen sind diese Ankündigungen ein Dorn im Auge, da es Speicher den Infrastrukturbetreibern ermöglicht, in den wettbewerblichen Bereich der Erzeugung und des Handels einzugreifen.

Derzeit befinden sich in Deutschland über 50 Power-to-Gas-Anlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von mehr als 55 MW in Betrieb oder in Planung. Dies geht aus einer Auswertung von Ludwig-Bölkow-Systemtechnik hervor. Projekte im dreistelligen MW-Bereich wurden für den Anfang der 2020er Jahre, wie etwa von Amprion, schon angekündigt (Quelle: PV Magazine).

In viel größeren Maßstäben wird in den Niederlanden, genauer gesagt, in Rotterdam geplant. Ein Konsortium aus Industrie und Wissenschaft möchte im Rotterdamer Hafen eine Power-to-Gas-Anlage in Gigawatt-Größe entwickeln. Die Anlage soll in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts in Betrieb gehen. Des weiteren soll sie den Strom aus den geplanten On- und Offshore-Windenergieanlagen der Niederlande nutzen und Wasserstoff für die Industrie des Küstenlandes zu erzeugen. Die derzeitigen Kosten von etwa einer Mrd. EUR für eine 1 GW Power-to-Gas-Anlage soll bis dahin auf 350 EUR/kW fallen (Quelle: PV Magazine).

Preise fallen am langen Ende, viel erneuerbare und negative Preise am Spotmarkt

Inzwischen fiel der Leitkontrakt für die Grundlastlieferung Strom Deutschland für das Kalenderjahr 2020 von knapp 48 EUR/MWh Anfang März bis auf ein 4-Wochen Tief von 45 EUR/MWh am 25. März. Gründe für die bearishe Stimmung am Terminmarkt waren die Brexit-Unsicherheiten und Auswirkungen auf dem Emissionshandel. Einzig die steigenden CO2-Preise aufgrund technischer Signale gegen Ende März halfen dem Frontjahr wieder auf die Sprünge (siehe Abbildung 2).

Preisentwicklung des Jahresbands für Grundlastlieferung 2020 Strom in Deutschland im März 2019

Abbildung 2: Preisentwicklung des Jahresbands für Grundlastlieferung 2020 Strom in Deutschland im März 2019 (Quelle: Montel)

Am kurzfristigen Markt haben die erneuerbaren Energien die Preise zeitweise stark gedrückt und gleichzeitig einige Rekorde aufgestellt. In der Woche vom 4. bis zum 10. März 2019 kam beinahe zwei Drittel der deutschen Nettostromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere aus Wind.

In der darauffolgenden Woche legten die Erneuerbaren noch einmal mehr zu und deckten 67 Prozent des deutschen Nettostromverbrauchs. Dies entspricht dem Anteil der erneuerbaren Energien, den Deutschland im Jahr 2030 erreichen möchte.

Während Windenergie 50 Prozent des Stromverbrauchs in diesen Tagen deckte, sank der Anteil der fossilen und kerntechnischen Erzeugung auf niedrige Werte. Dies geht auch aus Abbildung 3 hervor. Die hohe Einspeisung erneuerbarer Energien kam auch mit einem negativen Preiszettel. Während an den ersten drei Wochenenden im März die Strompreise zeitweise unter der Null lagen, waren die Preise in der zweiten Hälfte des Monate aufgrund der notwendigen fossilen Erzeugung wieder über der Null zu finden.

Stromerzeugung und Day-Ahead-Preise im März 2019 in Deutschland Power-to-Gas

Abbildung 3: Stromerzeugung und Day-Ahead-Preise im März 2019 in Deutschland (Quelle: Energy Brainpool)